Die Rheinprovinz – Preusse trifft Rheinländer
Nachdem 1916 in Düsseldorf auf einem „Vaterländischen Abend“ das Lied „Ich bin ein Preuße“ von den anwesenden Rheinländern nicht mitgesungen wird, erklärt der Düsseldorfer Oberbürgermeister hinterher, dass die Rheinprovinz zwar zu Preußen gehöre, deren Bewohner aber keine Preußen seien. Hier ist also nicht zusammengewachsen, was auch von vornherein nicht so richtig zusammengehörte. Auf der einen Seite das Rheinland mit seiner verhältnismäßig modernen Industrie, seinem mehrheitlich katholischen Glauben und dem demokratisch eingestellten Bürgertum, das sich als „Musspreußen“ empfindet, auf der anderen Seite als neue Obrigkeit das militaristische Preußen, das noch eher ein Agrarstaat ist, in dem der Adel nach wie vor eine große Rolle spielt und – ganz wichtig – in dem man nicht katholisch, sondern evangelisch ist.
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Ein guter Tausch?
Der Wiener Kongress
Als die napoleonische Herrschaft Vergangenheit ist, wird auf dem Wiener Kongress 1815 die europäische Landkarte neu sortiert. Dabei läuft nicht alles nach Wunsch. Eigentlich möchte Preußen das angrenzende Sachsen haben, bekommt aber nur dessen nördlichen Teil. Als Ausgleich dafür erhält es Westfalen und die spätere Rheinprovinz.
Ganz im Interesse Englands, das damit ein starkes militärisches Bollwerk gegen das immer noch gefährliche Frankreich errichten will. Ob die Preußen da schon wissen, dass sie einen gutes Tausch gemacht haben, lässt sich schwer sagen.
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Redlich, treu und beharrlich.
Friedrich Wilhelm III. von Preußen
„Und so, Ihr Einwohner dieser Länder, trete ich jetzt mit Vertrauen unter Euch, gebe Euch Eurem deutschen Vaterlande einem alten deutschen Fürstenstamme wieder und nenne Euch Preußen: Kommt mir mit redlicher, treuer und beharrlicher Anhänglichkeit entgegen.“ Mit diesen Worten schwört der eher volkstümliche Friedrich Wilhelm III. seine neuen Landeskinder im Rheinland auf sich und Preußen ein.
In seiner Politik verfolgt der König Frieden und Neutralität. Diese hat aber ein Ende, als in den Kölner Wirren die katholische Lehre und preußisches Recht heftig aneinandergeraten und der Kölner Erzbischof 1837 sogar für zwei Jahre ins Gefängnis muss. Wie versprach Friedrich Wilhelm III. seinen Rheinländern? „Eure Religion, das Heiligste, was dem Menschen angehört, werde ich ehren und schützen.“
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Zahlen!
Rheinprovinz vs. Preußen
1815 kommen die beiden rheinischen Provinzen Jülich-Kleve-Berg und das Großherzogtum Niederrhein zu Preußen und werden 1822 zur gemeinsamen Rheinprovinz zusammengefasst. Sie hat ein Fläche von 26.000 km2 – die von Gesamt-Preußen beträgt 280.000 km2. 1815 leben in der Rheinprovinz etwa zwei Millionen Menschen, in ganz Preußen 10,3 Millionen. Die größte Stadt in der Rheinprovinz ist Köln, in der 1815 etwa 50.000 Einwohner leben. In Berlin, der Hauptstadt Preußens, sind es 200.000. Apropos Hauptstadt: In der Rheinprovinz residiert der Oberpräsident, der oberste Repräsentant der preußischen Krone in der Provinz, nicht in Köln, sondern im deutlich kleineren Koblenz.
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Den Nachbarn im Visier.
Die Festungen Köln und Koblenz
Das Misstrauen gegenüber Frankreich sitzt tief. Kaum ist Napoleon geschlagen, da verfügt König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, dass der Rhein in den neuen Rheinprovinzen nach Westen hin gesichert wird. Das gilt insbesondere für die Städte Köln und Koblenz. In Köln bauen die Preußen nahezu ein ganzes Jahrhundert lang die Befestigung der Stadt aus, während sie in Koblenz eines der umfangreichsten militärischen Bollwerke Europas errichten.
Neben einer Stadtbefestigung entsteht auf der rechten Rheinseite die nahezu uneinnehmbare Festung Ehrenbreitstein. Sie wird nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg jedoch nicht geschleift – als Grund dafür wird ihre kulturelle Bedeutung ins Feld geführt. Deshalb wird sie weiter genutzt: von 1923 bis 1929 zum Beispiel von französischen Besatzungssoldaten.
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Danke, Napoleon!
Das Rheinische Recht
Es war nicht alles schlecht unter Napoleons Herrschaft. So führt er 1804 in Frankreich und auch in seinen eroberten Gebieten den Code Civil ein, das neue französische Gesetzbuch für das Zivilrecht. Im Code Civil sind die Forderungen der Französischen Revolution gesetzlich verankert, zum Beispiel Gleichheit und Freiheit (aller Männer), Gewerbefreiheit und das Ende der Leibeigenschaft.
Als Preußen in der (ehemals französischen) Rheinprovinz sein deutlich rückständigeres Allgemeines Landrecht einführen will, regt sich breiter Widerstand. Schließlich lenkt König Friedrich Wilhelm III. ein und erlaubt ab 1822 die französische Gesetzgebung als „Rheinisches Recht“. Es bleibt immerhin gültig bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900.
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Kultur als politisches Instrument.
Die Düsseldorfer Malerschule
Mit der Neugründung der bestehenden Düsseldorfer Kunstakademie als Königlich Preußische Kunstakademie im Jahre 1819 beabsichtigen die Preußen in erster Linie, das rheinische Bürgertum gegenüber ihrem neuen Landesherrn positiv zu stimmen. Spätestens aber unter ihrem neuen Direktor Friedrich Wilhelm von Schadow erlangt die Akademie Bedeutung und wird zu einer Kunstschule von internationalem Rang.
Für die aus ihr hervorgehenden Maler wird recht bald der Begriff Düsseldorfer Malerschule geprägt, deren Ruf sich speziell in den 1840er- bis 1860er-Jahren weltweit verbreitet. So beispielsweise auch bis in die Vereinigten Staaten von Amerika.
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Stippeföttchetanz.
Der Kölner Karneval
Ordnung muss sein, auch beim Karneval. 1823 gründet sich das „Festordnende Komitee“, um den kölnisches Karneval zu beleben und ihm eine geordnete Form zu geben. In der Folge werden das ungeliebte preußische Soldatentum und der Militarismus ganz allgemein aufs Korn genommen. Zum Beispiel mit dem Stippeföttchetanz, der das Exerzieren parodiert. Dabei stehen zwei uniformierte Garden Rücken an Rücken und reiben ihre Allerwertesten (Föttche) im Takt der Musik aneinander.
Erwähnenswert ist aber auch, dass der preußische Kommandeur Baron von Czettritz dem festordnenden Komitee den Einsatz einer einheitlichen Narrenkappe vorschlägt, um bei den Versammlungen befugte von unbefugten Teilnehmern unterscheiden zu können. Ordnung muss sein.
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Düsseldorf wird wichtig.
Der Provinziallandtag
1824 werden in der Rheinprovinz die Provinzialstände eingerichtet, und zwar nicht in der Hauptstadt Koblenz oder etwa in Köln, der größten Stadt der Provinz, sondern im verschlafenen Düsseldorf. Die Provinzialstände sind die Vorgänger der Provinziallandtage und so etwas wie die Parlamente der Provinzen. In ihnen sitzen adlige, städtische und großbäuerliche Grundbesitzer, die aber nur eine beratende Funktion haben. Das letzte Wort hat der König. Später werden die Provinziallandtage mit mehr Verantwortung ausgestattet und gewinnen so an Einfluss.
In Düsseldorf wird nach mehreren Zwischenlösungen 1880 eigens für den Provinziallandtag das repräsentative Ständehaus errichtet. Da können vier Jahre später auch der Kaiser und seine Gattin zu einem Besuch vorbeikommen.
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Der unbequeme Harry.
Heinrich Heine
Sie sind alles andere als Freunde: die Preußen und Heinrich Heine, der als bedeutender deutscher Dichter, Journalist und Chronist der Zeitgeschichte die deutsche Sprache nachhaltig prägt.
Er wird 1797 als Harry Heine in Düsseldorf geboren und begeistert sich früh für die Idee der Demokratie und den französischen Code Civil. Daher steht er mit dem Militarismus Preußens und dem wachsenden Nationalbewusstsein auf Kriegsfuß. Außerdem hat er als Jude in Preußen keinen leichten Stand: Um seine Berufschancen zu vergrößern, lässt er sich nach seinem Jurastudium christlich taufen und nennt sich ab sofort Heinrich Heine. Leider ohne Erfolg. Als er in der Folge wegen seiner polemischen Schriften zensiert wird, siedelt er 1831 nach Paris über. Zwei Jahre später werden in Preußen seine Publikationen verboten.
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Ein Romantiker.
Friedrich Wilhelm IV.
1840 betritt der nächste preußische König die Bühne: Friedrich Wilhelm IV. Anders als sein Vater ist er tiefreligiös und steht dem Katholizismus positiv gegenüber. Außerdem ist er im hohen Maße künstlerisch begabt und begeistert sich für die frühchristlich-mittelalterliche Architektur, die er auf einer Reise nach Italien lieben lernt. Dagegen hat er, anders als seine Vorgänger, keinen Sinn fürs Militärische.
Da in seiner Regierungszeit die industrielle Revolution Fahrt aufnimmt und verstärkt demokratische Forderungen laut werden, steht er mit seinen eigenen moralischen und politischen Maßstäben oft im Abseits. Er passt, wie man so sagt, nicht in sein Jahrhundert. Davon profitieren einige eher romantische Bauvorhaben in seiner Rheinprovinz.
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Türme und Mäusetürme.
Das romantische Rheinland
Seiner Vorliebe für mittelalterliche Architektur folgend, unterstützt König Friedrich Wilhelm IV. mehrere Bauprojekte in der Rheinprovinz. Schon vor seiner Thronbesteigung 1840 lässt er mit der Planung des romantischen Schlosses Stolzenfels am Rhein beginnen. Ebenso wie der gleichfalls von ihm wieder aufgebaute Binger Mäuseturm, ist das neugotische Schloss Stolzenfels Teil der Rheinromantik, die Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzt.
In seinem Bestreben, die kirchlichen Gegensätze abzumildern, unterstützt der König außerdem die Wiederherstellung des Aachener Doms und in Trier den Wiederaufbau der antiken Konstantinbasilika (die übrigens nie eine Kirche gewesen ist und deshalb die Bezeichnung Basilika zu Unrecht trägt).
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Die Wacht am Rhein.
Die Rheinkrise
„Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht, die Wacht am Rhein.“ So lautet der Refrain der Wacht am Rhein, einem patriotischen Gedicht, das während der Rheinkrise verfasst und später auch vertont wird. Was war passiert? Im politisch instabilen Frankreich entsteht die Forderung nach einer Revision der Verträge von 1815 und nach einer Ausweitung Frankreichs bis an den Rhein.
Dies sorgt auf deutscher Seite für Empörung und für den endgültigen Durchbruch eines deutschen Nationalgefühls. Auf beiden Seiten des Rheins entstehen unzählige nationalistisch gefärbte Gedichte und Lieder. Die Krise ist schnell beigelegt, aber einige Jahrzehnte später bekämpft man sich mit mehr als nur mit Gedichten.
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Ein Symbol nationaler Größe.
Der Kölner Dom
Schon auf seiner Reise ins Rheinland im Jahre 1813 begeistert sich Kronprinz Friedrich Wilhelm für den unfertigen Kölner Dom. Als preußischer König unterstützt er ab 1840 den Dombau und legt auf dem Dombaufest am 4. September 1842 den Grundstein für dessen Weiterbau. Bis dahin hatten die Bauarbeiten über 300 Jahre geruht, und noch einmal knapp 40 Jahre dauert es, bis der Dom 1880 schließlich vollendet ist. Der Weiterbau orientiert sich dabei am gotischen Ideal, zumal der Originalentwurf von 1370 für die Westfassade wieder aufgetaucht war.
An dem Fest, bei dem der vollendete Dom als Symbol für die nationale Einheit und die Größe des neuen Reichs gefeiert wird, können die kirchlichen Würdenträger nicht teilnehmen – mit ihnen befindet sich die Preußen gerade im sogenannten Kulturkampf.
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Das Attentat.
Unruheherd Düsseldorf
Die Geschichte ist spektakulär, aber höchstwahrscheinlich erfunden: Als der preußische König im August 1848 in seiner Kutsche aus Köln kommend über die damalige Düsseldorfer Kastanienallee fährt, wird er von lautstarken Protesten empfangen und – so geht die Geschichte – sogar mit Pferdeäpfeln beworfen.
Als Sühne für die Missetat benennt die Stadt dann später die Kastanienallee in Königsallee um. Nicht erfunden hingegen ist, dass Düsseldorf zu jener Zeit als „Hauptherd der Anarchie und Unordnung für die Rheinprovinz“ gilt. Die Gründe für diese antipreußische Stimmung sind in der Verarmung der arbeitenden Bevölkerung, in den durch Missernten verursachten Preissteigerungen und nicht zuletzt im Wunsch nach mehr Demokratie zu suchen.
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Endlich Kaiserreich.
Kaiser Wilhelm I.
64 Jahre ist Wilhelm I. bereits alt, als er 1861 preußischer König wird. Zehn Jahre und drei Kriege später ist er Kaiser des neuen Deutschen Reichs. In die Wege geleitet wird dies von einer der markantesten Personen der deutschen Geschichte: Otto von Bismarck. Als preußischer Ministerpräsident forciert er die Entstehung eines deutschen Reichs unter preußischer Führung.
Nach dem gewonnenen Französisch-Deutschen Krieg ist es soweit: 1871 wird in Versailles das Deutsche Kaiserreich proklamiert und Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Auch jetzt bleibt Otto von Bismarck – mittlerweile Reichskanzler – innenpolitisch und außenpolitisch die bestimmende Figur. Bezeichnendes Zitat von Wilhelm I.: „Es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“
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Preußens Waffenschmiede.
Das Unternehmen Krupp
„Es war Eure Artillerie, Majestät, die den Feldzug gewann.“ So äußert sich Napoleon III, der die Schlacht von Sedan und damit den Französisch-Deutschen Krieg verliert, gegenüber dem preußischen König Wilhelm I.
In der Tat versorgt Alfred Krupp und seine Gussstahlfabrik in Essen seit dem Deutsch-Dänischen Krieg im Jahr 1864 die preußischen Militärbehörden mit überlegenen Kanonen aus Stahl und schafft so eine große persönliche und geschäftliche Nähe zum preußischen Staat und dessen Königshaus. Krupp wird mit seinen 16 000 Arbeitern zum größten Industrie-Unternehmen Europas – er liefert auch Waffen in fast alle europäischen Länder – und wird zu Recht als „Kanonenkönig“ bezeichnet. Trotz Kruppscher Waffentechnik verläuft der Erste Weltkrieg dann weniger glücklich für das Deutsche Reich.
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Kirche in Haft.
Der Kulturkampf
Was sind das für Zeiten, in denen der Kölner Erzbischof für mehr als ein halbes Jahr im Gefängnis landet, weil er die gegen ihn verhängte Geldstrafen nicht bezahlt? Der anschließend sogar steckbrieflich gesucht wird und sich einer zweiten Verhaftung durch die Flucht in die Niederlande entzieht?
Es ist die Zeit des Kulturkampfes: 1871 bis 1878 prallen im Deutschen Kaiserreich die Interessen des Staates und der Katholischen Kirche aufeinander. Im Verlauf dieses Konflikts werden viele katholische Geistliche verhaftet und darüberhinaus Maßnahmen angeordnet, die zur Trennung von Kirche und Staat führen (Beispiel: die Zivilehe). Der Kölner Erzbischof Paul Melchers wird nach seinem Exil in den Niederlanden und in Rom und nach Beendigung des Kulturkampfes schließlich doch im Kölner Dom beigesetzt.
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Kohle und Eisen.
Das Ruhrgebiet
Mindestens genauso wertvoll wie die Rheinprovinz ist für Preußen die benachbarte Provinz Westfalen, die 1815 auf dem Wiener Kongress ebenfalls an Preußen geht. Reich an Bodenschätzen, finden sich hier schon früh Anfänge der Industrialisierung, die die Region sukzessive zu einem industriellen Schwergewicht in Europa werden lassen.
Speziell das Ruhrgebiet, sowohl in Westfalen als auch in der nördlichen Rheinprovinz gelegen, entwickelt sich mit seiner Schwerindustrie, dem Bergbau und den Eisen- und Stahlhütten, zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor für Preußen und das spätere Deutsche Kaiserreich. Während im schwach besiedelten Ruhrgebiet schnell große Städte für die neuen Arbeitskräfte entstehen, ziehen die Verwaltungen der Industrieunternehmen lieber ins repräsentative Düsseldorf, das bald als der „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ bezeichnet wird.
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Hohenzollersche Bildungsjahre.
Die Rheinische Friedrich-Wilhelm Universität Bonn
Reichen zwei Jahre Studium für den zukünftigen deutschen Kaiser? Wahrscheinlich nicht, aber Kronprinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm II. soll in seiner Jugend die unterschiedlichsten Erfahrungen sammeln, was eine Vertiefung in vielfältige Themen unmöglich macht. Von 1877 bis 1879 studiert er an der von seinem Urgroßvater gegründeten Rheinischen Friedrich-Wilhelm Universität Bonn, die König Friedrich Wilhelm III. als akademische Ausbildungsstätte für seine neuen westlichen Provinzen in Bonn gründen ließ.
Als Studentenverbindung kommt nur das Corps Borussia Bonn infrage, dessen Mitglieder fast ausschließlich dem preußischen und norddeutschen Adel entstammen. Wilhelm tritt hier 1878 bei – zu dieser Zeit natürlich noch ohne seinen typischen Bart.
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Glanz und Gloria.
Kaiser Wilhelm II.
Wilhelm ist erst 29 Jahre alt, als er 1888 als Wilhelm II. Preußischer König und Deutscher Kaiser wird. Zwei Jahre später trennt er sich vom politisch dominierenden Reichskanzler Otto von Bismarck, um persönlich regieren zu können. In Wilhelm II. mischen sich gleichermaßen Modernität und Rückwärtsgewandtheit, militärischer Prunk und Fortschrittsgläubigkeit. Er strebt an, das Deutsche Reich zu einer politischen Größe unter den Weltmächten zu erheben: „Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich Euch noch entgegen.“
Neben seiner Vorliebe fürs Repräsentieren reist Wilhelm II. auch gerne: Von 1890 bis 1914 stattet er seiner Rheinprovinz über 60 Mal einen mehrtägigen Besuch ab – allein zwölfmal zu der ihm privat und geschäftlich verbundenen Industriellenfamilie Krupp in Essen.
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Hauptsache repräsentativ.
Die Architektur des Historismus
Auch unter Wilhelm II. orientiert sich die Architektur weiterhin an historischen Vorbildern, zum Beispiel an den Baustilen der Romanik und der Renaissance. Nur wird es unter dem neuen Kaiser vielleicht noch eine Spur repräsentativer. Wilhelm II. schreckt auch nicht davor zurück, selber in die Entwürfe der Architekten einzugreifen. Zum Beispiel beim Regierungsgebäude in Koblenz, bei dem er 1902 eigenhändig die Gestalt der Türme ändert, um an die seiner Meinung nach formale Typik der großen Stauferzeit anzuknüpfen.
Einige Jahre später sorgt dann der Neoklassizismus für eine schlichtere Formensprache und den Aufbruch in die moderne Architektur. Ein frühes Beispiel dafür baut Peter Behrens mit dem Mannesmann-Haus in Düsseldorf.
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Am Deutschen Eck.
Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal
Es ist das Jahr 1897 und somit der 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. Was liegt näher, als ihm für die Einigung Deutschlands mit einem Denkmal zu danken. Nach dem Wunsch der Rheinprovinz soll es besonders prächtig ausfallen, und so wird in Koblenz am Zusammenfluss von Rhein und Mosel der Hafen aufgeschüttet, eine Million Mark gesammelt und schließlich am 31. August 1897 im Beisein seines Enkels das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck eingeweiht.
Es zeigt den Kaiser mit wallendem Mantel auf einem Ross, begleitet von einer mythologischen Frauengestalt, die Lorbeerkranz und Reichskrone bereithält. Ursprünglich sollte das Pferd von dieser Gestalt geführt werden, was Wilhelm II., der Enkel, aber abändert – kein mythologisches Wesen, sondern allein Gottes Wille habe zu Sieg und Kaiserreich geführt.
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Wo ist der Kaiser?
Die Müngstener Brücke
1897, zum 100sten Geburtstag von Kaiser Wilhelm I., wird die Eisenbahnbrücke, die das Tal der Wupper bei Müngsten in 107 Metern Höhe überspannt, eingeweiht und erhält selbstverständlich den Namen „Kaiser-Wilhelm-Brücke“. Sie stellt eine eine technische Meisterleistung dar und ist noch heute als Müngstener Brücke die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands.
Wer nicht zur Einweihungsfeier kommt, ist Kaiser Wilhelm II. Wenn man Gerüchten Glauben schenken darf, ist er verstimmt, weil die neue Brücke nicht seinen Namen, sondern den seines Großvaters trägt. Stattdessen schickt er stellvertretend das Enfant terrible des Hauses Hohenzollern, Prinz Friedrich Leopold von Preußen. Wie eine Metalltafel am Fuß der Brücke verkündet, kommt der Kaiser aber zwei Jahre später aber dann doch noch vorbei. Na bitte.
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Moderne Zeiten.
Die Wuppertaler Schwebebahn
Ende des 19. Jahrhunderts sind die Städte im engen Tal der Wupper zu einem dichten Ballungsraum zusammengewachsen, für den sich eine Schwebebahn als geeignetes Verkehrsmittel anbietet. Nach längerer Planung wird 1898 mit dem Bau begonnen, und 1901 wird der erste Abschnitt in Betrieb genommen.
Noch vor der offiziellen Eröffnung kündigt sich Kaiser Wilhelm II. an, der reges Interesse am modernen Verkehrswesen hat. Am 24. Oktober 1900 unternehmen er und seine Gattin eine Probefahrt in diesem „völlig neuen Verkehrsmittel“. Die Fahrt im roten Kaiserwagen dauert knapp 40 Minuten und verläuft völlig reibungslos. Was er zu dieser Zeit noch nicht wissen kann: Bis zu einem schweren Unfall im Jahr 1999 ist die Wuppertaler Schwebebahn das sicherste Verkehrsmittel der Welt.
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Besetzt.
Das Ende des Ersten Weltkriegs
Nach Ende des Krieges fluten 1918 die deutschen Heere aus dem französischen Kriegsgebiet zurück ins Deutsche Reich. Innerhalb von zehn Tagen marschieren 700.000 bis 800.000 Mann durch Köln, begleitet von der Anteilnahme der Bevölkerung. Bereits drei Tage später ziehen britische Besatzungstruppen in Köln ein.
Laut Versailler Vertrag wird das gesamte linksrheinische Gebiet von den Siegermächten Frankreich, Belgien, Großbritannien und den USA besetzt. Zusätzlich wird ein 50 Kilometer breiter Streifen rechts des Rheins zu einer entmilitarisierten Zone: Frankreich möchte sich vor weiteren militärischen Angriffen des Deutschen Reichs schützen und Deutschlands Zugriff auf das Ruhrgebiet schwächen, das sich zur „Waffenschmiede des Deutschen Reiches“ entwickelt hat.
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Ohne Preußen.
Das neue Nordrhein-Westfalen
Preußen stellt für die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die Verkörperung des Militarismus und einen Gegner demokratischer Ideen dar: Deshalb lösen sie den preußischen Staat 1947 endgültig auf. Womit sich auch die Rheinprovinz in ihrer bisherigen Form erledigt hat.
Unter dem Namen Operation Marriage bereitet die britische Besatzungsmacht den Zusammenschluss des nördlichen Rheinlands mit Westfalen und dem Land Lippe zum neuen Bundesland Nordrhein-Westfalen vor. Dies geschieht gegen den Widerstand Frankreichs, das das benachbarte Ruhrgebiet mit seinem industriellen Potenzial stärker von den Siegermächten kontrolliert sehen will. Die Gründung Nordrhein-Westfalens findet am 23. August 1946 statt; Hauptstadt wird wieder nicht die Stadt Köln, sondern das kleinere Düsseldorf.
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Über den Autor:
Michael Osche, 1956 in Braunschweig geboren, studierte in Hamburg Grafik-Design und zog danach nach Düsseldorf, wo er seitdem lebt und arbeitet. Die rheinische Mentalität fand er in der ersten Zeit doch recht gewöhnungsbedürftig, hat sich aber jetzt in den mehr als 40 Jahren gut eingelebt und die Lebensart des Rheinlands schätzen gelernt (bis auf den Karneval vielleicht).
Parallel zu seiner Tätigkeit in Werbeagenturen interessiert er sich für Geschichte und hat zwei Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Neben seinem Buch „Düssel. Dorf. Stadt. Geschichte“ über die Düsseldorfer Stadtgeschichte, das im Droste-Verlag erschienen ist, gibt es auch ein Buch von ihm zur Geschichte seiner Geburtsstadt Braunschweig (Wartberg Verlag). Beide Bücher eint die Vielzahl der Bilder, die unterhaltsamen Texte und eine klare Struktur. Sein Ziel: Eine bunte, lebendige Stadtgeschichte entstehen zu lassen und auch Geschichtsmuffel davon zu überzeugen, dass Geschichte Spaß machen kann.
Hier sind bisher diese Artikel von Michael Osche erschienen: „Düsseldorf – Schreibtisch des Ruhrgebiets“ sowie „Herzogtum Braunschweig – Land der Welfen„