Im deutschen Kaiserreich (Carola Groppe)

 In Sachbücher

Eine Bildungsgeschichte des Bürgertums 1871-1918

Inhaltsüberblick:

In diesem Buch geht es um das soziale Leben des Bürgertums ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Kaiserreich.  Wie verhielten sich Ehepaare als Paare und Eltern, wie wuchsen Jungen und Mädchen auf, wie wurden sie erzogen, wie war die Schul- und Ausbildung organisiert und wie war die bürgerliche Sicht auf den ersten Weltkrieg?

Natürlich gibt es dazu schon vorhandene Studien, Theorien und wissenschaftliche Abhandlungen. Es ist aber immer wieder gut, diese zu überprüfen und mit neuen Erkenntnissen zu hinterfragen. Im Falle von Autorin Carola Groppe geschah das durch einen großer Brieffundus einer verzweigten Unternehmerfamilie. Anhand der vielen (tausenden) persönlichen Briefe analysiert die Autorin zum einen, wie persönliche Beziehungen zwischen Familienmitgliedern gestaltet waren. Zum anderen stellt sie ihre Erkenntnisse dem bestehenden Forschungssstand gegenüber.

Die Autorin konstatiert, daß viele zwischenmenschliche Beziehungen freier und liberaler waren als bis dato dargestellt. Ehepartner kommunizieren auf Augenhöhe, Mädchen dürfen Indianerbücher lesen und beide (!) Eltern sind sehr um ihren Nachwuchs bemüht – auch wenn die Mutter in der Familie die Hauptrolle innehat. Daneben bestätigen die Briefe auch bekannte Fakten: Jungen und Mädchen werden jeweils unterschiedlich jeweils für ihre späteren Rollen (Ernährer; Hausfrau und Mutter) erzogen und ausgebildet. Und es gibt selbst innerhalb von Familien mit ähnlichem sozialen Status größere individuelle Unterschiede in der Erziehung und dem zwischenmenschlichen Verhalten. Weiterhin wird verschiedentlich festgestellt, daß es zum Leben der bürgerlichen Menschen im Kaiserreich bzw. zu den unterschiedlichen Bildungswegen noch gar nicht viele Studien und Untersuchungen gibt, z.B. zu Mädchenschulen, damals im bürgerlichen Milieu die übliche Form der „höheren weiblichen Bildung“.

Fazit

Wer sich für das Thema „Sozialgeschichte des Bürgertums“ interessiert und dazu auch die aktuelle Forschung verfolgt, für den ist dieser Titel hochinteressant und auch eine gute Bestandsaufnahme bisheriger Thesen und Untersuchungen dazu. Es werden viele Briefstellen zitiert und auch entsprechend auf Forschungsergebnisse verwiesen. Ein gut geschriebenes Buch mit wissenschaftlichem Anspruch.

Über die Autorin:

Carola Groppe, geb. 1964, ist Professorin für Erziehungswissenschaft, insbesondere Historische Bildungsforschung an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg.

Das Buch ist im Böhlau Verlag erschienen.

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