Sommerfrische der Kaiserfamilie im Landidyll Cadinen – ein Fotoalbum

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Wo verbringen Prominente, Adel und Politiker ihren Urlaub? Bis heute eine Frage, die von Zeitungen, Klatschblättern und weiteren Medien gerne aufgegriffen wird, insbesondere im „Sommerloch“.
Man sieht Anzugsträger in Wanderkleidung, Moderatorinnen im Bikini und mit behaglichem Unbehagen auch so manchen Schnappschuss, bei denen die Prominenz eine weniger günstige Figur macht. Puh, nicht nur Otto-Normalverbraucher kämpft mit Bauch, Cellulitis und zerknitterten Leinenhemden!

Schon zur Belle Epoque Zeit interessierte die Bevölkerung, wohin Adel, Politiker und weitere Prominente in den Urlaub fuhren. Wobei die damalige Prominenz keine Angst vor ungünstigen Schnappschüssen haben musste, denn Fotoaufnahmen dauerten – wahrscheinlich ein Grund, warum es noch keine „Paparazzi“ gab.

Wie die Kaiserfamilie ihren Urlaub verbrachte, das interessierte naturgemäß viele. Und so entstand ein Fotobuch von der Sommerfrische in Cadinen. Die veröffentlichten Aufnahmen wurden „mit allerhöchster Genehmigung“ gezeigt, so stand es in der „Volksausgabe“ auf der ersten Umschlagsseite, ergänzt durch den Zusatz „Zum Besten der durch die Wassersnot Geschädigten“. Wie man im weiteren Text erfährt, gab es in den Regionen Schlesien und der Stadt Posen (heute Posznan) im Juli 1903 eine schwere Hochwasserkatastrophe, die viele Menschenleben forderte und bei der Teile vieler Ortschaften schwer zerstört wurden.

Wahrscheinlich wurde ein Teil der Verkaufserlöse an die Geschädigten gespendet, denn auf der zweiten Umschlagsseite findet sich diese handschriftlich gedruckte Widmung der Kaiserin:

Die kaiserliche Familie hatte eine Sommerresidenz im Dorf Cadinen, das für damalige Verhältnisse in seiner Größe eher bescheiden war.
Das Dorf lag im damaligen Westpreußen in der Nähe von Danzig, heutiges polnisches Territorium. 1898 hatte der Kaiser das Landgut von seinem überschuldeten Besitzer übernommen.

Wilhelm II. ließ es ausbauen und nach und nach auch gleich das ganze Dorf umgestalten.

Die Ziegelei auf dem Gutsgelände wurde in eine Majolika-Manufaktur ausgebaut, deren Fliesen z.B. beim Bau von Berliner U-Bahnhöfen und dem Hamburger Elbtunnel eingesetzt wurden. Daneben wurde ein Gestüt gegründet, in dem Trakehner und Holsteiner gezüchtet wurden.

Die Bilder aus dem Ferienalbum sind von 1903 als alles noch recht ursprünglich war und die Umgestaltung erst begonnen hatte. „Kaisers“ ließen sich „ganz privat“ bei ihren Sommerfrische-Aktivitäten ablichten.

Besonders beliebt bei den Untertanen – Aufnahmen der Kinder:

Eine Reihe von Aufnahmen sollen die Volksnähe der kaiserlichen Familie illustrieren. Man war im Dorf integriert – so die Aussage der Bilder:

Gleichfalls interessant:  die Impressionen vom Dorfleben aus dieser Zeit – von den dort lebenden Bauern und ihrer landwirtschaftlichen Arbeit, der landschaftlichen Umgebung bis zu den Cadiner Kühen und Schweinen.

Übrigens ging es auch der kaiserlichen Familie wie allen normal Sterblichen: irgendwann war der Urlaub zu Ende und man musste sich auf die Heimreise begeben:

Uns erscheinen die Bilder idyllisch als Momente aus der „guten alten Zeit“. Aber natürlich wurden die Aufnahmen schon damals sorgfältig ausgewählt – es sollte damit die Volksnähe und Bodenständigkeit der Kaiserfamilie demonstriert werden.

War es nur ein weiteres Pflichtprogramm oder genossen Wilhelm II. und seine Frau Auguste Viktoria tatsächlich das Landidyll fernab aller Etikette? Wenn man die Bilder anschaut, scheint es so!

Das Buch mit den Fotografien wurde von Ottomar Anschütz (1846-1907) einem Pionier der Fototechnik und Pressefotografie herausgegeben, der wahrscheinlich das Gros der gezeigten Fotografien aufgenommen hatte – einige (extra gekennzeichnete) auch von der Kaiserin und weiteren Familienmitgliedern persönlich.

Heute steht das Dorf Kadyny übrigens komplett unter Denkmalschutz und das Gut wurde zu einem Hotel ausgebaut.

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