Was geschah im April 1908?
Auf der Durchreise zu Sisis Palast auf Korfu – das Kaiserpaar in Venedig
Was hatten Kaiserin Sisi und Kaiser Wilhelm II. gemeinsam? Beide waren kaiserliche Hoheiten, richtig. Jedoch noch etwas mehr: ihnen gehörte der gleiche Palast auf Korfu – nacheinander. Kaiserin Sisi mochte Korfu schon seit ihrem ersten Besuch 1860 und betrachtete sie, insbesondere nach dem Freitod ihres einzigen Sohnes 1889 als ihre zukünftige Heimat.
Sie sagte über die Insel:
„Korfu ist ein idealer Aufenthalt; Klima, Spaziergänge im endlosen Olivenschatten, gute Fahrwege und die herrliche Meeresluft, dazu den prachtvollen Mondenschein.“
Nach mehreren Aufenthalten dort ließ sie sich zwischen 1890 und 1892 den Palast „Achilleion“ im pompejischen Stil erbauen. Dazu wurde sie auf einer ihrer Reisen zu den Resten des antiken Trojas inspiriert. Bis zu ihrer Ermordung 1898 weilte sie immer wieder gerne in ihrem Palast auf Korfu. Allerdings war ihr Ehemann, Kaiser Franz Joseph nie dort und ihre Töchter Valerie-Marie und Gisela nur einmal. Das Interesse der restlichen Familie war also begrenzt.
Nach ihrem Tod sollte das Anwesen deshalb verkauft werden. Kaiser Wilhelm II. hatte schon immer Interesse an dem Objekt bekundet und erwarb es schließlich 1905. So in etwa steht es auch in den Bildunterschriften zum Zwischenstopp des Kaisers in Venedig auf dem Weg zu seinem neuen Anwesen auf Korfu.
Er veränderte dort einiges und tauschte z.B. eine Skulptur von Heinrich Heine gegen eine der Kaiserin Sisi aus – diese steht noch heute dort.
Nach dem ersten Weltkrieg ging das Anwesen auf der Grundlage des Versailler Vertrages übrigens in griechisches Staatseigentum über. Nach verschiedenen Nutzungen, u.a. als Kindergarten, Spielcasino und Tagungsort von EU-Gipfeln wurde der Palast 2003 nochmals aufwändig saniert und ist seither eine der touristischen Hauptattraktionen von Korfu.
Ein Lacher und seine Folgen – Journalistenstreik im Reichstag:
Und was passierte im April in Deutschland? Es wurde gestreikt. Und zwar ausnahmsweise mal nicht um mehr Geld, sondern das Berufsethos.
Eigentlich war das Verhältnis zwischen den berichterstattenden Journalisten und Politikern im Reichstag entspannt – aber dieses Mal knirschte es: Eine Aprilausgabe der Sonntagszeitung berichtete vom Journalistenstreik. Was war passiert? Während einer Politiker-Rede der Zentrumspartei über die Kolonialisierung fiel ein Satz „über die hohe Bedeutung der unsterblichen Seele des Negers.“ Klar, das wäre heute schon an sich politisch höchst unkorrekt. Damals erscholl daraufhin lautes Lachen von der Journalistentribüne. Der Führer der Zentrumspartei, Reichstagsabgeordneter Gröber, hier im Bild, meinte darauf erzürnt:
„Das sind wieder oben die Journalisten, die Saubengels, die mich schon neulich gestört haben“.
Daraufhin verließen die Journalisten geschlossen den Sitzungssaal. Erst wenn eine Entschuldigung von Gröber für die Beschimpfung erfolge, ließen sie wissen, würden sie wieder Bericht erstatten. Gröbers Entschuldigung ließ auf sich warten und langsam wurde auch der damalige Kanzler Fürst von Bülow unruhig, da eine wichtige Rede zur Außenpolitik anstand. Denn eine Rede kann noch so wichtig sein – wenn nicht darüber berichtet wird und die Öffentlichkeit ihren Inhalt nicht erfährt, ist sie ohne Wirkung.
Von Bülow solidarisierte sich also mit den Journalisten und ließ verlauten, solange keine Entschuldigung erfolgt wäre und der Streit nicht beigelegt sei, würde er gleichfalls nicht sprechen. Der Druck auf Gröber und die Zentrumspartei zeigte seine Wirkung und Gröber entschuldigte sich schließlich – wobei in seiner Entschuldigung noch einige Giftpfeile gegen die Journalisten versteckt waren.
Apropos Giftpfeile – im Bericht über den Streik der Wochenzeitschrift Sonntagszeitung waren auch ein paar Spitzen versteckt und zwar gegen die Politiker:
„…Ohne Berichterstattung durch die Presse ist das ganze parlamentarische System ein stummes Instrument, und wenn auch bei dem jetzigen geistigen Tiefstande des Reichstages nicht viel verloren gegangen ist, wenn die deutsche Nation und das Ausland die langatmigen inhaltslosen Reden der Abgeordneten nicht zu lesen bekamen, so hat dieser Zwischenfall doch ein rein menschliches Interesse…“
Nach der Entschuldigung war der Streik beendet und die Journalisten saßen wieder auf der Tribüne und berichteten über Reden und Debatten – damals wie heute von unterschiedlicher Qualität…
Das erste Heim für Ledige
wird in Charlottenburg am 1. April eröffnet. Und zwar für ledige Männer.
Insbesondere in Großstädten war auch damals schon die Wohnungsknappheit ein grosses Problem –vor allem an bezahlbaren Unterkünften.
Arbeiter, insbesondere junge Männer, organisierten sich deshalb oft einen Schlafplatz bei einer Familie, „Schlafstelle“ genannt. Immerhin 50.000 solcher Schlafstellen gab es wohl während dieser Zeit in Groß-Berlin, wird im Artikel berichtet. Diese Notlösung schaffte natürlich Probleme: auf engem Raum trafen junge Männer auf junge Frauen, weder der Schlafstellen-Mieter noch die eigentlichen Bewohner der Wohnungen hatten Privatsphäre, der Platz war sehr beengt, da natürlich nur ärmere Leute, die auf solche Zusatzeinnahmen angewiesen waren, Schlafplätze vermieteten. Kurzum, es bestand akuter Handlungsbedarf.
England, so heißt es im Artikel, war Vorbild für diese seiner Art erste Einrichtung in Deutschland, dort gab es solche Heime schon „seit langem“.
Weiter wird über die Einrichtung berichtet:
„…Das Haus enthält 300 Betten, zum größten Teil in Einzelzimmern. Die Zimmer haben elektrisches Licht und Zentralheizung (was zu dieser Zeit keineswegs selbstverständlich war), und enthalten für jeden Bewohner einen Schrank, einen Tisch und zwei Stühle. Der Mietpreis beträgt, einschließlich Heizung, Beleuchtung und Frühstück, je nach Lage des Zimmers 10 bis 15 Mark, während derartige Zimmer sonst doppelt soviel kosten. Außerdem besitzt das Heim einen geräumigen Lesesaal mit einer zweckmäßig ausgewählten Bibliothek. Auch eine Speisewirtschaft ist in dem Bau untergebracht, in der zu mäßigen Preisen ohne Trinkzwang Speisen verabreicht werden. Auf dem Dach des Gebäudes ist ein Garten angelegt…“
Das Gebäude des ersten Ledigen-Heims steht noch heute. Jetzt ist es ein Studentenwohnheim. Wer noch mehr über seine Geschichte und auch die der „Schlafplätze“ wissen möchte, dieser Artikel berichtet mit schönen Fotos vom heutigen Gebäude und auch weiteren Zeitdokumenten von damals darüber.
Brand der Garnisonkirche in Berlin
Nicht nur die Tageszeitungen, auch alle wöchentlichen Gazetten berichteten über diesen verherrenden Brand vom 13. April 1908 mit entsprechenden Bildern. Die Garnisonkirche brannte komplett aus. Schuld war wohl ein defekter Motor der Orgel, der überhitzte. Auch der Kronprinz begegnet uns wieder wie in den Januar und März-Ausgaben – dieses Mal (zusammen mit der Kronprinzessin) begutachtet er die Folgen des Brandes. Nein, mangelnde Aktivität kann man ihm nicht vorwerfen.
Es war nicht das erste Mal und (vorausschauend) auch nicht das letzte Mal, daß die Kirche in ihrer wechselvollen Geschichte zerstört wurde.
Hier der Originalbericht aus der Sonntagszeitung dazu:
Durch Kurzschluß der elekrischen Anlage wurde die altehrwürdige, an geschichtlichen Ereignissen reiche Garnisonkirche in Berlin ein Raub der Flammen. Ihre Geschichte läßt sich bis auf den ersten Preußenkönig Friedrich I. zurückführen, der an der Stelle des heute in Trümmern liegenden Gotteshauses im Jahre 1701 eine Kirche für die Berliner Garnison erbauen ließ. Doch schon im Jahre 1720 wure sie bei der Explosion eines in der Nähe befindlichen Pulverturms vollständig zerstört. Der damalige König Friedrich Wilhelm I. ließ noch im selben Jahr mit einem Neubau auf derselben Stelle beginnen, und bereits am 31. Mai 1722 konnte die neue Kirche feierlich eingeweiht werden. Das war im wesentlichen die Garnisonskirche, wie sie bis vor kurzem gestanden hat. Kaiser Wilhelm II. hat in den Bau noch einen Turm einfügen lassen. Von den vielen Standarten und Fahnen, Siegestrophäen aus Preußens Feldzügen, die das Innere der Kirche schmückten, sind nur zwei gerettet worden. Wohl aber ist die Feldherrngruft, in der noch Särge von Generälen aus Friedrich des Großen Zeiten stehen, unversehrt geblieben.
Für mich passen Siegestrophäen aus Feldzügen und Kirche nicht so recht zusammen, aber schließlich war es ja die Kirche der Garnison, also des dort ansässigen Heeres. Als zweites fällt auf, die Berliner KONNTEN einmal schnell bauen. Nicht nur im 18. Jahrhundert.
Denn nach dem Brand 1908 wurde die Garnisonkirche, die immerhin 2700 Menschen fasste, bis zum August 1909 wiederhergestellt –also innerhalb 18 Monaten. Aber auch dieser Wiederaufbau war nicht von Dauer. Im zweiten Weltkrieg brannte die Kirche 1943 nach einem Bombentreffer erneut vollkommen aus. Die Ruine der Kirche stand bis 1962 – dann wurde sie abgebaut. Gestanden hat die Kirche übrigens in Berlin-Mitte auf dem heutigen Litfaß-Platz. Gegenüber befindet sich der seit 1999 so bezeichnete Garnisonkirchplatz (auf dem die Kirche aber nicht stand). Wer die ausführliche Geschichte der Kirche erfahren möchte, hier findet Ihr sie.
Aus dem Frauenleben
Frauenwahlrecht England die II. – wir berichteten im Januar Artikel der Rubrik über den Sturm der Sufragetten auf Downing Street No. 10 – hier ein Update der Entwicklungen:
Original-Bildunterschrift: Eine merkwürdige Verdienstmedaille, die von englischen Frauen bei ihrem Kampf um das Frauenstimmrecht gestiftet wurde
Originaltext darunter: Die Medaille stellt das Tor des Gefängnisses dar, in dem viele vornehme englische Frauen wegen ihrer Ausschreitungen im Kampf um das Frauenstimmrecht kürzere Freiheitsstrafen als Märtyrerinnen verbüßen mußten.
Immerhin schaffte es die „merkwürdige Verdienstmedaille“ in die wöchentlichen News –hatte ich erwähnt, dass in der Redaktion auch Frauen mitarbeiteten? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Frühjahrsmode 1908
Ja, und hier sind noch ein paar Impressionen der damaligen Frühjahrsmode – die Hüte dazu waren damals übrigens ein absolutes „must have“-Accessoire die Damen.
Hier zwei Originaltexte der damaligen Beschreibung:
Rechtes Kleid (oben): Unser elegantes Modell war aus champagnerfarbenem Tuch gefertigt. Der Rock ist ohne Besatz. Er ist an der Vorderbahn etwas gerafft und in Empireform gehalten. Die im Rücken geschweifte Jacke ist vorn etwas abgerundet und mit angeschnittenem Aermel gearbeitet. Goldsoutachenäherei (Soutache = schmal gewebte Bordüre) verziert die Jacke. Der dreiviertellange Aermel ist in eeine breite Manschette gefaßt, die taftbezogenen Knöpfe garnieren. Eine reiches Spitzenjabot vervollständigt den eleganten Anzug.
Mittlerer Hut (unten): Dunkelbrauner Taft formte den großen, kleidsamen Hut, der am inneren Rand mit einem breiten, spitzenbesetzten Tüllplissee garniert war. Der volle Rosettenknoten, dr den Hut vorn garniert, ist aus braunem Taft gefertigt. Schwarze und weiße Reiherfedern ergeben die weitere Garnitur des Hutes.
Ob nun mit oder ohne Hut, laßt es Euch gutgehen im April!
Herzlichst
Eure Grete
Wieder mal eine sehr interessante Ansammlung von Artikeln! Ich finde es ganz unterhaltsam, mal eine Abwechslung von den aktuellen Nachrichten zu bekommen und jeden Monat in die Top-News der damaligen Zeit eintauchen zu können, vielen Dank also dafür :). Besonders die Originalberichte gefallen mir immer sehr,
bitte so beibehalten 😉
Alles Liebe Sabrina
Liebe Sabrina,
ja, die damaligen Nachrichten sind doch etwas anders und ich finde es auch immer wieder erfrischend, die Originaltexte für sich sprechen zu lassen (manchmal sind sie nur etwas lang…). Schön, dass Du gerne bei dieser Rubrik „vorbeischaust“ – danke für Dein Feedback!
Herzlichst
Grete