Die Täterinnen von Majdanek (Ingrid Müller-Münch)

 In Sachbücher

KZ-Aufseherinnen vor Gericht

Inhaltsüberblick:

Das eine ist, theoretisch eine Menge zur NS-Zeit zu wissen:  ob zur Judenverfolgung, der Vergasung von Millionen von Menschen in Konzentrationslagern oder weiteren Greueltaten der Nazis – man ist informiert.

Das andere ist, die konkrete Beschreibung solcher Taten in Konzentrationslagern selbst zu lesen. Im Buch von Ingrid Müller-Münch, was 1982 nach dem Ende des Prozesses in der 1. Auflage erschien und 2024 aus aktuellem Anlass neu aufgelegt wurde, werden sie von ehemaligen weiblichen Häftlingen, die als Zeuginnen im Majdanek-Prozess aussagen, detailliert beschrieben. Das ist beim Lesen schwer zu ertragen.

Gleichzeitig werden auch die Sichtweisen und Biografien der Täterinnen geschildert. Wer waren die Frauen, die andere Frauen und Kinder quälten, misshandelten, in den Tod schickten oder selbst töteten? Man muss es selbst lesen, aber zwei Fakten sind mir im Gedächtnis geblieben: Sie kamen meist aus kleineren, aber „normalen“ Verhältnissen und zeigten noch als Angeklagte wenig Reue. Wie aus (z.B.) gelernten Kinderkrankenschwestern schlagende Bestien wurden, das kann die Autorin nicht beantworten – und es ist wohl auch nicht erschließbar.

Neben Zeugen und Zeuginnen kommen im Buch auch Richter, Beobachter und weitere Beteiligte im Prozess zu Wort.  Der Majdanek-Prozess fand von 1975-1981 in Düsseldorf statt und am Ende gab es eine Reihe Freisprüche. Von den angeklagten sechs Frauen wurden nur zwei zu Freiheitsstrafen verurteilt. Auch das wird im Buch thematisiert. Ein aktuelles Thema, wie ich finde.

Es erzählt von einer Justiz, in der die Täter nicht nur mit juristischen Kniffen geschützt werden, sondern ihnen ihre schon damals lange zurückliegenden Taten detailliert nachgewiesen werden müssen.
Um die Opfer geht es dabei weit weniger. Weder darum, dass sie -wie in diesen Fällen- oft eine lange und beschwerliche Anreise hatten, ob aus den USA oder Israel. Noch, welche Überwindung und Mühe es sie kostete, im Prozess auszusagen und gedanklich in diesen Albtraum ihres Lebens zurückzukehren. Ein Fortschritt (und weiterer Grund für die Neuauflage): In späteren Fällen von Anklagen wegen solcher Verbrechen war es möglich (und wird aktuell so gehandhabt), Täter mit anderen Maßstäben zu verurteilen (z.B. Demjanjuk-Prozess). Das wird am Ende kurz thematisiert.

Fazit

Dieses Buch ist für mich nicht nur ein Zeitdokument, daß die Erinnerung an die Greueltaten der Nazis wachhält, sondern auch eine bleibende Mahnung die Verfahrensweise und das Prozedere unserer Justiz zu hinterfragen.

Über die Autorin:

Ingrid Müller-Münchist Journalistin und Autorin zahlreicher Sachbücher. Sie arbeitete für den STERN, für Reuters, die FRANKFURTER RUNDSCHAU und seit langem für den WDR.

Das Buch ist im Ditrrich Verlag erschienen, hier kann man es bestellen.

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