Die Insel Mallorca als Sehnsuchtsort

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Ein Gastartikel von Thomas Wozniak

Bereits im 19. Jahrhundert war Mallorca ein Reiseziel für alle Arten von Abenteurern, Reisenden und Künstlern, die zwischen den Buchten und Bergen die Ruhe und den Kontakt mit der Natur suchten, aber auch die Schönheit und Klarheit des Himmels, dessen besondere Intensität die zeitgenössischen Maler in ihren Bildern zeigen. Als im Jahr 1837 ein Passagierdampfer den Liniendienst zwischen Barcelona und Palma aufnahm, vereinfachte sich damit auf einen Schlag auch der Zugang zur Insel. Diese neue Zugänglichkeit ermöglichte touristische Besuche abseits der Forschungspioniere. Bereits im folgenden Jahr war unter den Passagieren ein illustres Pärchen.

Gäste aus Paris und Madrid

Ganze 98 Tage waren sie in Mallorca, aber in Valldemossa werden sie zelebriert, als hätten sie ihr Künstlerleben dort verbracht. Im Winter 1838/9 kam ein frisch gebackenes Pärchen aus Paris nach Mallorca. Der polnische Komponist und Pianovirtuose Frédéric Chopin (1810–1849) war seit kurzem mit der französischen Schriftstellerin Amantine Lucile Aurore Dupin (1804–1876) zusammen, besser bekannt unter dem Pseudonym George Sand. Diese hatte bereits zwei Kinder, Maurice und Solange. Anlass der Reise war eine vom Arzt verordnete Luftveränderung für Maurice, von der man sich eine Besserung seines Gesundheitszustandes erhoffte, denn er litt unter einer rheumatischen Erkrankung.

Nach der Anreise über Barcelona verbrachten sie die erste Zeit im Herrenhaus Son Vent, wo Frédéric Chopin die Ankunft eines bestellten Pleyel-Klaviers erwartete. Stattdessen kamen im November Kälte und Feuchtigkeit und er fing sich eine Grippe ein. Nachdem das Klavier eingetroffen war, zogen die vier in die Kartause von Valldemossa um, die seit 1835 säkularisiert war. Dort verbrachten sie einen ziemlich miserablen Winter, der gleichwohl für Maurice deutliche Besserung brachte. Noch bis Februar 1839 hofften sie, dass sich auch Chopins Tuberkulose bessern würde, aber dessen Gesundheitszustand erholte sich nicht. So kehrten sie über Barcelona und Marseille nach Paris zurück.

Die Zeit auf Mallorca war gleichwohl produktiv für Chopin, denn auf dem mühevoll herbeigeschafften Klavier gelang es ihm, mehrere Werke zu beenden, die er Jahre zuvor begonnen hatte. Die frühe Influencerin George Sand, die Zeit ihres Lebens äußerst produktiv war, hat über den Besuch später das Buch „Ein Winter auf Mallorca“ veröffentlicht. Die Beziehung zwischen ihr und Chopin endete neun Jahre später.

Der Besuch des illustren Paares hatte eine große Vorbildwirkung und es reihten sich unglaublich viele Gäste hinter den beiden auf, die zunächst den höchsten Herrscherhäusern Europas entstammten. So besuchte im Jahr 1860 Königin Isabella II. Mallorca und ließ bei der Gelegenheit ein Monument von sich in Auftrag geben. Die Königin war für sechs Tage auf der Insel und besuchte unter anderem die arabischen Gärten von Alfàbia. Aufgrund des beschwerlichen Weges musste sie im Landhaus der Gärten übernachten, weshalb ein Teil des Gartens seither „Kleiner Garten der Königin“ heißt.

Erzherzog Ludwig Salvator

Der in Mallorca wohl beliebteste und für die Entwicklung der Insel wichtigste Hochadelige ist der als Arxiduc überall verehrte Erzherzog Ludwig Salvator. Als Ludwig 1847 in Florenz geboren waren die Chancen des zweitjüngsten Sohnes des Großherzogs der Toskana auf den Thron begrenzt. In Schloss Brandeis bei Prag wurde er erzogen. Früh erkannte er weder zum Beamten noch zum Militär als vielmehr zum Forschungsreisenden berufen zu sein.

Bereits mit 20 Jahren brach er unter dem Pseudonym „Ludwig Graf Neudorf“ zu Studien auf die Balearen auf. Er erwarb ein „Kapitänspatent der langen Fahrt“ und erwarb mehrere dampfgetriebene Schiffe mit Namen „Nixe 1“ und „Nixe 2“, mit denen er fortan das Mittelmeer, aber auch fernere Gegenden erkundete. Vor allem die Insel Mallorca hatte es ihm angetan. Hier erwarb er im Laufe der Jahre neben den Gebieten um Son Marroig und S’Estaca auch das Areal des Klosters Miramar.

Die Grenze seiner Finca reichte bis zum Gipfel des 1064 m hohen Puig del Teix. Aufgrund seiner vielfältigen Studien wurde ihm 1877 der Ehrentitel „Adoptivsohn der Balearen“ verliehen und im Jahr 1881 nahm ihn die Royal Geographic Society London als Ehrenmitglied auf. Sein bedeutendstes Werk, das bis heute eine hervorragende landeskundliche Quelle bildet, ist seine Übersicht „Die Balearen“ in sieben stattlichen Bänden, die bis 1897 erschienen.

In Mallorca ist der „Arxiduc“ aufgrund seiner Bescheidenheit und Güte, der unaufdringlichen Art und seiner Volksverbundenheit bis heute sehr beliebt und es sind zahlreiche Geschichten über ihn im Umlauf. Zu dieser hohen lokalen Anerkennung hat sicher auch seine Liebe zu einer Mallorquinerin beigetragen.

Catalina Homar Ribes (1869–1905) kam aus in einfachen Verhältnissen und wurde als Tochter des Tischlers Miquel Homar geboren. 1887 lernte sie Ludwig kennen, der sie zur Verwalterin seines Weingutes S’Estaca machte. Sie wurde seine langjährige Geliebte und obwohl sie kaum Schulbildung erhalten hatte, lernte sie mehrere Sprachen.
Als Ludwigs Cousine Sisi das Landgut S’Estaca besuchte, traf sie dort mit Catalina zusammen. Der Erzherzog schrieb später darüber, dass „die beiden Frauen miteinander sprachen, wie wenn sie sich seit jeher gekannt hätten.“ Catalina begleitete Ludwig Salvator auch an den Wiener Hof und während verschiedener Reisen rund um die Welt.
Später veröffentlichte der Erzherzog das Buch „Catalina Homar“, in dem er ihren guten Charakter sowie ihre Liebe zu Tieren und zur Natur beschrieb.

Zu den Vorlieben des Erzherzogs gehörten auch Ausflüge in die Natur. Die im Auftrag des Erzherzogs angelegten Reitwege (Camí de S’Arxiduc), gehören heute zu den spektakulärsten Wanderwegen auf Mallorca und bieten unglaubliche Aussichten. Der Weg auf dem Gipfelgrat bricht direkt über den Landgütern Miramar und Son Gallard mit 200 m hohen Steilwänden ab. An vielen Stellen sind die heutigen Besucher erstaunt, wie schwindelfrei Pferd und Reiter damals gewesen sein müssen.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, musste Ludwig auf kaiserlichen Befehl in das Schloss Brandeis bei Prag zurückkehren, wo er am 12. Oktober 1915 starb. Statt auf Mallorca wurde er in der Kapuzinergruft begraben.

Gäste, Gäste, Gäste

Aufgrund der immer besser werdenden Anbindung an das Festland, wurde es für immer mehr betuchte Besucher möglich mit überschaubarem Aufwand nach Mallorca zu gelangen, was damals noch ein hohes Lebensniveau zu sehr billigen Preisen bot.
In der Folge ließen sich zahlreiche Künstler, Schriftsteller, Schauspieler und andere Persönlichkeiten für Wochen, oft aber auch für Jahre auf der Insel nieder, darunter Camilo José Cela, D. H. Lawrence, Paul Keller, Lorenzo Riber, Evelyn Waugh, Gabriel Garcia Marquez, Frederico Garcia Lorca oder Gordon West, der hier seine 1929 erschienene „Eine mallorquinische Reise“ verfasste.
Der nikaraguanische Lyriker Rubén Darío (1867–1916) verbrachte im Jahr 1913 einige Wochen im Unterdorf von Deià, bis seine exzessiven Trinkgewohnheiten einen Konflikt mit seinen Gastgebern verursachten.

Die in Paris lebende US-Schriftstellerin Gertrude Stein (1874–1946) war 1914 und in späteren Jahren mit ihrer Partnerin Alice B. Toklas mehrfach auf Mallorca.
Sie beschrieb das so:

„Das Leben in Palma war angenehm, und so beschlossen wir in jenem Sommer, anstatt in andere Orte zu reisen, dort zu bleiben… dank eines Postboten fanden wir ein Haus in der Calle Dos de Mayo, in El Terreno, am Stadtrand von Palma, und ließen uns dort nieder. Wir haben uns sehr wohl gefühlt.
Anstatt einen Sommer in Palma zu verbringen, blieben wir bis zum darauffolgenden Frühjahr dort. Es hatte uns gefallen und es gefiel uns wieder. Jetzt scheint es die Amerikaner zu fesseln, aber zu dieser Zeit waren der Maler William Cook und wir die einzigen Amerikaner auf der Insel.“

Aufgrund einer Empfehlung von Gertrude Stein ließ sich in den 1930er-Jahren der englische Schriftsteller Robert Ranke-Graves (1895–1985) in Deià nieder und verbrachte hier knapp 50 Jahre seines Lebens. Zu den zahlreichen prominenten Gästen, die bei Robert Graves und Laura Riding zu Besuch waren, gehören der Künstler Pablo Picasso, aber auch die Schauspieler Alec Guinness oder Peter Ustinov.

 

Englische Schriftsteller und Premierminister

Im März 1932 kam Agatha Christie (1890–1976) zum ersten Mal nach Mallorca, auf der letzten Etappe einer langen Reise, die sie in den Nahen Osten nach Luxor, Kairo und Jerusalem geführt hatte.
Als sie in Palma ankam, wurde sie von der großen Zahl englischer und amerikanischer Touristen überrascht, die sich in der Hauptstadt der Baleareninsel aufhielten, so dass es für sie unmöglich war, ein Zimmer in einem der drei bekanntesten Hotels zu finden, da alles ausgebucht war.
Sie zog es vor, in Formentor zu bleiben, wo die Hotelpreise schon damals als exorbitant galten.

Schließlich war sie auf ihrer Taxifahrt durch Port de Pollença von der Aussicht auf die Bucht so fasziniert, dass sie ausgerufen haben soll, das sei der Ort, den sie gesucht habe. Ihre Faszination für die Pinienbäume in Port de Pollença soll sie zu ihrer Romanfigur „Parker Pyne“ inspiriert haben. So verbrachte sie einige Wochen im Hotel Illa d’Or, das 1929 am Nordende von Port de Pollença eröffnet worden war. Ihre Erfahrungen veröffentlichte sie 1936 in dem Buch „Probleme in der Bucht von Pollença und andere Geschichten“ (Problems At Pollensa Bay And Other Stories).

Viele andere Schriftsteller, nicht zuletzt Albert Camus (1913–1960), der französische Literatur-Nobelpreisträger von 1957, verbrachten den Sommer 1935 auf Mallorca.

Im Winter des gleichen Jahres, am 13. Dezember 1935 traf Winston Churchill mit seiner Frau an Bord der „Ciudad de Palma“ von Barcelona kommend in der mallorquinische Hauptstadt ein, wo er vom englischen Vizekonsul empfangen wurde und sich auf den Weg nach Formentor machte, um einige Zeit beim Schreiben und Malen zu verbringen.
Aber bereits zu Heiligabend reisten sie wieder ab.

Angesichts der geographischen Lage Mallorcas und der Spannungen, die vor dem Bürgerkrieg mit Italien bestanden, war es verständlich, dass es alle möglichen Gerüchte gegeben hat. Der Vizekonsul war an dem späteren Plan beteiligt, Franco und seine Generäle zu bestechen, damit sie sich aus dem Zweiten Weltkrieg heraushalten. Entscheidend für diesen Plan war der Bankier Joan March, weshalb gemutmaßt worden ist, ob Churchill im Hotel Formentor mit diesem zusammengetroffen sein könnte.

Hollywood

Ob allein der Zufall Hollywood-Stars nach Mallorca verschlagen hat, ist schwer zu entscheiden. Es beginnt jedenfalls mit der dritten Hochzeit von Errol Flynn. Im Oktober 1950 heiratet er die junge Patricia Wymore in Monte Carlo.
Während der Flitterwochen, die das Paar auf Errols Yacht „Zaca“ verbringt, überrascht sie auf dem Weg Richtung Gibraltar ein schweres Unwetter, dass sie zwingt, Zuflucht im Hafen von Pollença zu suchen. Das Paar erkundete begeistert die Nordküste.
Davon getragen verbringen sie eine schöne Zeit in Palma, wo sie die Dreharbeiten zu „Black Jack“ mit George Sander miterleben.

Bei ihrer Rückkehr nach Amerika wird bald die Tochter geboren. Aber das Glück wendet sich als der nächste Film von Errol Flynn an den Kassen floppt. Auf der Suche nach dem eigenen Glück in der Vergangenheit kehrt Flynn mit seiner Familie auf der Yacht nach Mallorca zurück und mietet sich im Mai 1955 im Hotel Bonsol ein, wo er einen Monat zu Gast war.
Danach mietete er ein Haus in der Nähe, welches er mehrere Jahre bewohnte. So untergetaucht wird Errol Flynn von verschiedenen Kollegen aus Hollywood besucht, mit denen er gemeinsam den Stierkampf verfolgt. Unter den Zuschauern in Palma ist in den 1950er auch Ernest Hemingway (1899–1961). In den letzten Jahren wurden die umstrittenen Stierkämpfe gar nicht mehr durchgeführt.
In den folgenden Jahren nutzen viele Hollywoodstars die Insel, um unerkannt Urlaub zu machen, darunter Schauspieler wie John Wayne, Elizabeth Taylor oder Audrey Hepburn. Vor allem die Hotels (Son Vida und Formentor) in den Buchten der südlichen Küste von Formentor boten die gewünschte Kombination an Landschaft und Anonymität.

Als Gary Cooper im August 1956 von Paris nach Palma fuhr und von dort weiter nach Formentor, stellte er bei seiner Ankunft fest, dass seine Reservierung nicht angekommen war. Dem dreifachen Oscarpreisträger wurde gesagt, dass es keine Lösung gäbe. Obwohl er in Rage geriet, musste er nach Palma zurückkehren.
Im dortigen Hotel traf er mit Charles Chaplin und dessen Familie zusammen. Dieser war glücklich auf Mallorca nie mit Orson Welles zusammenzutreffen, einem Stammgast im Coliseo Balear, da er diesen nicht mochte.

Noch ein weiteres Paar verlebte seine Flitterwochen 1956 an der Küste von Formentor: Prinz Rainier von Monaco und Grace Kelly. Nachdem der Fürst und seine junge Frau ihren zweiwöchigen Besuch beendet hatten, verdoppelten die Reisebüros auf dem Festland ihre Buchungen für die Baleareninsel innerhalb eines Jahres.

 

Die Balearen Sehnsuchtsort

Von den Palmenstränden bis in das bergige Hochland bieten sich so atemberaubende Landschaften, dass für den modernen Tourismus alle Bedingungen erfüllt waren.
Mallorca hat eine gewaltige Entwicklung hinter sich, vom Geheimtipp der Künstler, Exilanten und ruhesuchenden Hollywoodschauspieler hin zu einem Zentrum des internationalen Pauschal-, Bade- und Massentourismus.
Die gewaltigen damit einhergehenden Herausforderungen hat die Bevölkerung der Insel bisher immer gut gemeistert.

Über den Autor:

Dr. Thomas Wozniak, geboren 1973, stand Mallorca lange skeptisch gegenüber, ist nach eigenen Wanderungen in der Serra Tramuntana aber immer mehr von der vielfältigen Geschichte der Insel überrascht. Er war bisher an den Universitäten Köln, Marburg, Stuttgart, Heidelberg und München tätig und lehrt aktuell als außerplanmäßiger Professor Geschichte des Mittelalters in Tübingen.

Im Buch „Kleine Geschichte Mallorcas“, vor kurzem beim Pustet Verlag erschienen, erzählt er die ganze Geschichte der Insel Mallorca, die schon seit der Antike zahlreiche Abwechslungen erlebte. Hier kann man es online bestellen.

Wie der Gardasee zum beliebten Touristenziel und Sehnsuchtsort für Reisende wurde, könnt Ihr in diesem Artikel nachlesen.

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