Weitere „Erste“ – von der ersten Bankerin bis zur staatlich geprüften „Blitzableitersetzerin“ – Update 2025
Update 2025
Schon vor einigen Jahren habe ich diesen Artikel rund um „erste Frauen“ geschrieben. Inzwischen habe ich in meiner Sammlung von Frauen- und Familienzeitschriften (die seitdem auch um einiges gewachsen ist) weitere spannende „Erste“ entdeckt. Im Folgenden möchte ich Euch einige davon vorstellen.
Von der Professorin bis zur Bankerin
Maria von Linden (1869-1936) – Als Zoologin zum Professor
Sie wurde 1910 als erste Frau gefeiert, die den Professorentitel in Preußen erhielt, immerhin dem bei weitestem größtem Bundesland. Damit war sie auch eine der ersten Professorinnen in ganz Deutschland.
Maria genoss als Adelige einige Privilegien. Ihr Großonkel legte als Minister im Königreich Württemberg das eine oder andere Mal ein gutes Wort für sie ein, wenn es um die Zulassung zum Abitur und den Besuch der Universität ging. Dennoch war ihr Weg zur Professorin noch steinig genug. An der Universität Tübingen war sie 1892 nur als Gasthörerin zugelassen (aber das immerhin muss man für damalige Verhältnisse sagen). Sie war in den Lehrveranstaltungen eine absolute Exotin und musste sich z.B. von ihrem Professor Eimer in einer Vorlesung fragen lassen „Nicht wahr, Gräfle, der Mensch ist aus Dreck geschaffen?“ „Jawohl, Herr Professor, aber nur der Mann!“ antwortete sie schlagfertig. An der Universität Bonn war sie zunächst bis 1906 als Assistentin tätig.
Für eine Abhandlung „Über die Entwicklung des Farbenkleids der Schmetterlinge“ erhielt sie von der Pariser Akademie der Wissenschaften einen Preis und wurde für ihre Untersuchungen auch finanziell unterstützt. 1908 wandte sie sich mit einem Habilitationsgesuch (das von ihrer Fakultät befürwortet war) an das Ministerium, sollte jedoch, da weiblich, als Privatdozentin nicht zugelassen werden. Schön, was der Artikel der Frauenzeitschrift „Welt der Frau“, anlässlich ihres Professorentitels erschienen, dazu schreibt: „Seltsam genug, da sie seit langem, ohne Schwierigkeiten zu begegnen, Übungen für Studierende geleitet hatte.“ In jedem Fall wurde sie 1910 dann zum Professor an der Universität Bonn ernannt – tatsächlich jedoch ohne Lehrerlaubnis.
Als Gegnerin des Nationalsozialismus wurde sie 1933 zwangspensioniert. Sie verstarb 1936 an den Folgen einer Lungenentzündung.
Anna Hoffmann – Leiterin der ersten Frauenbank
Im Text zum Bild von Anna (erschienen in der Sonntagszeitung für das deutsche Haus, 1910) heißt es:
„Die Gründung der Genossenschaftsbank selbständiger Frauen entspringt den heutigen sozialen Verhältnissen, die mehr denn je die Frau zwingen, sich auf eigene Füße zu stellen. Es gibt eine große Anzahl von Geschäften und Unternehmungen, die von Frauen betrieben werden. Diese gewerbetreibenden selbständigen Frauen standen bisher in den Zeiten der Not fast hilflos da, weil Frauen die Bankkredite, die für jedes geschäftliche Unternehmen erforderlich sind, bisher nur schwer erlangen konnten. Die Mitglieder der neuen Frauen-Genossenschaftsbank setzen sich aus allen Kreisen zusammen; zahlreiche vermögende Frauen haben sich aus Interesse für die gute Sache der Genossenschaftsbank angeschlossen“.
Es gab also gewerbetreibende Frauen, aber sie hatten es bei den männlich dominierten Banken schwer, Kredite zu bekommen. Anna Hoffmann war eine der beiden Leiterinnen, die zweite hieß Frau von Wunsch, geborene von Fleming.
Die Bank stand ausschließlich Frauen offen, die ihr Geld dort natürlich auch anlegen konnten – und zwar ohne die eigentlich erforderliche Erlaubnis ihrer Vormunde oder Ehemänner. Wenn denn welche vorhanden waren. Die Frauenbank wollte die Frauen ermutigen, sich selbst um ihr Geld zu kümmern und es gewinnbringend anzulegen.
Das stieß auf Gegenwehr – man fürchtete, daß sich mit der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen die Idee der Familie auflösen könnte.
Unterstützt wurde die Frauenbank von bekannten Namen der Frauenbewegung wie Anita Augspurg oder Anna Pappritz. Leider funktionierte die erste Bank von Frauen für Frauen letztendlich nicht. Nicht nur der beginnende 1. Weltkrieg erschwerte die Geschäfte, sondern auch interne Unstimmigkeiten. 1915 wurde das Konkursverfahren eingeleitet und der Geschäftsbetrieb musste 1916 eingestellt werden.
Was aus den Gründerfrauen um Anna Hoffmann wurde, ist leider nicht bekannt, aber die Lorbeeren für die mutige Gründung der ersten genossenschaftlichen Frauenbank bleiben ihnen!
Lydia Rabinowitsch-Kempner – als Bakteriologin die erste Professorin Berlins
Lydia (1871-1935) stimmte ursprünglich aus Litauen, was damals zum Russischen Kaiserreich gehörte. Sie studierte Naturwissenschaften in Bern und Zürich – in der Schweiz „durften“ Frauen schon ab 1864 in Zürich und ab 1872 in Bern studieren. In der „Welt der Frau“ wurde sie 1912 mit diesem Bild und einem kurzen Artikel anlässlich der Verleihung des Professorentitels vorgestellt:
„Den Ruf einer verdienten Bakteriologin hat sie sich durch eine Anzahl trefflicher Bücher und auch ihre Vorträge bei verschiedenen Naturforschertagen erworben“
Heißt es darin u.a. und auch, dass sie ein aktives Mitglied der Frauenbewegung war. Der wichtigste Grund für den Titel war jedoch ihr Verdienst in der Tuberkulose-Forschung. Aber von vorn: Nach ihrer Promotion arbeitete sie unter der Leitung von Robert Koch als Assistentin am Institut für Infektionskrankheiten. Das bis heute existierende Institut wurde später nach ihm benannt. 1898 hatte sie den Arzt Walter Kempner geheiratet – das Paar bekam drei Kinder. Einige Jahre unterrichtete sie in an einem College den USA.
In den Semesterferien arbeitete sie weiterhin am Robert-Koch-Institut. Ab 1903 war sie am Pathologischen Institut der Charité tätig. Für den Professorentitel 1912 gab es zwar viel Ehre, aber zunächst kein Geld und auch keinen Lehrstuhl. Erst als Lydia 1920 die Leitung des Bakteriologischen Labors am Krankenhaus Moabit übernahm, wurde sie bezahlt. Da sie jüdischer Herkunft war, wurde sie 1934 aus dieser Position entlassen. 1935 starb sie an Brustkrebs.
Praktische Berufe: Von der Plakatankleberin bis zur „Blitzableitersetzerin“
Paris: Plakatankleberin
Als „Eine neue Erscheinung im Pariser Straßenleben“ wurde die Dame im Text angekündigt – 1908 in der Frauenzeitschrift „Welt der Frau“. Weiterhin hieß es zu ihr:
„Er ist im Grunde genommen nicht allzu neu, dieser „neue Frauenberuf“ für strebsame Gemüter. Denn daß Frauen gelegentlich auf eine Leiter zu klettern oder mit Kleistertopf und Pinsel zu hantieren verstehen – das eine z.B. beim Fensterputzen, das andere bei zahllosen selbstbesorgten kleineren Reparaturen im Haushalt – weiß jeder. Aber da soll uns nicht hindern, der unternehmenden Ersten, die diese Tätigkeit vom Haus auf die Straße verlegt hat, die besten Erfolge zu wünschen.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen!
Pfalz: Blitzableitersetzerin
Lina Hornbach hieß die mutige Frau, die sich zur ersten staatlich geprüften „Blitzableitersetzerin“ ausbilden ließ. Gut, sie war bereits eine Branchen-Insiderin, hatte sie doch davor schon ein Dachdecker- und Blitzableitergeschäft. Aber dann machte sie Nägel mit Köpfen und bestand die Staatsprüfung auch als Setzerin der solchen – und zwar bei Professor Ruppl in Kaiserslautern – theoretisch und praktisch! So nachzulesen in der Rubrik „Aus dem Frauenleben“ in einer Ausgabe der „Welt der Frau“ von 1911.
Berlin: Automobildroschkenführerin
Man könnte auch sagen, Frau von Papp war die erste Taxifahrerin Berlins. Vorgestellt wird sie in der Jugendzeitschrift „Kränzchen“ im Jahrgang 1907/08. Der kurze Text dazu erzählt, dass sie den Beruf ergriff, um ihre Kinder zu ernähren. Ja, es waren oft handfeste materielle Gründe, welche die Frauen veranlassten, erwerbstätig zu werden – z.B. wenn der Ehemann früh starb. In jedem Fall schloss Frau von Papp die erste Prüfung erfolgreich ab und „lenkte ihr Gefährt mit Geschick durch die Straßen der deutschen Reichshauptstadt, was an manchen Stellen wirklich keine leichte Aufgabe ist“. Das trifft bis heute zu! Abschließend heißt es:
„Sie hat also ihr Ziel erreicht und verdient für den Mut, womit sie den Kampf gegen die Not des Lebens aufnahm, alle Achtung.“
Fazit:
Wie man sieht, drangen die Frauen in allen Bereichen in neue Domänen vor, ob Forschung, Handwerk oder Wirtschaft. Ihre Motivationen waren unterschiedlich, aber sie einte der starke Wille, etwas Neues zu wagen und sich auf ihrem Weg von niemanden einschüchtern zu lassen!
Quellen:
Marie von Linden:
Sonntagszeitung für das deutsche Haus Jg. 09/10, S. 872
Zeitschrift „Welt der Frau“, 1910, S. 432
Anna Hoffmann/ Bank für Frauen:
Sonntagszeitung für das deutsche Haus Jg. 10/11, S. 256
„Ohne ökonomische Macht keine Emanzipation: Die Berliner Frauenbank (1910-1916)“, Dr. Gilla Dölle, Deutsches digitales Frauenarchiv
Lydia Rabinowitsch-Kempner:
Zeitschrift „Welt der Frau“ Jg. 1912, S. 184
Ärztinnen der ersten Generation: Lydia Rabinowitsch-Kempner, Dr. Benjamin Kuntz, Berliner Ärzt:innen (Onlinemagazin der Ärztekammer Berlin)
Weitere Artikel:
Auf Bürgerleben sind zum Thema Frauenbildung und Frauenbewegung schon diese Artikel erschienen:
- Mädchen und Frauen heraus aus der Finsternis! Der lange Weg zum Frauenwahlrecht am Beispiel des Frauenstimmrechtsvereins Konstanz (Daniela Frey)
- Ein Lehrerinnenseminar der 1. Stunde – Callnberg (Patrick Bochmann)
- Krankenschwester im Kaiserreich (Grete Otto)
- „Die Erste – eine Rubrik, die Mut machte“ (Grete Otto)
Hier findet Ihr eine Reihe zeitgenössischer authentischer Erlebnisberichte (im Rahmen eines Preisausschreibens der Zeitschrift „Gartenlaube“ mit dem Thema „Vor den wirtschaftlichen Kampf gestellt“ entstanden) von Frauen, die plötzlich gezwungen waren, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.