Wieverkram und Hoppeditz – eine kleine Geschichte des Karnevals gestern und heute in Düsseldorf

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Was bringt einen vollbesetzten Saal kostümierter Damen aller Alterstufen zum Kochen? Ein Herrenballett! Bei meiner diesjährigen Feldrecherche bin ich in der rheinischen Karnevalshochburg Düsseldorf gelandet. Und zwar in der Damensitzung „Wieverkram“ der Tonnengarde Niederkassel. Und diese Garde gibt es immerhin schon seit 1887!

Puhh, der historische Bezug ist hergestellt! Denn wie Ihr mich kennt, möchte ich natürlich auch herausfinden, was das Besondere am Düsseldorfer Karneval ist und wie es um dessen Geschichte bestellt ist.

Zurück zur Tonnengarde: sie wurde 1887 nach einem Rennen durch’s Dorf Niederkassel gegründet – richtig vermutet, bei dem Rennen spielten Tonnen eine wichtige Rolle. Sie lagen auf den Schörrskarren und wer als erster der Teilnehmer mit Karren und Tonne heil ins Ziel kam, bekam 3 Taler. Der erste Sieger hieß Wilhelm Vossen, stiftete die 3 Taler zum allgemeinen Verzehr und ein neuer Brauch, das Tonnenrennen, war geboren, welches bis heute in Niederkassel stattfindet. Inzwischen ist es zwar kein Dorf mehr, sondern ein mittlerweile feiner, dennoch gemütlich, historischer Stadtteil im linksrheinischen Teil von Düsseldorf, aber egal.

Zunächst war die daraufhin gegründete Tonnengarde ein „wilder Verein“ – wahrscheinlich im doppelten Sinne. Aber das hieß, dass es kein Vereinsregister und keine Vereinsorgane gab – das war riskant und im Kaiserreich, wo das (offizielle) Vereinsleben blühte, eigentlich auch ungewöhnlich. Aber das Vereinsleben klappte wohl auch so, irgendwann (genauer gesagt Ende der 20er Jahre) marschierte man beim Rosenmontagsumzug mit, wurde ein offizieller Verein und nach dem zweiten Weltkrieg wurde zum ersten Mal ein „Tonnenbauernpaar“ gekürt – auch diese Tradition lebt bis heute!

Die erste Damensitzung überhaupt fand in Düsseldorf übrigens 1906 statt. Wann die Frauen der Tonnengarde beschlossen, eine eigene Sitzung zu veranstalten, wurde mir nicht überliefert, aber die Damensitzung „Wieverkram“ gibt es wohl schon einige Jahre. Dieses Jahr stand sie übrigens unter dem Motto „Wieverwood“ – ein wahres Stelldichein der Stars, von Brad Pitt bis Britney Spears hatte sich alles, was in Hollywood Rang und Namen hat und hatte, eingefunden. Britney Spears? Na, ihre Videos wurden doch auch in Hollywood produziert, bitte nicht kleinlich sein. Auch Elvis war dabei – sogar in mehrfacher Ausführung. Und ja, ich war eine(r) von ihnen – love me tender, Helau oder auch „Trän Drop“ – wie die Tonnenbauer/innen rufen.

Beim Programm hatten die Damen natürlich auch immer das erste Wort – fast wie im wahren Leben. So hielt auch die weibliche Hälfte des Prinzenpaares, Venetia, die obligatorische Rede an die anwesenden Stars und Damen führten durch das -wirklich lustige- Programm. Was die Herren angeht, sie sorgten als Security für die Sicherheit der Anwesenden und vor allem für immer frisches Düsseldorfer Alt und andere Kaltgetränke. Nein, es wurde kaum Kaffee serviert. Außerdem sorgten sie für die Unterhaltung auf der Bühne, ob nun die KG Regenbogen, das oben schon erwähnte Männerballett (Kreisch!) oder der Büttenredner Dave Davis à la Motombo aus Köln – ja, die Düsseldorferinnen sind tolerant. Sympathisch nahm er den Schönheitswahn auf’s Korn und dass dies nicht so recht zu der ansonsten propagierten Emanzipation passe.

Soweit zur heutigen Zeit – Karneval wird in Düsseldorf gelebt, insbesondere auch zu Altweiber mit jungen und jung gebliebenen Damen die in der ganzen Stadt ausgiebig feiern. Das kann ich aus vollem Herzen bestätigen, durfte ich doch schon das eine oder andere Mal mit Düsseldorfer Freundinnen mitfeiern.
Aber wie sieht es nun mit den historischen Besonderheiten aus bzw. gibt es welche?

Natürlich! Was die Geschichte angeht, hier bin ich vor allem auf der Webseite des Düsseldorfer Karnevalsmuseums fündig geworden, deren Vorstand mich auch mit einigen weiteren Informationen zur Geschichte des Düsseldorfer Karnevals versorgt hat. Vielen Dank dafür und auch für die schöne Bilder, die mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden.

Schon im 13. Jahrhundert gab es einen Geckenorden, die als Ordenszeichen einen Harlekin trugen und die gerne feierten – ganze 8 Tage am Stück! Ob es nun schon ein Karnevalsverein war oder doch eine Rittervereinigung, darüber ist man sich bis heute nicht ganz einig. In jedem Fall werden 1423 wiederum Karnevalsfestivitäten erwähnt – in einer Absage eines Ritters, der zu gleicher Zeit ein eigenes Fest gab.

1825 fand dann der erste Karnevalsumzug in Düsseldorf statt und es war auch die Geburtstunde des „Prinzen Karneval“. Dazu wurde von führenden Bürgern ein „Carnevals Comitè“ gegründet, dass den Karneval in geordnete Bahnen lenkte und allerlei Festivitäten organisierte. Nicht zuletzt, weil es da auch noch eine Nachbarstadt gab, die schon seit 1823 einen Umzug veranstaltete… Damit die feierfreudigen Einheimischen und Gäste nicht alle nach Köln (so hieß die Stadt) fuhren, musste ein eigener Karnevalsumzug her!

Der Zug startete mit einem grünen Esel vorneweg und wurde von Rittern, Musikkapellen und Mitglieder der Dülkener Narrenakademie gefolgt. Zahlreichen Zuschauer kamen – so ist es überliefert.

Der grüne Esel spielt heute keine Rolle mehr, aber eine besondere Figur ist in Düsseldorf der „Hoppeditz“, dem 1841 sogar schon ein Denkmal gesetzt wurde, was aber nur knapp 20 Jahre stand. Über die Bedeutung bzw. Herkunft des Namens gibt es die verschiedensten Theorien, keine davon ist wirklich schlüssig.
Hoppeditz ist ein Narr, ähnlich wie Till Eulenspiegel, der in der Tradition der Hofnarren steht. Mit seinem Erwachen beginnt am 11.11. um 11:11 Uhr auf dem Marktplatz vor dem Rathaus die Karnevalssession. Am Aschermittwoch wird der Hoppeditz dann beerdigt – symbolisch wird er zu Grabe getragen und als Puppe verbrannt – aber keine Angst, bisher ist er jedes Jahr wieder rechtzeitig am 11.11. „erwacht“! Übrigens gibt es seit 2008 wieder ein neues Denkmal in der Zollstrasse. Ein Zeichen, dass dieser besondere Narr den Düsseldorfern nach wie vor wichtig ist.

Eine weitere Besonderheit ist die Begleiterin des Prinzen Karneval, in Düsseldorf „Venetia“ genannt. Das wird doch etwas mit dem berühmten venezianischen Karneval zu tun haben? Richtig. Schon im Zeitalter des Barocks feierte der Adel gerne prächtige Kostümfeste, inspiriert vom Masken-Karneval in Venedig (der damals übrigens über zwei Monate andauerte).

So gab die schöne und lebenslustige (zweite) Frau des Adeligen Jan Wellem, Anna Maria Luisa de Medici, ein venetianisches Fest zugunsten der Armen. Schon damals heiligte der gute Zweck die Mittel! Da es in Düsseldorf noch keinen Prinz Karneval gab, wurde der aus dem benachbarten Dülken eingeladen. Er suchte sich aus von allen Frauen seine Lieblingsdame aus – Prinzessin Venetia war geboren!
Jan Wellem (1658-1716) war übrigens ein beliebter Kurfürst, der in seiner Amtszeit viel für die Entwicklung der Stadt sowie Kunst und Kultur tat. Selbstbewußt war er in jedem Fall – schon zu Lebzeiten ließ sich Johann Wilhelm II., so sein offizieller Name, ein Denkmal setzen! Das Reiterstandbild steht heute noch auf dem Düsseldorfer Marktplatz.

Maskenbälle werden später noch eine wichtige Rolle im Düsseldorfer Karneval spielen. Denn Düsseldorf war in der Kaiserzeit für seine „Redouten“ beliebt – prachtvolle Maskenbälle und -umzüge. In der Zeitschrift „Daheim“ von 1909 heißt es dazu:

Der Aufschwung, den der Karneval am Rhein genommen hat, ist neueren Datums und wohl in der Hauptsache neben dem Sinne für Fröhlichkeit einem ausgeprägten Kunstverständnis zuzuschreiben. Namentlich zeichnen sich Düsseldorf und Mainz durch sorgfältig ausgeführte Maskenumzüge aus.

Kunstverständnis wäre mir jetzt nicht als erste Vokabel zum heutigen Düsseldorfer Karneval eingefallen, was die Geschichte angeht, ist die Beschreibung treffend.
Denn Kunst spielte (und spielt) in Düsseldorf eine große Rolle – die Kunstakademie gibt es seit 1773 und 1848 wurde der Künstlerverein Malkasten als Verein für geselliges Künstlerleben gegründet, der:

keinen anderen Zweck hat, als Interessen der Kunst und Künstler zu besprechen und zu fördern und sich gesellig zu unterhalten

so in den Statuten festgehalten.
Nicht nur bildende Künstler traten dem Verein bei, sondern auch Musiker, Dichter und Schriftsteller. Schnell wurde er zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt – und ein, wenn nicht DAS „Highlight“ waren die alljährlichen Karnevals-Redouten. Maskenbälle hatte es in Düsseldorf zwar schon davor gegeben, aber erst durch den Malkasten bekamen sie ihren legendären Ruf. Diese Bälle fanden immer am Karnevals-Samstag statt und hatten jedes Jahr ein bestimmtes Motto, zu dem auch ein Festspiel, eine Aufführung, stattfand.

Die Kostüme und Kulissen dafür wurden von den Mitwirkenden aufwändig gestaltet und auch die Ballbesucher gaben sich viel Mühe, sich mottogerecht zu verkleiden. Die Themen waren zunächst von Märchen, später von geschichtlichen Ereignissen oder historischen Künstlerpersönlichkeiten inspiriert. Hier eine Auswahl:

1879: Dornröschen
1893: Ein Fest bei Peter Paul Rubens
1896: Eine Hochzeit auf dem Monde
1900: Triumph der Hansa
1914: Liebeszauber
(Quelle: wikipedia)

Die Künstler zahlten 3 Mark, alle anderen 15-20 Mark pro Karte, die immer sehr kunstvoll gestaltet war. Damals ein hoher Preis (das entsprach etwa dem Preis für einen Mantel oder eine kleine Waschmaschine oder 12 Flaschen Portwein) Aber man zahlte gerne, wahrscheinlich waren die Karten immer schnell vergriffen…Vom Eintrittsgeld wurde der Ball finanziert und was übrig blieb, floss dem Künstlerverein zu.

Bis zum zweiten Weltkrieg wurden die Redouten jährlich gefeiert – danach musste das stark beschädigte Malkasten-Haus erstmal wieder aufgebaut werden.

Nach dem Aufbau ging die Tradition der legendären Redouten bis Ende der 60er Jahre weiter. Von Altweiber bis Rosenmontag wurde vom Dach bis zu den Gewölbekellern in künstlerischer Freizügigkeit das Leben, die Liebe und der Karneval gefeiert.

Heute gibt es im Malkasten keine Redouten mehr, aber dafür einen Karnevals-Empfang mit dem Prinzenpaar, wie mir von der waschechte Düsseldorferin und Karnevalistin ersten Ranges, Britta Dömges, (die natürlich beim „Wieverkram“ mit dabei war und zu der Truppe gehört, denen ich mich an Altweiber gerne anschließe), erzählte, die mich mit ihrem Insider-Wissen auch bei der Erstellung des Artikels unterstützt hat. Danke Britta!

Auch die schon erwähnte Hoppeditz-Verbrennung wird im Malkasten-Verein mit einem traditionellen Fischessen beschlossen – und hier schließt sich auch der Kreis zum kleinen geschichtlichen Rückblick mit den Besonderheiten des Düsseldorfer Karnevals.

Ganz zum Schluß sei noch erwähnt, dass in Düsseldorf während des Karnevals auch immer an die sozial Benachteiligten gedacht wurde: Schon 1823 mußten per Anordnung des königlichen Bürgermeisteramtes 25 Prozent vom Eintrittsgeld bei Karnevalsveranstaltungen für die Armen abgeführt werden. Heute verzichtet das Prinzenpaar bei seinen rund 350 Auftritten in der Session auf Geschenke und bittet stattdessen um Geldspenden, die für soziale Zwecke gestiftet werden.

Allen, die gerne Karneval feiern, wünsche ich viel Spaß und ausgelassenes Vergnügen in den tollen Tagen! Ich selbst werde in Düsseldorf und auch Köln (hier mein Bericht vom letzten Jahr dazu) meine Feldstudien vertiefen…Manchmal ist es schon ein harter Job!

Für alle, die noch kein Kostüm haben, in diesem Artikel findet Ihr Inspirationen zu historischen Kostümen. Und für diejenigen unter Euch, welche Karneval bzw. Fasching mögen, aber dieses Jahr nicht dabei sein können, habe ich diese nette Karnevalsgeschichte von damals parat, in der ein Maskenball übrigens eine wichtige Rolle spielt.

Und nächstes Jahr? Begebe ich mich sicherlich wieder auf eine Recherche, was Karneval und seine Bräuche angeht – vielleicht einmal in den Süden zur ursprünglichen alemannischen Fastnacht?

Für dieses Jahr ein kräftiges Helau, Alaaf, Ho Narro!

Eure Grete

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