Sommerfrische II: Kofferpacken und Reise-Accessoires
Bald ist es wieder soweit: Kofferpacken ist angesagt und dann ab in die Ferien!
Apropos – was kam denn damals so in den Koffer, wenn es auf Reisen ging?
In einer Glosse über das Kofferpacken von 1901 beschreibt der Verfasser, Autorenname: Meergreis, seinen großen Lederkoffer mit den vielen aufgeklebten Hotelmarken als „alten Freund“ und Reisekamerad. In den Koffer kamen einige Dinge, die wir heute noch genauso mitnehmen: ein Reisenecessaire, Oberhemden, ein Nachthemd (ist auch für Herren fast schon wieder in). Weitere genannte Utensilien sind eher nicht mehr so üblich: Bartbinde (im Necessaire verstaut), Morgenschuhe, Sonntagsnachmittagsausgehrock (ein Kandidat für das längste Wort des Jahres) und für das Schreibmäppchen auch ein Tintenfass (hach…).
Gute Tipps zum Packen gibt es vom Meergreis auch noch dazu: Man sollte nicht zu viel und auch nicht zu wenig mitnehmen – insbesondere zu wenig kann sich rächen, denn: „Ich jedenfalls mag nicht mehr in einem anständigen Hotel zu Tisch im Reiseanzug gehen und in verregneten, verstaubten gelben Stiefeln.“ Ich auch nicht, nicht in gelben Stiefeln.
Aber richtig ist auch heute noch der Rat:
„Wer reist, sollte immer daran denken, was brauchst Du, wenn Du heut abend ankommst? Ich hatte einst einen vortrefflichen Diener, aber das konnte er nicht begreifen, daß ich zuerst Sehnsucht nach meinen Morgenschuhen fühlte, und das Reisenecessaire samt dem Nachthemd packte er aus Grundsatz stets ganz geheimnisvoll unter den Sonntagsnachmittagsausgehrock. (noch mal, weil das Wort so schön ist)“
In der Gegenwart müssen wir selbst vortrefflich packen und auch heute ist es noch so, dass die Koffer irgendwie immer zu klein und zu voll sind.
Aber welche praktischen Reise-Accessoires braucht(e) man noch? In der Zeitschrift Daheim werden 1913 einige innovative Neuheiten vorgestellt:
„Die moderne Industrie trägt dem erhöhten Reisebedürfnis der Städter Rechnung und hat wieder vieles erfunden, was die Zweckmäßigkeit und Bequemlichkeit des Hauses auf Reisen ersetzen soll.“
Hier eine Auswahl der unentbehrlichen Utensilien mit den originalen Beschreibungen:
„Wie ärgerlich nehmen wir unsere zerknitterte Batistbluse aus dem Koffer, wenn wir nicht imstande sind, den Schaden heilen zu können! Ein zusammenlegbares Plättbrett, das auf dem Boden des Koffers mitreiste, ist aber mit einem Griff sachgemäß aufgestellt, und ein kleines elektrisches Plätteisen, an den Kontakt der Glühbirne angeschlossen, erlaubt in wenigen Minuten der Bluse, wieder in ihrer alten Frische zu erstehen“
Aber Hilfe, wenn an dem Plättbrett im Koffer dann die Lackschuhe zerkratzen! Kein Problem: „Der Lack unserer Schuhe und Stiefel tritt tadellos ans Licht, denn ein weicher Filzüberzug schützte sie prächtig vor Verletzung.“ Und in den nebenstehenden Kragenbeutel lassen sich Hemdenkragen prächtig verpacken, denn: „Die Kragen in einem Beutel zu verwahren, erspart die lästige, ewig reißende Papierhülle.“ Halt, Kragen in Papierhüllen?
Hier eine kurze Erläuterung dazu: Zu dieser Zeit waren Hemden kragenlos und wurden ans Hemd angeknöpft, meist im Nacken und vorne an der Gurgel bzw. am Kropf. Praktischerweise konnte man an diesem Knopf dann auch seine Krawatte oder Fliege einhängen. Eine schöne und ausführlichere Beschreibung mit Bildern von Hemden, Kragen und Knöpfen findet Ihr hier .
Und wie wurden die damals für Damen und Herren obligatorischen Hüte (eine Auswahl von Damenhüten findet Ihr hier auf unserer Pinterest-Seite) verstaut? In speziellen Hutschachteln oder Hutkoffern Aber wie dann im Hotelzimmer auslüften? Mit einem Reise-Hutständer natürlich:
„Frappierend ist die Einfachheit des zusammenlegbaren Hutständers. Zwei Holzteile ineinander geschoben bilden ein festes Gestell auch für die schwersten Kopfbedeckungen.
Alle diese Utensilien sind so geschickt angefertigt, daß sie in Ecken und Seiten des Koffers bequem Platz finden.“
„Selbst die sonst so umfangreiche und durch ihren Griff schwer zu verpackende Kaffeemühle ist hier in eine Holzbüchse verwandelt worden, deren Inneres alle erforderlichen Einzelteile birgt.
Puh, die Redakteure haben wirklich an alles gedacht! Auch an die notwendigen Accessoires für die Bahnreise:
Die etwas gequält lächelnde junge Dame führt „eine zusammenlegbare waschechte Reisedecke aus roher Seide“ vor, (die) mehr Schutz vor Staub als die schwer unterzubringenden Reisekissen gewährt. Wir hängen sie am Gepäcknetz auf und durch Stützen des Armes in zwei Maschen gewährt sie ein sanftes Ruhen und Einschlafen.“
Irgendwie stellt sich beim Betrachten des Fotos kein sanftes Gefühl von Ruhe und Bequemlichkeit bei mir ein…
Zuletzt aber doch auch noch ein leicht unterzubringendes, wirklich famoses, patentamtlich geschütztes Kupeekissen mit verstellbarer Aufhängevorrichtung.
Elegant und solid, mit molliger Füllung, schnell in jede Kopfhöhe einstellbar, bequem an- und abzuhängen. Mit dem Kissen reist man in 3. Klasse genauso angenehm wie in 2. Klasse, aber auch für die 1. und 2. Klasse ist seine Benutzung eine Behaglichkeit wegen und aus sanitären Gründen gut. Man kann seinen Platz verlassen oder aufstehen, so oft man will, immer findet man das Kissen in Kopfhöhe wieder. Da die Aufhängevorrichtung abnehmbar ist, kann das Kissen in der Sommerfrische als Sitz oder Liegekissen dienen. Gewiß auch ein großer Vorzug.
Zu beziehen ist dieses Kissen in drei Ausführungen von „Hauptvogels Neuheiten Industrie, Dresden, Blumenstraße 1. Ich habe nachgeschaut, die Firma gibt es leider nicht mehr.
„Die anderen Neuheiten sind in allen großstädtischen Haushaltungsgeschäften zu finden.“
Spaß beiseite, gibt es eine der damaligen Neuheiten heute noch? Also kleine Bügelbretter gibt es (z.B. bei Ikea), aber nicht gerade für Koffer geeignet. Schuhsäcke sind auch heute noch üblich, Kragenbeutel brauchen wir nicht mehr und Hutreise-Utensilien sind eher weniger gefragt. Bei Manufactum gibt es diese schöne Hutschachtel zum Reisen.
Auch die Reisekaffeemühle, ein Reise-Utensil für den etwas exzentrischen Kaffeeliebhaber, gibt es heute noch in verschiedenen Ausführungen, diese gefällt mir persönlich gut.
Die für lange Zugfahrten entwickelte, am Gepäckständer zu befestigende Schlafdecke mit Armhülsen und das in allen drei Zugklassen verwendbare Reisekissen konnten sich am Ende wohl nicht dauerhaft durchsetzen.
In weiteren Artikeln rund um das Thema „Sommerfrische – Urlaub damals“ erfahrt Ihr mehr, wie man zu den Sommerfrische-Destinationen reiste (mit oder ohne Kupee-Kissen) und welche Ziele beliebt waren. Davon stelle ich dann einige Destinationen vor. Von einem beliebten Ziel, dem Ort Flims in den Schweizer Alpen, erzählt anhand der Geschichte eines 1903 eröffneten Hotels, gibt es übrigens schon diesen Blog-Beitrag.
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