„Junges Gemüse“ oder „alte Jungfer“? Karnevalsbälle und ihre Kostüme damals und heute

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„Helau“ und „Alaaf“ heißt es dieses Jahr wieder auf Bällen, Sitzungen und der Strasse – und das nicht nur in den Karnevalshochburgen. Aber wie war das eigentlich früher so – seit wann aber gibt es Karnevalsbälle und wie sahen damals die Kostüme aus?

Karneval an sich wird schon seit dem Mittelalter gefeiert, die ersten Karnevalsbälle fanden im Barock und Rokoko auf Schlössern statt. Auch die bürgerliche Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts liebte es, sich zum Karneval zu verkleiden. Im Winter –also zur besten Karnevalszeit- war der Höhepunkt der Gesellschaftssaison. Man lud sich gegenseitig ein und präsentierte sich der Gesellschaft – eine wichtige Zeit insbesondere für den Heiratsmarkt, bevor es dann im Mai/ Juni in die Sommerfrische ging.

Die Bälle waren eine gute Gelegenheit für junge Damen und Herren, sich standesgemäß kennenzulernen –bei Karnevalsbällen war alles noch etwas zwangloser, sicherlich schon damals ein Grund für ihre Beliebtheit!

Von der kessen Gärtnerin bis zum braven Gretchen - diese Kostüme waren damals in!

Schauen wir in die Wochenzeitschriften der damaligen Zeit , so werden vor der Karnevalszeit immer Kostümvorschläge gezeigt – den Schnittmusterbogen dazu gab es in der Ausgabe davor. Sehr geschickt, so mußten die interessierten Damen zwei Ausgaben kaufen, wenn sie kein Abo hatten.

In der Sonntagszeitung von 1908 wird ein Büchlein „Masken- Kostüm-Album“ annonciert „Eine Sammlung von etwa 200 Vorlagen zu Masken, Kostümen, Kopfbedeckungen und Kostüm-Frisuren für Damen und Kinder“.

Im Text dazu heißt es:

„Maskenball und Kostümfest sind mehr und mehr zu festen Programmnummern unserer regelmäßig wiederkehrenden gesellschaftlichen Veranstaltungen des Winters geworden. Mit ihren tausendfachen Anregungen, ihren neckischen Scherzen, ihrer frohen Farbenpracht bringen Maske und Kostüm einen immer frischeren Pulschlag in die oft leider nur allzugroße Einförmigkeit des gesellschaftlichen Lebens.“

Der Text verrät uns auch, daß es bereits Kostümverleihe zu dieser Zeit gab, heißt es doch:

„Bisher mußte man sich die Kostüme leihen und bekam dann bereits getragene Maskengarderobe. Das vorliegende Werkchen hilft diesem Mangel ab, indem es eine große Anzahl prächtiger Kostüme mit dem dazugehörigen Kopfputz in klaren Abbildungen und Beschreibungen bringt, so daß jede Dame in der Lage ist, sich ihre Maskengarderobe für wenig Geld selbst anzufertigen oder anfertigen zu lassen“.

Auch wenn uns dieses „Werkchen“ nicht vorliegt, so können wir uns aus „Modenzeitung“ des gleichen Jahrgangs ein paar Karnevalskostüme anschauen:

Das Maskenkostüm „Alte Jungfer“ zeigt eine (schon damals) altmodisch gekleidete Dame mit viel Spitzen obenrum und einem Pudel untenrum – also neben sich. Dazu steht „Das originelle Kostüm ist besonders dann von großer Wirkung, wenn es von einer jungen Dame getragen wird“. Ob die junge Dame in diesem Kostüm ihre Tanzkarte beim Ball voll bekam, bleibt anzuzweifeln.

Dann vielleicht doch lieber das „elegante Phantasiekostüm „Junges Gemüse“ ? Die Beschreibung dazu lautet:

 „Dieses reich ausgestattete ebenfalls für nicht zu große Figuren geeignete Kostüm war aus rosa Atlas hergestellt. Reiche Kurbelstickerei, zum Teil junges Gemüse darstellend, ziert den Rock und die Taille in sichtbarer Weise…Rosa Chiffongewinde, Rosetten aus rosa Atlasbändern und aufgenähtes aus gefärbter Watte hergestelltes Gemüse garnieren den Ausschnittrand….Zu dem Kostüm gehört der weiß lackierte Wasserträger, dem je ein mit Gemüse gefülltes Körbchen angehängt ist. Rosa Strümpfe und schwarze Lackschuhe. Man kann auch frisches oder Marzipangemüse verwenden.“

Tja, rosa als dominierende Kostümfarbe wäre mir bei Gemüse jetzt nicht in den Sinn gekommen, aber vielleicht bezieht sich das eher auf den Teil „junges“.

Falls an Kostümvorschlägen noch nichts für Dich dabei war, hätte ich noch die Kartendame nebendran im Angebot: „Das jugendlich flotte Kostüm eignet sich für eine mittelgroße nicht zu schlanke Figur“ steht in der Beschreibung, wobei man sich beim Anblick der gezeichneten (jungen) Dame mit ihrer Wespentaille fragt, was dann wohl „schlank“sein soll.

Gleichfalls für schlanke Frauen ist das Kostüm „Uhr“, für „eine jugendliche Brünette“ wird das Kostüm „Feldblume“ empfohlen. Eigentlich ganz originell…

Auch an weniger geschickte Näherinnen wird gedacht –mit einem heute politisch nicht mehr korrekten  Kostümvorschlag „Russische Zigeunerin“  welches als „.. ein leicht selbst zu arbeitendes einfaches Zigeunerinnenkostüm“ beschrieben wird. Wobei mir persönlich das Kostüm der Fuchsie nebendran besser gefällt.

Praktisch bei den Kostümvorschlägen ist, dass sie auch immer (wenn auch in kleiner Abbildung) von hinten gezeigt werden. Würde ich mir für manche Modestrecke in Frauenzeitschriften auch mal wünschen, bei denen die Fotos zwar künstlerisch wahnsinnig wertvoll sind, aber die präsentierte Klamotte eigentlich nicht wirklich zu sehen ist. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

 

Kostüme für Paare bzw. Männer sind übrigens sehr rar in den Zeitschriften – hier die paar, die ich aufstöbern konnte. Ganz  zeitgemäß (heute, zwinker) sind auch ein paar weibliche dabei.

Zum Nachnähen der Kostüme waren übrigens immer noch Beschreibungen und Schnittmusterbögen dabei. Letztere sind leider nicht mehr vorhanden…Für uns wären die Kostüme wohl wahnsinnig aufwändig, und allein durch die edlen Stoffe auch richtig teuer. Ganz abgesehen von den Sujets…

Update 2021

Das schöne bei digitalen Artikeln ist – sie können ergänzt und verändert werden! In einer Februar-Ausgabe der Zeitschrift „Die Woche“ fand ich diese Fotos von Kostümen – ja, und sie sind alle wieder für Frauen…

So ging frau im Februar 1911 zum Karneval

Reihenfolge: Schwarze Pierrette, Kostüm nach dem Bilde der Miß Farren (berühmte britische Schauspielerin Ende des 18. Jh.), Biedermeierkostüm, Fischermädchen (auf Bank sitzend), Kostüm einer Wahrsagerin, „Eine Bäuerin aus dem Allgäu“; Spanische Tänzerin, Partnerlook mit weißen Mützen, unschuldiges Maiglöckchen im weißen Taftkleid

Update 2022

Dieses Mal bin ich in der „Welt der Frau“ von 1911 und 1912 fündig geworden – ja, und tatsächlich sind auch Männerkostüme dabei – die Gesichter sehen zwar eher weiblich aus, aber vielleicht hätte es sonst die Optik gestört: viel Spass beim Anschauen! Eine weitere Beobachtung: Die Frauen sehen selbstbewusster aus – oder?

Karnevalkostüme 1911/12 - nicht nur für Frauen!

Update 2023:

In der Modezeitschrift „Bazar“ von 1889 habe ich diese beiden farbigen Abbildungen mit Kostümen gefunden.

Und heute? Sind eher andere Kostümthemen in Mode, oft inspiriert von Filmen und allgemeinen Trends. Erlaubt ist was gefällt, meist wird für die Kostüme, ob nun gekauft oder selbstgenäht, weniger Stoff als damals benötigt…

Nichtsdestoweniger gibt es gleichfalls viele originelle Kostümideen – und zwangloser als andere Veranstaltungen sind Karnevalsbälle heute immer noch (wenn sie stattfinden können)!

Wer mehr über über den Kölner Karneval und seine Traditionen erfahren möchte, kann hier weiterlesen, über den Düsseldorfer Karneval gibt es diesen Artikel. Und für alle, die Lust haben, eine Karnevalsgeschichte von damals zu lesen, hier geht es zur Humoreske „Ohne Maske“.

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  • Agnes
    Antworten

    Hallo liebe Grete,
    sehr vielversprechend und amüsant die Kostüme, danke! Wahrscheinlich konnten die Herren auch „nur“ im Frack erscheinen…
    Aber was war mit Kinderfasching, weisst du etwas dazu?

    Liebe Grüsse
    Agnes

    • Grete Otto
      Antworten

      Liebe Agnes,
      Kinderfasching gab es tatsächlich auch. Kostümfeste für Kinder wurden in bürgerlichen Kreisen gerne gefeiert. Zeugnis davon geben die Vorschläge für Kinderkostüme in den Kinder-Modenteilen der Wochenzeitschriften. Auf unsere Pinterest-Seite (Du kommst dorthin, wenn Du auf den roten P-Button rechts in der Leiste klickst) findest auf der Pinnwand „Historische Kostüme“ auch Bilder mit Kinderkostümen. Teilweise sind sie niedlich, aber für die heutige Zeit doch „etwas steif“. Finde ich zumindest.

      Liebe Grüsse

      Grete

  • Inga
    Antworten

    Hallo Grete,
    ich finde es eine lustige Idee, mal alte Faschingskostüme zu zeigen – danke für diesen Artikel! Gab es denn auch Vorschläge für Männerkostüme?

    Viele Grüsse

    Inga

    • Grete
      Antworten

      Hallo Inga,
      das ist eine gute Frage – jein. Also fast nicht. Ich habe noch mal diverse Hefte durchsucht, weil es mich auch interessiert hat. Männer haben bei den Karnevalskostümen eher Statistenrollen gehabt anscheinend :). Ich habe ein „Rokoko-Paar“ gefunden, das war es auch schon. Schau doch mal auf meiner Pinterest-Wand „Historische Kostüme“, da findest Du das Pärchen und noch weitere Kinder- und Damenkostüme. Ich glaube, Männer waren dann Kunden bei den Kostümverleihen…

      Liebe Grüsse

      Grete

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