Staatl. Fachingen – von der Heilquelle zur Premium-Marke

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Goethe trank es gerne, berühmte Wissenschaftler wie Senckenberg oder Fresenius untersuchten es auf seine Bestandteile und befanden es für wertvoll und schon seit seiner Entdeckung im 18. Jahrhundert, 1742, wurde es erfolgreich vermarktet und beworben – das Wasser aus Fachingen, heute „Staatl. Fachingen“ genannt. 

Entdeckung und Fassung der Quelle

Die Quelle bei der kleinen Ortschaft Fachingen in der Nähe von Limburg als Namensgeber des Mineralwassers wurde 1740 offiziell entdeckt – wahrscheinlich durch den Diezer Chirurgen und Justizrat Bender. Eine interessante Berufskombination in jedem Fall! Füllte ihn seine Tätigkeit als Justizrat zeitlich nicht aus und er hatte nebenbei Zeit zu operieren? Oder war sein Einsatz in der Justiz nur gelegentlich notwendig und er war an erster Stelle Arzt? Wahrscheinlich Letzteres, weil zu dieser Zeit in kleineren Orten noch Schöffen Recht sprachen und bei Bender wird es sich um einen Schöffen gehandelt haben.  

Im Volk war die Quelle aber wohl schon länger bekannt, älteren Leute priesen sie als „vortreffliches Sauerwasser“. Die Besitzer der Wiesen und die vorbeifahrenden Schiffer -denn die Quelle befand sich direkt an der Lahn- „labten“ sich am Wasser und es wurde von ersten Heilungserfolgen berichtet.  Ein Kölner Schiffer wurde durch das Trinken des Quellwassers von seinen Verdauungsbeschwerden geheilt und „mehrere Kranke bedienten sich und wurden gesund“. 

Chirurg (und Schöffe) Bender wurde der erste Brunnenmeister, der sich mit einem ihm unterstellten Brunnenknecht um die bessere Einfassung und das „Ausputzen“ des Brunnens kümmerte. Die Kunde vom heilkräftigen Wasser verbreitete sich schnell und bald kamen von früh bis abends Leute aus den umliegenden Orten an den Brunnen, um das Wasser zu schöpfen und dessen heilkräftige Wirkung zu genießen. Alsbald verfügte die Landesregierung, dass die Quelle richtig gefasst wurde und zwar so, dass kein anderes Wasser, z.B. aus der Lahn, eindringen konnte. Gleichzeitig beauftragte die Regierung 1742 den Arzt Dr. Forell das Quellwasser auf seine Bestandteile zu untersuchen. Sein Bericht dazu ist das älteste schriftliche Zeugnis über die Quelle.  Forell hielt es mit seinem „reitzenden angenehmen säuerlichen Geschmack“ und seiner „vortrefflich eröffnenden Kraft“ für „eines der besten Heilwasser in Deutschland“. 

Die Haupt- und Nebenquellen in zwei vermauerten Fässern separat zu „fangen“, so dass keine weiteren Quellen bzw. Grund- oder Lahnwasser in sie eindrangen, war wohl technisch gar nicht so einfach, gelang aber am Ende.  

Beginn der Vermarktung

Schon 1747 werden Tonkrüge mit Wasser gratis an renommierte Ärzte und Händler versandt und in Zeitungen Annoncen geschaltet. Tonkrüge aus dem Westerwald sollten übrigens bis Ende des des 19. Jahrhunderts das bevorzugte Behältnis für das Wasser bleiben, bevor sie immer mehr von Glasflaschen abgelöst wurden.

Gleichzeitig wurde das Wasser von bekannten Ärzten der Zeit untersucht und für wohlschmeckend und heilsam befunden. Der Frankfurter Arzt Burggravens lud 1747 seine beiden Kollegen Christoph Le Cerf und Johann Christian Senckenberg zur Verkostung und Untersuchung des Heilwassers ein. Sie kamen zu einem wohlwollenden Gutachten, sowohl was dessen Geschmack als auch die heilsamen Eigenschaften anging. Das Schriftzeugnis dazu wurde erst 1752 publiziert – vielleicht dauerte der Druck damals etwas länger…

Positive Gutachten weiterer Ärzte folgten und die Beliebtheit des Heilwassers nahm entsprechend zu, damals drückte man das folgendermaßen aus:

„Allenthalben fand dieser vortreffliche Gesundbrunnen, seines angenehmen Geschmacks und der heilsamen Kräfte halber, Beyfall.“

Interessant ist, dass damals schon seine Wirkung gegen Sodbrennen genannt wurde, die bis heute nachgewiesen ist. Schon 1750 wurden 23.000 Krüge verkauft. 

Das Wasser war jedoch nur für Betuchtere erschwinglich – die fünf Kreutzer, die der Krug kostete, entsprachen dem Tagesverdienst eines Arbeiters. 

Heilmittel Wasser

Aber wie lange wird mineralhaltiges Wasser eigentlich schon getrunken? Schon sehr lange! Die heilende und belebende Wirkung von mineralischem Wasser war bereits bei den alten Römern bekannt. Die Thermalquellen von Karlsbad nutzte man schon ab dem 16. Jahrhundert für Trinkkuren, auch Brunnenkuren genannt. Bei den früheren Kuren wurde viel getrunken – bis zu 20 Liter am Tag. Die Kuren dauerten mehrere Wochen. Es gab Brunnen, die nach ihren Nebenwirkungen benannt wurden, z.B. der „Furzbrunnen“ in Bad Schwalbach oder die „Kotzquelle“ im Schweizerischen Leukerbad. Im 19. Jahrhundert waren die Kuren nach wie vor sehr populär, aber die Wassermenge hatte sich reduziert. Man trank morgens vor dem Frühstück, um die Ausgabe-Quellen herum entstanden Trink- und Wandelhallen, die in Kurstädten oft heute noch erhalten sind. Daneben gab es mit Thermalwasser Badekuren – im Barockbad Pfäfers, dem ältesten Bad der Schweiz badeten Kranke bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bis zu 10 Stunden pro Tag in Wannenbädern – durch die aufgeweichte Haut sollten die giftigen Krankheitssäfte den Körper verlassen können. Diese Auffassung des „Ausbadens“ galt aber im 19. Jahrhundert überholt. 

Manche beschriebene Wirkungen des Fachinger Wassers sind für uns heute zum Schmunzeln – so wird recht ausführlich erzählt, dass es wenig schmackhafte Weine trinkbarer macht – und noch besser, wenn sie zusätzlich mit Zucker versetzt werden. Die ausführliche Beschreibung gipfelt in der Behauptung, der so versetzte Wein schmecke wie Champagner und schließt mit den Worten: 

„Uebrigens giebt es nicht leicht einen Trank, der den Durst besser löscht, bei Ermattung die Kräfte schneller herstellt, den niedergeschlagenen Geist, mehr aufweckt, und die Stunden angenehmer kürzet, als Fachinger Wasser mit einem Glas Wein.“

Das gilt im Prinzip bis heute! Es muss nur kein schlechter Wein sein und am besten den Zucker weglassen, möchte die Verfasserin noch hinzufügen. Der Ratschlag stammt übrigens von Jakob Friedrich Eberhard, seinerzeit nassauischer geheimer Regierungsrat zu Dillenburg und auch noch Jurist und Altertumsforscher. Dazu war er 1743 Stadtschreiber im benachbarten Städtchen Diez. Nach Bender noch ein beruflicher „Multi-Tasker“! Eberhard verfasste eine Art Werbeschrift zum Fachinger Wasser, aus der wir auch einige Details zur Erschließung des Brunnens durch Bender entnommen haben. Die wahrscheinlich aus dem Jahre 1786 stammende Schrift wurde vom Ururenkel zur Verfügung gestellt und war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in einer Broschüre abgedruckt worden. 

Wirtschaftliche Entwicklung ab dem 19. Jahrhundert

Schon im 18. Jahrhundert hatten die Vermarktung des Wassers verschiedene Pächter übernommen und den deutschlandweiten Vertrieb der Krüge ausgebaut. 1809 wurden im Jahr 300.000 Krüge verkauft – auch international, wie einige ca. 200 Jahre alten Krüge mit der Aufschrift „Fachingen“ beweisen, die von Tauchern vor der holländischen Insel Texel gefunden wurden.
Ab 1815 übernahm bis 1866 die herzoglich-nassauische Verwaltung die Zuständigkeit. In dieser Zeit ging die Absatzmenge auf und ab: wurden 1835 400.000 Krüge abgesetzt, so gab es in den Folgejahren drastische Einbußen – der Tiefpunkt wurde 1848 mit jährlichen 157.000 Krügen erreicht. Vielleicht war das den Wirren der Revolution und der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet? 

Nach dem Krieg zwischen Preußen und Österreich geht die Verwaltung 1866 auf den preußischen Fiskus über. Ab 1870 werden Glasflaschen verwendet – zunächst parallel zu den Tonkrügen. Es geht wieder bergauf, der Gründerzeit sei Dank!  Der Absatz steigt und 1892 wird mit über 600.000 Krügen und knapp 120.000 Flaschen ein Rekordergebnis erzielt. Sicherlich ein Grund, dass als Pächter Friedrich Siemens auf den Plan tritt, der den Brunnen ab 1894 pachtet – 100 Jahre sollte der Brunnen in der Pacht der Familie Siemens bzw. Friedrichs Nachfahren bleiben. Friedrich Siemens hatte mehrere Glasfabriken, die Flaschen produzierten. Es wird eine parallele Entwicklung gewesen sein, dass die Glasflaschen ab 1900 dominierten – die Tonkrüge waren teurer in der Produktion, die Glasflaschen günstiger und leichter zu transportieren. 1895 wurde beim Absatz des Wassers erstmals die Millionenmarke geknackt.

Und es ging weiter aufwärts – 1904 waren es schon 4 Millionen Flaschen, die abgefüllt wurden. 

In den Jahren 1905/06 wurden die Quellen neu eingefasst und weiter entfernt vom nahegelegenen Fluß Lahn mittels Rohren in ein neues (wahrscheinlich größeres) Füllhaus umgeleitet.

Auch im Marketing war man sehr aktiv – die Marke „Königl. Fachingen“, wie sie in dieser Zeit hieß, inserierte in verschiedenen Wochen- und Familienzeitschriften, z.B. „Daheim“, „Über Land und Meer“ und „Die Gartenlaube“.

Hier eine Auswahl an Werbungen. Auch zu dieser Zeit wird insbesondere die heilende Wirkung des Wassers beworben. Aber nicht nur: In einer ganzseitigen Anzeige der Gartenlaube von 1910 heißt es: „Tägliches Getränk Sr. Majestät des Kaisers und Königs“. Nebenbei sieht man auch einmal genau, wie die Flaschen in den Jahren rund um 1910 genau aussahen, in der Aufschrift steht u.a. „Im Laufe weniger Jahre zu Weltruf gelangt“. Moment! Denn damals war das Wasser immerhin schon seit 168 Jahren auf dem Markt – aber der Weltruf kam dann wahrscheinlich erst mit der Übernahme von Siemens und der Abfüllung in Glasflaschen.

Dass diese Wirkungen nicht nur Werbebotschaften waren, sondern durchaus auch medizinisch fundiert, geht aus verschiedenen Schriften hervor, z.B. dem Bäderalmanach, der insbesondere als Überblick der Kurorte und Quellen für praktizierende Ärzte in Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gedacht war, aber auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelte. 

In der Ausgabe von 1913 heißt es zu „Fachingen an der Lahn“: 

„Der natürliche Mineralbrunnen Königl. Fachingen hat einen heilwirkenden Einfluss bei Gicht, Harngries, Nieren- und Blasensteinen, Diabetes melitus, Magen- und Darmkrankheiten…“

und 

„…Da das natürliche Fachinger Wasser ausserdem noch von grossem Wohlgeschmack ist und erfrischend wirkt, so ist es ein beliebtes Tafelgetränk geworden und als solches von hervorragend prophylaktischer Bedeutung.“ 

Interessant ist noch ein Hinweis am Schluss: „Die echten Füllungen tragen eine Etikette mit dem preussischen heraldischen Adler und der Umschrift „Königl. Fachingen“. 

Tatsächlich wurde bei vielen Produkten vor Nachahmungen gewarnt und beschrieben, wie die „ächten“ (vor der Rechtschreibreform 1901) Produkte aussahen. Dass das im Falle von Fachingen nicht ganz unbegründet war, zeigt diese Anzeige: 

Lithion-Sprudel wird als „Fachingen-Ersatz“ angepriesen und war sicher, wie das Ersatzprodukte so an sich haben, günstiger im Preis. 

Marketing betrieb man auch mit Reklamemarken, vom Aussehen Briefmarken ähnlich, nur etwas größer, wurden sie gerne zu Werbezwecken eingesetzt und von der damaligen Kundschaft gesammelt.

Gefüllt und versandt wurde das Wasser in 1l Bordeauxflaschen in Kisten à 50 Stück und 1/2 l Bordeauxflaschen zu Kisten à 100 Stück. So nachzulesen im Handbuch „Mineralwasser Mittel-Europas und ihre Produkte“ von 1909, in der das Wasser als „Starker Natronsäuerling“ gekennzeichnet und für die bereits erwähnten medizinischen Indikationen empfohlen wird.

War der Absatz im Jahr 1913 nochmals gestiegen – auf über 6 Millionen Liter- so sank er während des darauffolgenden 1. Weltkrieges 1918/19 auf nur noch 2 Millionen Liter Mineralwasser, die verkauft wurden. Die Goldenen Zwanziger brachten wieder einen Aufschwung, der allerdings durch die Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre wieder abgebremst wurde. Nach dem 2. Weltkrieg gestaltete sich die Aufnahme der Produktion schwierig – viele Maschinen waren defekt. Das Land Rheinland-Pfalz wurde Besitzer des Brunnens – der Pachtvertrag mit Siemens wurde jedoch fortgeführt. In der Folgezeit ging es wieder aufwärts. 

Eine wichtige Entscheidung in den 70er Jahren war, neue gleichartige Wasser-Vorkommen zu erschließen, denn die Kapazität der ursprünglichen Quellen war ausgeschöpft – immerhin hatte sich der Absatz  bzw. der Versand in der Zeitspanne seit den 50er Jahren verzehnfacht! Bis 1974 wurden deshalb insgesamt sieben neue Vorkommen erschlossen. 

Anfang der 2000er Jahre wurde eine elegante neue Flaschenform eingeführt – der ursprünglichen Form der Bordeauxflasche, in der obigen „Gartenlaube“-Werbung zu sehen, nachempfunden. Nach verschiedenen Besitzerwechseln ist der heutige Eigentümer seit 2011 die Sinalco GmbH. In den letzten Jahren war die klimaneutrale Produktion ein wichtiges Anliegen des Unternehmens – im Jahr 2020 konnte dieses Vorhaben durch verschiedene Investitionen in den Jahren davor umgesetzt werden und der Standort ist seitdem klimaneutral.

Staatl. Fachingen ist damals wie heute eine Premium-Marke, deren hoher Bekanntsheitsgrad nicht nur dem angenehmen Geschmack, sondern auch seiner fast 280-jährigen Tradition als Heilwasser zuzuschreiben ist.

Quellen:

  • Prof. Dr. Georg Schwedt „Staatl. Fachingen. Seit 275 Jahren“. Berichte aus drei Jahrhunderten. Norderstedt 2017.
  • Bäder-Almanach (XII. Ausgabe). Verlag von Rudolf Mosse. Berlin 1913
  • Dr. Hanns Staffelstein „Mineralwasser Mittel-Europas und ihre Produkte“. Handbuch für Ärzte, Apotheker, Drogisten und Mineralwasserhändler. Berlin 1909. Verlagshaus Gutenberg
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