Was geschah im März 1911?

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Prinzregent Luitpold von Bayern – ein volkstümlicher Herrscher wird 90!

Ältere „Herrschaften“ als Herrscher sind wir ja noch heute gewohnt – der amtierende US-Präsident ist 78 Jahre, die amtierende Queen Elisabeth II. 95 (!) Jahre und auch Deutschland hatte schon ältere Oberhäupter wie Kanzler Konrad Adenauer (bei Amtsende 87 Jahre) oder Richard von Weizsäcker (bei Amtsende 74 Jahre). 

Einem amtierenden 90-jährigem Regenten ist aber aufgrund seines „greisen“ (so hätte man früher gesagt) Alters auf jeden Fall Respekt zu zollen (auch wenn die Queen noch älter ist)! 

 Ja, obwohl Bayern ein Königreich war, wurde es nicht von einem König regiert und so kommen wir gleich zur Frage, wie Prinz Luitpold zum Regenten wurde – denn „Regent“ meint eine Person, welche die eigentlich herrschende Person vertritt. Luitpold vertrat zunächst den berühmten letzten bayrischen König Ludwig II. – allerdings nur sehr kurz, da Ludwig ein paar Tage nach seiner Entmündigung am 13. Juni 1886 im Starnberger See ertrank. Von der Erbfolge her wurde Ludwigs Bruder Otto der nächste König – aber nur theoretisch. Denn Otto war seelisch krank und seit 1878 entmündigt. Ein paar Zeilen zur Ehrenrettung von Otto, von dem es in vielen Einträgen bis heute schlicht heißt, er sei „geisteskrank“ gewesen. Bis zu seiner Jugend war Otto gesund und wuchs ganz „normal“ (so normal wie man als Prinz des bayrischen Königshaus halt aufwächst) mit seinem älteren Bruder Ludwig II. auf – die Beiden waren sich sehr zugetan. 

Anzeichen für eine psychische Störung gab es erst später – immerhin vertrat Otto, übrigens mit dem späteren Prinzregenten Luitpold, das Königreich Bayern bei der Kaiserproklamation 1871 und war davor im deutsch-französischen Krieg aktiv. In den 1870er Jahren verschlechterte sich sein Zustand aber und sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit war 1875. Bis zu seinem Tod 1916 war er dann in im Schloss Fürstenried bei München untergebracht. 

Luitpold hatte bei Amtsantritt schon Erfahrung, da er bereits zu Regierungszeiten Ludwigs II., der lieber in seinen Märchenschlössern weilte, dessen Regierungsgeschäfte zum größeren Teil übernommen hatte. Karriere hatte er zunächst beim Militär gemacht. In den Wochenzeitschriften dieser Zeit wurde er oft als volksnaher Herrscher dargestellt. Ob er nun beim Oktoberfest die Preise der Landwirtschaftsausstellung verteilte, in den Alpen wanderte oder unangemeldet junge Künstler besuchte. Denn er war zum einen ein begeisterter Sportler und Jäger und zum anderen ein Kunstfreund, welcher -im Gegensatz zum Kaiser- auch modernen Kunststilen aufgeschlossen gegenüber stand. München blühte und prosperierte während seiner Regierungszeit als Stadt der schönen Künste. 

Verheiratet war er mit der Erzherzogin Auguste von Österreich-Toskana, die jedoch schon mit 39 Jahren starb. Die beiden hatten vier Kinder.
Was seinen Regierungsstil anging, so überließ er wichtige politische Entscheidungen seinen liberal agierenden Ministerien. Unter seiner Ägide ging Bayern im deutschen Reich auf, d.h. er stellte die Interessen Bayern das eine oder andere Mal hinter gesamtdeutschen Interessen zurück. Das ging bis hin zu religiösen Fragen – so wandte er sich -selbst Katholik- auch nicht gegen antikatholische Bestrebungen und verhinderte 1890 einen geplanten Katholikentag in München.
Insgesamt kann mal wohl einschätzen, dass sein Wirken als Regent auf Konsens und Volksnähe ausgerichtet war.
In den Wochenzeitschriften wird er anläßlich seines 90. Geburtstages natürlich mit Bildern aus seinem Leben und auch Artikeln gewürdigt. In der Sonntagszeitung heißt es über ihn:

„Es gibt wenige Fürsten, die so ganz verkörpertes Pflichtbewußtsein sind, so ganz Diener ihres Volkes wie Prinzregent Luitpold. Hierin erinnert dieser echte Wittelsbacher an den großen Hohenzollern-Kaiser Wilhelm I., der ja gleichfalls in strenger Pflichterfüllung aufging und nicht Zeit hatte, müde zu sein. Es gibt auch wenige Fürsten, die in so enger Fühlung mit ihrem Volke stehen und in allen Schichten deshalb eine so aufrichtige Verehrung genießen wie Prinzregent Luitpold.
Und dabei hatte er es schwer, sich populär zu machen, denn seine Schlichtheit und soldatische Geradheit hatten für einen großen Teil des Volkes nicht den poetischen Nimbus, mit dem Ludwig II., der Romantiker auf dem Throne, umgeben war.“

Er sollte Ende des darauffolgenden Jahres mit 91 Jahren sterben und unter großer Anteilnahme begraben werden. Seine Regierungszeit wurde bald darauf als „Prinzregentenzeit“ bezeichnet, oft gleichgesetzt mit „guter alter Zeit“. Auch das ist natürlich in seiner Zeit zu sehen, denn zwei Jahre nach seinem Tod begann der 1. Weltkrieg und aus dieser Perspektive waren die Friedenszeiten unter der Regentschaft Luitpolds allemal eine glücklichere und bessere Zeit gewesen. 

Ein Käfig voller Verbrecher in der Kirche – Camorra-Prozess in Italien 

Tatsächlich fand im italienischen Viterbo der Prozeß gegen die Camorra in einer Kirche statt, die als Schwurgerichtssaal diente. Die Camorra hat eine lange Tradition – im Artikel ist von 100 Jahren die Rede, die sie schon existiert, nach heutigem Wissen gibt es die organisierte Kriminalität bereits seit dem 16. Jahrhundert. 

Zur Entstehung der Camorra, im Artikel als „berüchtigter politischer Geheimbund Unteritaliens“, bezeichnet, heißt es im Artikel der Sonntagszeitung: 

„…Sie wurde in der früheren Zeiten nicht nur von der Regierung geduldet, sondern sie drang in alle Stände ein, auch in das Heer und die Beamtenschaft, und selbst Minister und Prinzen traten ihr bei. Doch ist die Mitgliederzahl und die Bedeutung der Camorra allmählich zurückgegangen, und heute beschränkt sie sich auf die untersten Volksklassen. Ihr Macht verdankt die Camorra ihrer straffen Organisation. Jedes Mitglied gelobt Treue und Verschwiegenheit auf ein eisernes Kruzifix und erhält nach zweijährigen Lehr- und Probezeit die zwei besonders geformten Messer des Camorristen als Erkennungszeichen.“

Ob das heute noch so ist? Sonst frage ich immer gerne Experten, aber in diesem Fall – schwierig! Auch zur Frage der Finanzierung gibt der Artikel Auskunft:

„Ihre Einkünfte bezieht die Camorra heute nur noch aus Erpressungen, Diebstählen und Schmuggelhandel; auch die Ausführung von Verbrechen wird von ihr übernommen.“

Also, manche Dinge ändern sich nicht wirklich und leider ist die Camorra trotz weiterer „Riesenprozesse“ (wie es im Untertitel des Bildes heißt) in den folgenden Jahrzehnten nicht verschwunden. Spektakulär sieht der Käfig aus, in dem die Angeklagten Platz genommen haben, 36 waren es in diesem Prozess, um genau zu sein. 

Etwas gibt es aber doch noch zum Schmunzeln, denn im letzten Satz heißt es: 

Die Angeklagten befinden sich während der Verhandlung in einem besonders zu diesem Zweck errichteten eisernen Käfig, nur dem mitangeklagten Kirchhofspfarrer Pater Ciro Vitozzi ist es gestattet, vor dem Gitter Platz zu nehmen.“

Camillo darf draußen bleiben! Also in seinem kleinerem Extrakäfig…

Aus dem Frauenleben:

Anna Rogstadt – ein weiblicher Parlamentarier

Frauen und Politik – das ging 1911 noch sehr schwierig zusammen. Erst in wenigen Ländern durften Frauen bis dato wählen (in Europa nur die Finninnen – ab 1906) und in vielen durften sie sich nicht aktiv in politischen Organisationen betätigen. So durften beispielsweise Frauen im Bundesland Preußen politische Parteien erst ab 1908 passiv im Wahlkampf unterstützen (hier nachzulesen)

Noch war es auch in Norwegen Frauen nicht erlaubt, zu wählen – als zweites europäisches Land sollte dort 1913 das Frauenwahlrecht eingeführt werden. Und so war diese Meldung, die in den meisten Wochenzeitschriften kam, umso bemerkenswerter (und nebenbei auch die Tatsache, DASS die Meldung erschien).

Unter der obigen Überschrift wird Anna Rogstadt mit Bild in der Sonntagszeitung vorgestellt, die dazu erzählt:

„Im Storthing, der norwegischen Volksvertretung, hat die Volksschullehrerin Fräulein Anna Rogstadt ihren Einzug gehalten.“ (das norwegische Parlament wird noch heute so genannt, inzwischen ohne h geschrieben)

Zum Storting wird noch erwähnt, dass er aus 123 Vertretern bestünde, die für 3 Jahre gewählt wurden. Die letzte Wahl war 1909, allerdings wurde Anna zunächst als Stellvertreterin des Abgeordneten Bratlie gewählt. Der sah sich Anfang 1911 allerdings

„…genötigt, den parlamentarischen Verhandlungen für einige Zeit fernzubleiben, um die Organisation der neuen Heeresordnung durchzuführen“,

wie es weiter im Artikel heißt. Das war die Chance von Anna Rogstadt, die ihren ersten Auftritt im Storting am 17. März 1911 hatte. Da Bratlie sein Mandat von Februar 1912 bis Januar 1913 erneut ruhen ließ, war sie während dieser Zeit dauerhaft als Abgeordnete im Parlament tätig – immerhin 29 Mal ergriff sie das Wort.

Anna Rogstadt engagierte sich in ihrem Leben gleichfalls für die Schulbildung der Frauen, für Frauenrechte und war in verschiedenen Parteien aktiv. Sie starb mit 84 Jahren 1938.

Die erste Österreicherin geht alleine in die Luft!

Und zwar ganz zünftig mit dem Ballon „Radetzky“ des Österreichischen Aeroklubs! Die Frau Hauptmann Hinterstoißer unternahm eine Alleinfahrt vom Wiener Prater aus und 

„landete nach einer Dauer von 11/4 Stunden in Rauchenwarth in Niederösterreich“. 

Dazu stellt die Sonntagszeitung sachlich fest:

„Frau Hauptmann Hinterstoißer hat mit dieser Fahrt die Bedingungen erfüllt, die an die Erwerbung des Pilotenzeugnisses geknüpft sind.“

Bravo, Frau Hauptmann! Der Hinterstoißer, Franz, ein österreichischer Luftpionier und der eigentliche Hauptmann (denn die Frauen bekamen einfach die Titel ihrer Männer verpasst), war übrigens ihr Ehemann – das Ballonfahren wurde anscheinend zur gemeinsamen Leidenschaft!

Aus Adelskreisen: Eine Verlobung im Mittelalter-Stil

fand während eines Kostümfestes mit diesem Thema auf der Burg Dankwarderode in Braunschweig statt. Die Burg in Braunschweig gibt es übrigens noch heute und in normalen Zeiten kann sie besichtigt werden.

Das Kostümfest muss eine größere Sache gewesen sein, bei dem allerlei Adel versammelt war – eine Märzausgabe der Woche widmet dem Thema zwei größere Bilder. Herzogregent Johann Albrecht zu Mecklenburg, der damalige Burgbesitzer, gab das Fest, im Bild links zu sehen. Es verlobten sich Christoph Prinz zu Stolberg-Roßla und Prinzessin Ida Reuß älterer Linie, die in ihren mittelalterlichen Gewändern wenig vorteilhaft „herüberkommen“. Hier noch ein Bild der beiden in Zivil.

Ida war die jüngste Schwester des letzten Fürsten von Reuß älterer Linie, der allerdings, da regierungsunfähig, von einem Regenten vertreten wurde. Und ihre ältere Schwester wurde die zweite Frau des Kaisers – und das obwohl ihr Vater einer der letzten Einzelkämpfer gegen den Kaiser gewesen war. Wen die ganze Geschichte des kleinsten deutschen Bundesstaates „Reuß älterer Linie“ interessiert, hier habe ich sie aufgeschrieben.

Technik I: Das erste See-Aeroplan

Viel wurde in Zeitschriften und Zeitschriften über die Aviatik und die Luftschiffer berichtet und natürlich auch über jede technische Neuerung! Und so wird auch ein Bild des ersten Wasserflugzeugs gezeigt -damals See-Aeroplan- genannt. Entwickelt wurde es vom französischen „Luftschiffer“ Fabre und es heißt im Untertitel:

Die ersten Flugversuche…haben gezeigt, daß die mit einer Schwimmvorrichtung versehene Flugmaschine zu Flügen über dem Meere geeignet ist, solange keine schwerer Seegang ist.“

Technik II: Rekord! 11 Passagiere in einem Flugzeug

waren damals eine Sensation, über die in Zeitungen berichtet wurde. Und wiederum ein französischer Luftschiffer namens Braquet stellte diesen Rekord auf – mit den 10 Passagieren flog er fünf Kilometer. Man bekommt etwas Angst, wenn man das Bild und die ins Flugzeug gequetschten Passagiere betrachtet – aber es ging alles gut, man landete wohlbehalten und in Rekordlaune! 

Eine lustige Bildstrecke aus der „Woche“ gibt es zum Schluss – Verkehrte Welt – Frauen als Männer á la 1911

Ja, es ist immer mal gut, die Perspektive zu wechseln – auch zur heutigen Zeit. Und das gilt für beide Seiten, liebe Frauen und liebe Männer ?

Ich wünsche Euch noch einen schönen März, bleibt weiterhin gesund und natürlich lesefreudig! 

Und wenn die Pflicht ruft, dann ein Beispiel am Prinzregenten Luitpold (und Kaiser Wilhelm I.) nehmen – sie hatten einfach keine Zeit, müde zu sein, auch nicht mit 90! 

Herzlichst 

Eure Grete

Für alle Interessierten geht es hier zu den Artikeln, was im März 1909 und im März 1908 geschah

 

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