Süddeutsch – Norddeutsch und zurück – eine Übersetzungshilfe für’s Kochen von 1905
Kommt eine Kundin in den Kolonialwarenladen und verlangt: Geben Sie mir bitte zwei Rokambole, dazu Saturay und noch ein Pfund Skorzoneren. Und bitte alles ins Skarnitzel packen.
Zuhause fragt der Sohn dann, was es heute zum Mittagessen gibt. „Als Vorsuppe Brühe mit Quenellen, als Hauptgericht Lungmus mit Pritscheln und zum Nachtisch Perizikaden-Kompott mit Obers“ antwortet die Mama. Bis hierhin alles verstanden?
Auch heute noch werden für nord- süd- oder natürlich auch mitteldeutsche Ausdrücke Übersetzungen gebraucht. Ob Wecken, Schrippen oder Brötchen – gerade beim Essen und Kochen zeigen sich viele regionale Eigenheiten in verschiedenen Ausdrücken. Und das war auch schon 1905 so, deshalb stellte Hedwig von Hohenwald, die Verfasserin des Viktoria-Kochbuchs, ihren Rezepten auch eine Art Übersetzungshilfe voran. In den Tabellen „Süddeutsch-Norddeutsch“ und „Norddeutsch-Süddeutsch“ wurden Begriffe rund um die Küche „übersetzt“.
Beim Lesen der Tabelle mußte ich jedoch ein paar Mal passen – da mir weder der süddeutsche Begriff noch die norddeutsche Übersetzung ein Begriff war. Es war ein bißchen wie beim Spiel„Nobody ist perfect“ – bei dem es darum geht, eine (ausgedachte) Bedeutung für völlig fremde Wörter zu finden. So ging es mir Z.B. bei „Skarnitzel=Düte“. Grosses Fragezeichen! Auch das sonst recht zuverlässige Mayers (von 1905) kannte keinen der beiden Begriffe. Auf google fand ich als einziges Verweis das Wörterbuch von Jacob Grimm: „skarnitzel; skarnitzle“, dann weiter zu „Scharnützel“ und hier findet sich des Rätsels Lösung und sie ist herrlich einfach: Papiertüte. Okay, im nach hinein denkt man –na klar, „Düte“. Eine weitere Beobachtung beim Lesen: Manches wird unterschiedlich geschrieben: z.B. das süddeutsche Synonym für „Bohnenkraut“ , hier Saturey geschrieben, ist in Mayers Lexikon (Ausgabe von 1905-1909 als Saturei zu finden, teilweise auch im selben Text, wie Schmarn mit einem oder zwei „r“. Die Verfasserin hat sich eben vor allem auf die Rezepte konzentriert, das macht sie doch noch sympathischer.
Ach so, hier noch die Auflösung der Begriffe aus der Eingangsszene: 1. Kolonialwarenladen: Rokambole=Knoblauch, Saturay=Bohnenkraut, Skorzoneren=Schwarzwurzeln, Skarnitzel=Düte=Papiertüte 2. Mittagessen: Quenellen=Kneffs=Klößchen von Fleisch- oder Fischfarce, Lungmus=Haschee; Pritscheln (süddeutsch)=Bratkartoffeln von rohen Kartoffeln, Perizikaden=Pfirsich, Obers=Schlagsahne.
Hier die komplette Aufstellung des Küchenlateins in süd- oder norddeutscher Ausführung aus dem Victoria-Kochbuch. Am Ende der Tabelle könnt Ihr sie Euch als pdf herunterladen.
süddeutsch | norddeutsch |
---|---|
abschmalzen | siehe Schmelzbutter |
abtreiben | rühren |
Almode (Gewürz) | Piment oder Jamaikapfeffer, Nelken |
Amarillen | süße Kirschen |
Bähen (Semmel) | nennt man auf dem Backblech im Bratofen oder einer flachen Pfanne ohne Fett gebräunte Semmelscheiben. Für süße Suppen bestreut man die Scheibchen mit Zucker und bäht sie dann. |
Bavesen | gefüllte Semmeln oder Milchbrote |
Beschamel | Schwitzmehl mit Milch zur Sauce gerührt |
Biskot | Bisquit |
Bitterpatzeln | kleine bittere Makronen |
Blaukohl | Grünkohl |
Bouillon | Fleischbrühe |
Brandteig | abgebackener Teig |
Brataine (bayrischer Ausdruck für... | Bratpfanne |
Brei | Blancmanger |
Bricken (Fischart) | Neunaugen |
Bries | Kalbsmilch, Midder |
Bröseln | trockene geriebene Semmel, Paniermehl |
Buchteln | eine Art eckiger Pfannkuchen, welche im Bratofen gebacken werden |
Busserln | Baiser |
Chaudeau | Weinschaumsauce |
Coulis | kräftige, helle Sauce |
Dorschen | siehe Steckrüben |
Dotter-Abguß | Eiweiß, Klar |
dünsten, dämpfen | langsam in wenig Flüssigkeit braten |
Dürlitzen | Korneliuskirschen |
Eierhaber | Schmarrn, Schäbel |
Einbrenne | Schwitzmehl |
Eingesottenes | Eingemachtes |
Erdäpfel | Kartoffeln |
Fasch | Farce |
Faumkoch | Schnee (vom Eiweiß) |
Feldhühner | Rebhühner |
Fisolen | grüne Schnittbohnen |
Flumerie (sächsisch) | Flammerie |
gebuttert (z.B. eine Semmel) | mit Butter bestrichen (gebuttert norddeutsch: aus der Sahne die Butter gezogen) |
gedünstet | gebraten, langsam in wenig Flüssigkeit |
Gefrornes | Eis |
Germ, Gest | Hefe, Bärme |
Gerstel | Gerste |
geselcht | geräuchert |
gesotten | langsam in kurzer Sauce gekocht, geschmort |
Grangen | Preiselbeeren, Kronsbeeren |
Haberfisch | ganz kleine Fische |
Häuptel-Salat | Kopfsalat |
Heidenbrein | Grütze, Gerstel, Graupe ist von der Hülse befreiter Heiden |
Herzkohl | Wirsingkohl |
Herren-Pilze | eine Art großer Pilze |
Hetschepetsch, Hüffenmark | bayrische Benennung für Hagebutten |
Huchen | Salm, Lachs |
Indian | Puter, Truthähne, Kalekutten |
Jamaikapfeffer | siehe Almode-Gewürz |
Kaken | Strunk, Wurzelende beim Gemüse |
Kalbsbries | siehe Bries |
Kalekutten | siehe Indian |
Kappus | siehe Kraut |
Karbanateln | Karbonaden, Koteletts |
Karviol | Blumenkohl |
Karamel | gebrannter Zucker |
Käsematte | siehe Topfen |
Kipfel | Hörnchen (ein Gebäck) |
Klar | Eiweiß |
Klare | Ausbackteig |
Kneffs | Quenellen |
Knödel | Klöße |
Koch (z.B. Semmelkoch) | Speise |
Komst | siehe Kraut |
Krapfen | grosse Pfannkuchen |
Krapferln | kleine Pfannkuchen |
Kraut | Weißkohl, Kappus, Komst |
Kren | Meerretich |
Kronsbeeren | siehe Grangen |
Kugel (Gugel)hupf | Napfkuchen |
Kukuruz | Mais |
Kuttelfleck | Fleck, Kaldaunen |
Lebkuchen | Pfefferkuchen |
Lemonie | Zitrone |
Lungenbraten | Filet vom Rind |
Lungmus | Haschee |
Marillen | eine kleine zu Kompott geeignete Frucht (Aprikosen) |
Marmelade | Salse, Mus |
Maschanzker | Borsdorfer Apfel, Taftapfel |
Matte | siehe Topfen |
Midder | siehe Bries |
Moranchen | Morcheln |
Nocken | abgebackene Klöße |
Nockerln | Schwemmklöße |
Obers, Schmetten, Rahm | Sahne |
Orgeade (spr. Orschade) | ein kühler, eigentlich Gerstentrank von orge(?) Gerste |
Panade | Semmelkoch (f. Koch) |
Pavesen | Pofesen (siehe Bavesen) |
Perizikaden | Pfirsiche |
Peuschel | Gekröse |
Pfanzel | siehe Schäbel |
Pillaw | Haschee |
Piment | siehe Almode Gewürz |
Pitazien | feine Mandeln, die innen grün aussehenund mit nußkernartiger brauner Schale umgeben sind |
Platte | flache Schüssel |
Polenta | italienischer Pudding von Makkaroni |
Pompe | Crême |
Powidel | Pflaumenmus |
Pritscheln | Bratkartoffeln von rohen Kartoffeln (Erdäpfeln) |
Quenellen | Kneffs (Klößchen von Fleisch- oder Fischfarce) |
Rahmschnee | Schlagsahne |
Rahm | siehe Obers |
Rannen | rote Rüben |
Reindel | kleines Kochgefäß, z.B. Tiegel |
Ribiseln | Johannisbeeren |
Risotti | Reis auf italienische Art |
Rokambole oder roggenbolle | spanische Schalotte, Knoblauch |
Rohr | Bratofen |
Rutte | Aalraupe oder Quappe (Fischart) |
Salm | siehe Huchen |
Salfe | siehe Marmelade |
Saturey | Bohnenkraut (Thüringen) |
Schäbel | Schmarn, Eierhaber |
Schill | Zander |
Schlampe-Schnecken (schwz. Schnecken) | eine Delikatesse in Böhmen |
Schlickkrapfen | eine Art Pfannkuchen |
Schlegel | Keule vom Kalb, Hammel, Schwein usw. |
Schlepp | Schwanz |
Schmalz | gekochte Butter (siehe Schmelzbutter) |
Schmarren | eine Art gebackener Klöße |
Schmelzbutter | ausgekochte Butter, sogenanntes Rindsschmalz, Schmalz (siehe Anleitungen Nr. 39) |
Schmelzbutter in voller Backen | so heiße Schmelzbutter, daß das Betreffende, welches man backen will, darin schwimmt |
Schmetten | siehe Obers |
Schwammerl | kleine Pilze |
Schweif | siehe Schlepp |
Seefasan | Steinbutte |
Selchfleisch | Rauchfleisch, Pökelfleisch |
seichter Teller | flacher Teller |
Skarnitzel (?) | Düte (Papiertüte) |
Skorzoneren | Schwarzwurzeln |
Soß, Sud | Sauce, Tunke |
sprudeln | quirlen |
spunden (z.B. Fässer zuspunden) | verschlagen |
stauben, stoven | auf Gemüse oder an Fleisch etwas Mehl streuen, damit die Sauce sämig wird |
Steckrüben | Teltower Rübern, Dorschen |
Strauben | Spritzkuchen |
Strudel | Blätterteig |
Sulze, süße, saure | Gelee, Sülze, Stand |
Taft | Äpfel (siehe Maschanzker) |
Tarhanya | Eiergraupen geröstet, eine Art Klöße zur Fleischgarnierung |
Timbale | Stürz-Pastete |
Topfen | weißer Käse, Matte, Käsematte, Quark |
vergießen | an- zugießen |
Wandel | eine Art Gebäck |
Weichseln | saure Kirschen |
Weinbergschnecken | eine Delikatesse in Böhmen, man ißt sie mit Sardellensauce |
Weinbeeren | Korinthen |
Zibeben | Rosinen |
Zuschetti | Kürbis |
Zwetschen | Pflaumen |
Hier ist die Tabelle zum kostenlosen Download.