Auf in die Sommerfrische – beliebte Urlaubsziele damals
Quelle Ansichtskarten: http://www.zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG (außer Bild Schweizer Hof/ Flims)
Was heute unser Sommerurlaub ist, war damals die Sommerfrische. Ein schönes Wort, es suggeriert Sonne, eine frische Brise und Erholung. Unter der Überschrift „Eine ideale Sommerfrische…“ heißt es 1913 in der Wochenzeitschrift „Daheim“:
Wer hätte nicht in dieser Zeit der Unruhe, des aufreizenden Arbeitens und Kämpfens, das Verlangen, einmal nichts zu sehen und zu hören von dem rastlos pulsierenden Leben der Welt? Hinaus möchte man in die heilige Stille der Wälder, die befreiende Luft der Berge. Auf sonnigen Wiesen möchte man liegen und nichts tun als hineinschauen in die Märchenschönheit des deutschen Waldes, sich freuen, daß es eine so wundervolle Erde gibt und eine Sonne, die sie segnet.
So strebt denn jeder, sobald die ersehnten Ferien der oft so schweren Berufsarbeit für kurze Wochen Einhalt gebieten, aus der Enge der Stadtwohnung hinaus, irgendwohin in die Welt, in ein kurzes Glücksdasein hinein.“
Das trifft es noch heute, oder? Auch wenn wir es wohl nicht ganz so blumig ausdrücken würden. Übrigens erzählt der Artikel über eine sehr kuriose Art der Sommerfrische, auf die ich später noch einmal zurückkomme.
Und was waren beliebte Ziele? In der Plauderei „Reisevorbereitungen“,welche in der Zeitschrift Daheim 1908 erschien, werden diese beliebten deutschen Sommerfrische-Ziele aufgezählt:
„Wo soll es hingehen? Das ist jedes Jahr wieder die große Frage. Harz, Thüringen, Rügen, Nordseeküste, Oberbayern – alles ist schon einmal darangewesen. Freilich wie kann man in vier Wochen alle Schönheiten des Harzes genießen wollen, oder Thüringens, oder nur des kleinen Rügens! Es gibt auch so viele andere Gegenden, die mich schon seit langer Zeit mit magnetischer Kraft anziehen, und die alle noch einmal an die Reihe kommen werden. Zunächst der Rhein? Mit Verlaub, nein. Bei dem mache ich in Gedanken immer ein Fragezeichen. Ja, wenn die Engländer dort nicht wären. Und die Berliner!
In der Plauderei wird das Reisen zu dieser Zeit mit dem Reisen vor 250 Jahren verglichen – der Verfasser zitiert seinerseits aus einem Reiseführer von 1651 manches lustige Detail der Reisevorbereitungen und im Vergleich, wie aufwändig und anders das Reisen zu jener Zeit doch war, stellt er am Ende des Artikels fest:
„Es steht zwar mancherlei guter Rat in dem alten Buche, der auch noch heute gilt; aber für unsere Zeit des Eilzugs und der komfortablen Hotels brauchen wir doch andere Reisevorbereitungen.“
Tja, alles eine Frage der Perspektive! Beruhigend ist aber, dass schon zu dieser Zeit bestimmte nationale oder regionale Gruppen gab, denen man im Urlaub eher nicht begegnen wollte. Ob die Deutschen schon damals für ihre Liegenreservierung mit Handtüchern berüchtigt waren?
Die Ziele waren also näher als zu unserer Zeit und lagen meist in Deutschland und den direkt angrenzenden Ländern und waren entweder mit dem „Eilzug“ oder dem Auto (was nur wenige besaßen) zu erreichen.
Schiffsfahrten zu entfernteren Orten, wie Amerika und … gab es gleichfalls schon, aber da die Fahrt dorthin meist mindestens eine Woche dauerte, waren sie als Urlaubsdestinationen nur denen vorbehalten, die sehr viel Geld und sehr viel Zeit hatten.
Denn die Anfahrt, auch für erreichbare Ziele in Deutschland und den angrenzenden Ländern dauerte länger. Und deshalb blieb man auch länger – meist mehrere Wochen am gleichen Ort. Davon profitierten natürlich die Hotels, die langfristig planen konnten. Nicht umsonst war die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Kriegsbeginn auch das goldene Zeitalter der Grandhotels, die oftmals während dieser Zeit erbaut wurden.
In dieser Sommerfrische-Reihe möchte ich Euch verschiedene Ziele der Sommerfrische von damals vorstellen. Das erste Ziel – das Bergdorf Flims in der Schweiz mit dem Hotel „Schweizerhof“ist in diesem Artikel beschrieben.
Als weitere Artikel sind zur Sommerfrische an der Ostsee bisher erschienen: Sommerfrische auf Usedom, Der Ahlbecker Hof – ein Grandhotel einst und jetzt , Zwei Wolgaster Holzhäuser in Bansin sowie Die Villa Staudt in Heringsdorf – der Kaiser kam zum Tete-a-tete
Bleibt nur noch die Frage, was war das Objekt der eingangs beschriebenen „idealen Sommerfrische…“? Die vollständige Überschrift des Artikels lautete übrigens „…nach dem Herzen von Leberecht Hühnchen?“ Who ist Leberecht Hühnchen? Die Hauptfigur eines gleichnamigen damals populären Romans, in der einfaches und bescheidenes Glück propagiert wird.
Hier ein Bild der „idealen Sommerfrische“:
Das aus zwei alten Straßenbahnwagen gebaute Waldhäuschen, damals wie heute eine Kuriosität, wird in seiner Einrichtung detailliert beschrieben und als Idylle gefeiert:
„Unsere Bilder geben nur ein unvollkommenes Bild von der lieblichen kleinen Villa; denn geschäftige Hände sind inzwischen tätig gewesen, sie noch schmucker zu gestalten…Wie schön wird es sein, wenn die Rosen die Giebel des Häuschens umwuchern und wenn das festliche Grün der jungen Birken sich vom weißen Gewand der Liliputvilla abhebt! Dann werden nur noch Eingeweihte an die alten ehrlichen Straßenbahnwagen denken…“
Der ursprüngliche Beruf des späteren Schriftstellers und Verfassers von „Leberecht Hühnchen“ Heinrich Seidel war witzigerweise Konstrukteur von Bahnanlagen und –brücken.
Wie für die Sommerfrische gepackt wurde und welche innovativen Reise-Accessoires damals auf den Markt kamen, davon erzählt dieser Artikel.
Wohin bei Euch die Reise in die Sommerfrische auch gehen mag – ob ans Meer, in die Berge, ins Ausland, Inland oder nach Balkonien – die Vorfreude darauf ist doch die schönste Freude – damals wie heute!