Ein Gastartikel von Carolin Philipps
Prolog
„Dein Wort ist mir Gesetz!“, schrieb die 18 Jährige Therese kurz vor ihrer Hochzeit an ihren zukünftigen Ehemann Ludwig, Kronprinz von Bayern. Ihre Eltern und Erzieher hätte es gefreut, wenn sie diesen Brief zu lesen bekommen hätten, denn er bewies, dass Therese ihre lebenslange Rolle als unterwürfige, gehorsame Ehefrau angenommen hatte.
Niemand konnte ahnen, dass Therese 46 Jahre später als Königin in den passiven Widerstand gegen ihren Mann trat, dem sich der Hof und der Großteil der Gesellschaft anschloss, was letztlich dazu führte, dass der König seine Krone niederlegen musste und zugunsten seines Sohnes abdankte.
Behütete Kindheit in Kriegszeiten
„Krieg den Palästen! Friede den Hütten!“ Mit diesem Schlachtruf zogen ab 1792, dem Geburtsjahr Thereses, französische Truppen über den Rhein, um ihre Republik, die „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ auf ihre Fahnen geschrieben hatte, gegen das monarchische Europa zu verteidigen. Die ersten 23 Jahre von Thereses Lebens waren geprägt durch einen brutalen Krieg, in dem die westlichen Könige und Fürsten verhindern wollten, dass der revolutionäre Funke aus Frankreich, wo der König abgesetzt und durch die Gueillotine hingerichtet worden war, auch ihre Throne gefährden könnte.
Hildburghausen, der Geburtsort Thereses in Thüringen im Osten Deutschlands, wurde vom eigentlichen Kriegsgeschehen zunächst nur am Rande gestreift. Die Regierung ihres Vaters, Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen, wurde zu diesem Zeitpunkt von niemandem infrage gestellt. Von den Schrecken der Zeit dürfte Therese aber später durch die Erzählungen der Mutter und ihrer Tanten und Onkel erfahren haben, denn die Familie ihrer Mutter war persönlich mit Marie Antoinette bekannt und die Geschwister ihrer Mutter waren mit der Großmutter drei Monate nach Thereses Geburt auf der Flucht vor den französischen Truppen aus Darmstadt nach Hildburghausen geflohen, wo sie für einige Monate Asyl erhielten.
„Als einfache und bescheidene Blume erblühte sie in der Abgeschiedenheit im Refugium der Familie, in dieser frommen Zufluchtsstätte der häuslichen Tugenden.“ So beschreibt ihre jüngste Tochter Alexandra die Kindheit ihrer Mutter.
Thereses Erziehung stand ganz im Zeichen der Rolle, die sie später als Ehefrau eines Fürsten ausfüllen musste. Intellektuelle Bildung hatte dabei nicht die oberste Priorität. Auch eine Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen Zuständen fand nur auf emotionaler Ebene statt. Informationen über aktuelle Politik und politische Zusammenhänge standen nicht auf dem Lehrplan, das zeigen auch ihre späteren Briefe. Wenn häufig behauptet wird, Therese sei sehr gebildet gewesen, sie sei eine Beraterin ihres Mannes gewesen, so war eher der Wunsch Vater des Gedankens. Dafür fehlte ihr schlichtweg die nötige Bildung und das Interesse an politischen Vorgängen.
Die Bildung für Mädchen wurde in diesen Jahren geprägt von den Thesen aus Jean Jacques Rousseaus Bildungsroman „Émilie oder Über die Erziehung“ aus dem Jahr 1762. „Die Frau (ist) eigens dazu geschaffen, dem Mann zu gefallen“, schrieb er. Darum sollte sie nur so viel lernen, wie es ihrer Bestimmung „gemäß“ nötig sei, denn „was die Werke des Geistes anbetrifft, übersteigen sie ihr Fassungsvermögen.“ Mädchen sollte man auch schon frühzeitig an den „Zwang“ gewöhnen, ihre eigenen Wünsche zu unterdrücken.
„Nun entscheide, theurer Ludwig, überzeugt seyend, daß Dein Ausspruch mir Gesetz!“
So oder so ähnlich klingt es in vielen Briefen Thereses. Sanftmut, Bescheidenheit, Freundlichkeit, Pflichtbewusstsein, Demut und Keuschheit: Das waren die Pfeiler für ein tugendhaftes Leben, das die Frauen führen sollten, in völliger Unterordnung unter den Willen des Ehemannes.
Nur in einem Punkt gab sie nicht nach, selbst als Ludwig drohte, die Hochzeit platzen zu lassen: Als er verlangte, sie solle den protestantischen Glauben aufgeben und katholisch werden. Ihrem Glauben blieb sie, trotz wiederholter Versuche ihres Mannes, bis zu ihrem Tod treu.
Für Therese waren die Gebote der Bibel zeitlebens Richtschnur ihres Handelns. Gelebte Frömmigkeit bedeutete für Therese auch Mildtätigkeit gegenüber den Armen. Hier lernte sie durch das Vorbild der Mutter, die jährlich die Hälfte ihres Einkommens für Bedürftige, Pensionen, Erziehungs- und Lehrlingskosten aufgewandt haben soll.
Am 14.10.1806 schlug Napoelon die preußische Armee. Französische Regimenter zogen durch das Land und marschierten 1807 auch in Hildburghausen ein. Sie quartierten sich in den Häusern der Bürger ein und mussten versorgt werden. Außerdem mussten Kontributionen an Frankreich gezahlt werden und ein Kontingent von jungen Männern als Soldaten für Napoleons Heer gestellt werden. Dafür bekam Thereses Vater die Herzogswürde.
Napoleon war der große Sieger. Wenn er verloren hätte, wäre das weitere Leben von Therese wohl ganz anders verlaufen…
Glückliche Braut
Am 21. Dezember 1809 erschien im Schloss zu Hildburghausen der 24-jährige bayerische Kronprinz Ludwig von Bayern (1786–1868) auf der Suche nach einer Braut. Er fürchtete, genau wie seine Schwester Auguste, die Napoleons Stiefsohn Eugène heiraten musste, Teil der dynastischen Heiratspolitik Napoleons zu werden – eine Aussicht, die ihm zutiefst zuwider war. Sein Vater hatte ihm vorgeschlagen, Therese oder Luise von Sachsen-Hildburghausen zu ehelichen, eine seiner Großnichten. Jede von ihnen sei »lieb, freundlich und gütig und könnte eine ausgezeichnete Frau abgeben«. Zwar bringe sie kein Geld mit in die Ehe, aber Hildburghausen sei so klein und politisch so unwichtig, dass auch Napoleon keine Bedenken haben würde. Bei Konzerten und beim Walzertanz kam man sich näher und am Ende entschied er sich für Therese.
Ludwig schien, zumindest nach seinen Tagebucheinträgen zu urteilen, sehr verliebt. Therese erwiderte diese Gefühle, obwohl Ludwigs Äußeres keinesfalls dem Bild eines Märchenprinzen entsprach. Sein Aussehen wird von den meisten Zeitgenossen als »wenig einnehmend« bezeichnet. Er war von mittlerer Größe, hatte eine vorspringende Nase und Blatternnarben im Gesicht. Er war stark schwerhörig, ein Erbteil der Mutter, und stotterte, was die Zeitgenossen als »schwere Zunge« bezeichneten. Daher waren Unterhaltungen mit ihm eher mühsam und auch Konzert- und Theaterbesuche, die Therese über alles liebte, schwierig. Aber er konnte wunderbare Liebesgedichte und -briefe schreiben: „Überall denk ich dein, dein denk ich immer, das brauche ich dir nicht zu sagen. Du bist davon überzeugt und ich bin es von meiner Therese. Mein, mein! Du bist es schon, vielgeliebte Braut, dieses Mein gibt dem Herzen Seligkeit.“
Am Abend des 12.Oktober 1810 verkündeten Glocken und Kanonenschüsse die Vermählung des Thronfolgerpaares in der Hofkapelle der Residenz in München. Fünf Tage lang wurde gefeiert. München wurde zu einem Lichtermeer, für das Volk wurden auf großen Plätzen der Stadt Tafeln mit Speisen und Bier aufgebaut. Der Höhepunkt aber war das Pferderennen auf der später nach Therese benannten Wiese – der Ursprung des heutigen Oktoberfestes.
Affairen und Demütigungen
Glücklich wurde Therese in dieser Ehe aber nicht, wie ihre zahlreichen Briefe beweisen, auch wenn sie ihn liebte. Ludwigs Interesse an anderen Frauen, mit denen er Therese öffentlich demütigte, waren Gesprächsstoff in ganz Europa. Streng katholisch erzogen suchte Ludwig sein schlechtes Gewissen durch selbstverfasste Gedichte an seine Frau und durch großzügige Spenden an die katholische Kirche zu besänftigen. Bei einem seiner zahllosen Aufenthalte in Rom schickte er seine Begleiter u. a. seinen Architekten Klenze los, um einen Priester zu finden, der Ludwig bescheinigen sollte, dass das Treuegebot der Kirche für einen König nicht galt. Sie fanden tatsächlich einen.
Therese gegenüber begründete er seine Affairen mit seinem poetischen Gemüt, das ständige Abwechslung brauchte. „Hätte ich nicht andere geliebt, liebte ich dich nicht so sehr!“ schrieb er in einem seiner Gedichte an sie. Getröstet hat sie das nicht, aber wenn er zu ihr kam, lächelte sie. Er hatte ihr verboten zu weinen, weil er Tränen hasste.
Für Ludwig war sie die perfekte Ehefrau, die ihm keine Vorwürfe wegen seiner unzähligen Affairen machte, was sie natürlich auch kaum konnte, denn sie fürchtete, dass er sich sonst scheiden lassen würde, was wiederum Verbannung und Verlust ihrer Kinder bedeutet hätte. Wenn er sie wieder einmal öffentlich gedemütigt hatte – Affairen, über die ganz Europa sprach-, flüchtete sie nach Hildburghausen, später zu ihrem Vater nach Altenburg. Einmal protestierte sie vorsichtig, als sie eine seiner Geliebten bei Hofe empfangen sollte. Da griff er sie in seinem Jähzorn tätlich an und sie gab nach.
Königin von Bayern
Am 13. Oktober 1825 starb Ludwigs Vater, König Maximilian I. Joseph. Damit waren Ludwig und Therese das neue Königspaar. Eine Krönungsfeier hat es nicht gegeben, denn Ludwig hatte dem Hof ein einjähriges Trauerjahr verordnet. Während Ludwig sich voller Begeisterung in die Regierungsarbeit stürzte, hatte Therese Angst, ob sie der neuen Aufgabe gewachsen war. Sie versicherte ihrem Mann aber, dass sie ihre Pflicht tun und ihn unterstützen werde.
Da König Ludwig I. keine Einmischung in seine politischen Geschäfte duldete, sah Therese ihre Hauptaufgabe in sozialem Engagement. Auch als Königin übernahm sie verschiedene Protektorate über soziale Einrichtungen, z.B. über die „Kinderbewahranstalten“ der ungarischen Gräfin Theresia Brunsvik von Korompa, in denen Kinder aus armen Familien aufgenommen und erzogen werden und auch die Grundlagen des Lesens und Schreibens lernen konnten. Therese bestand aber darauf, dass Kinder beider christlicher Konfessionen aufgenommen wurden.
Sie kümmerte sich um die vielen Bittgesuche von Bürgern und besuchte Wohltätigkeitskonzerte, denen sie nicht nur durch eine Spende, sondern vor allem durch ihr Erscheinen als Königin die nötige Aufmerksamkeit verschaffte und so zu mehr Einnahmen verhalf. Für sie war es ein Gebot der christlichen Nächstenliebe, dass die Reichen den Armen helfen mussten.
Eine Königin rebelliert
Ende 1846 verliebte Ludwig sich in die Tänzerin Lola Montez, die er zur Gräfin machte und von Therese verlangte, seine Geliebte bei Hofe zu empfangen und damit zum ständigen Gast dort machen sollte. Lolas Plan ging noch weiter: „Sie (Therese) ist Königin, aber ich regiere.“ Und so benahm Lola sich auch. Sie ignorierte Gesetze, kam straffrei davon, während jeder, der dagegen protestierte, bestraft wurde. Ludwig ließ keine Kritik an seiner Geliebten zu.
Therese hatte bei aller Unterwürfigkeit unter den Willen ihres Mannes für sich eine rote Linie gezogen: die Verletzung ihrer Würde als Frau oder um es mit ihren Worten zu sagen, ihrer Frauenehre: „Ich bin es meiner Frauenehre schuldig – die mir teurer als das Leben- diejenige, welcher Du eine Standeserhöhung verliehest, nie – unter keiner Bedingung- von Angesicht zu Angesicht zu sehen!“
Und diese rote Linie wurde überschritten, als Ludwig sie zunehmend in der Öffentlichkeit demütigte, sie seine Geliebte nicht nur treffen, sondern sie auch bei Hofe empfangen und damit zum ständigen Gast dort machen sollte. War sie in den Jahren zuvor aus München geflüchtet, so blieb sie nun und ging in den passiven Widerstand, gefolgt von dem gesamten Hof und der Münchener Gesellschaft. Sie weigerte sich standhaft, Lola zu empfangen und kämpfte mit den Mitteln, die ihr die Stellung als Königin in die Hand gab. Sie boykottierte Veranstaltungen, bei der sie an der Seite ihres Mannes hätte repräsentieren müssen, setzte Ludwig bewusst Peinlichkeiten aus. Von kirchlicher Seite wurde Therese sogar zur Scheidung geraten. Das aber kam für sie nicht in Frage. Als geschiedene Frau hätte sie alle Rechte und ihre Kinder verloren.
Auch in der Bevölkerung war seit Jahren die Unzufriedenheit mit dem König gewachsen. Während Ludwig für den Erwerb von antiken Kunstwerken, dem Errichten von repräsentativen Bauwerken und seine Geliebten horrende Summen ausgab, wurden immer wieder die Preise für Lebensmittel drastisch erhöht, Pensionen und andere Sozialausgaben gekürzt. 1846 und 1847 kam es zu witterungsbedingten Missernten, die eine Hungersnot auslösten. Hinzu kam, dass das persönliche Ansehen des Königs auf dem Tiefpunkt war.
Ein König im katholischen Bayern, der sich fromm gab, aber alle moralischen Gebote mit Füßen trat, sich sogar von einem Priester ein Gutachten ausstellen ließ, dass die eheliche Treue nicht für ihn galt, der seine Frau, die von allen geliebte Landesmutter, demütigte, dessen Verhalten über die Landesgrenze hinaus zum europaweiten Skandal wurde, so einen König wollte das Volk nicht mehr.
Nach erneuten Preiserhöhungen im Februar 1848 und dem Bekanntwerden von Lolas Prahlerei: „Es stehen nur zwei Augen zwischen mir und dem Thron“, verbunden mit Morddrohungen gegen die Königin kam es zu den bislang heftigsten Aufständen. Die Menschen verlangten die Ausweisung Lolas, Ludwig ließ Soldaten in München einrücken, die Bürger griffen die Residenz an, eine blutige Auseinandersetzung schien unvermeidlich.
Da entschied sich Therese zur direkten Konfrontation mit ihrem Mann, um ihn zum Rücktritt zu bewegen und so ein Blutvergießen zu verhindern. Sie machte ihm klar, dass er sich für jeden Blutstropfen, der vergossen wurde, vor Gott dafür verantworten müsse. Ludwig war streng katholisch erzogen worden. Ihm war immer bewusst, dass er mit seinem Verhalten Therese gegenüber christliche Gebote verletzte. Fast noch schlimmer aber war, dass sie bislang, selbst wenn er sie durch sein Verhalten zutiefst vor aller Welt demütigte, ihm doch immer verziehen hatte. Wenn nun aber Menschen, für die sie sich als Landesmutter verantwortlich fühlte, sterben würden, nur weil er nicht bereit war, seine Geliebte des Landes zu verweisen, das würde sie ihm nicht verzeihen.
In derselben Nacht noch schrieb Ludwig an Lola, dass sie sofort das Land verlassen müsse. Er selbst trat zugunsten seines Sohnes zurück. Die Königin habe „ihr Land vor einer großen Katastrophe bewahrt“, schrieb der preußische Botschafter.
„Es ist nicht die Krone, an welcher mein Herz gehangen, … doch über allen Ausdruck theuer , war mir der Name – Landesmutter, wonnig das Gefühl, Mutter eines Volkes zu seyn, mit dem mein ganzes Herz verwachsen ist“,
schrieb Therese nach Ludwigs Rücktritt an ihren Sohn Otto. Sie kümmerte sich auch nach Ludwigs Rücktritt um ihre soziale Projekte, vor allem um ihre Projekte für Kinder.
Therese starb am 26.10. 1854 an der Cholera. Ludwig schrieb ihr ein letztes Gedicht:
„Der Du gereinigt lebtest, ohne Fehle,
Sei mein Schutzengel auf der Erde Du,
Beschirme in dem Kampfe meine Seele,
Geleite, liebend sie dem Himmel zu.“
Über die Autorin:
Carolin Philipps, geboren 1954, studierte Englisch und Geschichte in Hannover und Bonn. Heute lebt sie als freie Autorin in Hamburg und hat sich auf historische Biografien starker Frauen spezialisiert. Die zu Therese von Bayern wurde 2024 im Salier Verlag neu aufgelegt.
Auch über Therese von Thurn und Taxis hat sie eine Biografie verfasst, die im Piper Verlag erschienen ist. Dazu hat sie einen Gastartikel für Bürgerleben geschrieben (siehe weitere Links). Hier geht es zur Buchvorstellung.
Weitere Links:
- Therese von Thurn und Taxis – klug, charmant und provokant! Gastartikel von Carolin Philipps