Die Kommune der Faschisten (Kersten Knipp)

Gabriele D’Annunzio und die Republik von Fiume

Inhaltsüberblick:

Kersten Knipps Buch „Die Kommune der Faschisten“ beleuchtet die kurze, aber historisch bedeutsame Episode der Republik von Fiume (1919–1920). Im Mittelpunkt steht der exzentrischen Dichter Gabriele D’Annunzio, der diese Kommune initiierte. Der Autor schildert in diesem Kontext die politischen Spannungen in Italien nach dem Ersten Weltkrieg. Dabei stellt er dar, wie die fragile Nationalstaatenbildung und das Legitimationsdefizit der italienischen Regierung später den Aufstieg des Faschismus begünstigten.

Kersten Knipp verwendet einen collageartigen Stil, der geschichtswissenschaftliche Studien mit literarischen Einschüben kombiniert. Dies ermöglicht es, das damalige Lebensgefühl zwischen Dekadenz und nationaler Kränkung greifbar zu machen. Besonders aufschlussreich ist der Vergleich der revolutionären Exzesse in Fiume mit der Hippiebewegung der 1960er Jahre.

Knipp betrachtet D’Annunzio als eine zentrale Figur der politischen und kulturellen Umbrüche jener Zeit. Er beschreibt ihn als einen narzisstischen Literaten, der mit dem Futurismus sympathisierte und die Emotionen der Massen geschickt für seine Zwecke nutzte. D’Annunzio wird als Vorläufer des faschistischen Führerkults dargestellt, der politische Inhalte der Ästhetik unterordnete und Demokratie verachtete. Das politische Umfeld in Fiume war eine Mischung aus Syndikalismus, Sozialismus, Liberalismus und Katholizismus – Elemente, die sich in einem unsteten Zusammenspiel befanden. Knipp argumentiert, dass der wahnhaft übersteigerte Nationalismus der Freischärler als Reaktion auf das politische Vakuum nach dem Krieg zu verstehen ist. Die Republik Fiume war weniger ein faschistisches Projekt als ein Experiment mit verschiedensten ideologischen Einflüssen.

Allerdings bleibt unklar, wie weit D’Annunzios Ideen in der Bevölkerung tatsächlich verankert waren. Knipp versäumt es zudem, das Ende der Republik detailliert zu analysieren. Kritik verdient auch die unreflektierte Darstellung der Frauenrolle.

Fazit
Dennoch gelingt ihm eine lebendige Schilderung, die wertvolle Einblicke in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bietet. Das Buch verdeutlicht, dass Nationalismus in seinem historischen Kontext verstanden und analysiert werden muss, um aus der Vergangenheit zu lernen.

Über den Autor:

Dr. Kersten Knipp ist Romanist und Essayist. Für die Deutsche Welle verfolgt er die politische Entwicklung der arabischen Welt. Zudem arbeitet er für die Radiosender der ARD, insbesondere den WDR. In seinen Büchern beschäftigt er sich mit der Kulturgeschichte der romanischen Länder.

Das Buch ist im Ditrrich Verlag erschienen, hier kann man es bestellen.

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