Das bayrische Königshaus als Vorreiter in den Alpen

 In Reisen, Unkategorisiert, Zeitgeschehen

Ein Gastartikel von Dr. Michael Weithmann 

Das königlich-bayerische Gebirge

Entlang der Passrouten war man zwar seit alters her mit dem Anblick fremder Händler, Pilger, Reisiger oder Soldaten vertraut, doch waren dies Durchreisende gewesen, die rasch weiterkommen wollten und sich freiwillig nie länger an einem Ort aufhielten. In die Seitentäler und höher hinauf kamen diese Vaganten nie. Doch nun (wir befinden uns im 19. Jahrhundert) erschienen plötzlich Fremde, Begüterte wohlgemerkt, welche längerfristiges Quartier bezogen, verborgene Winkel entdeckten auf der Suche nach etwas für die Hiesigen selbst völlig Unerklärlichem: Erholung, Muße und Bewegung in der Natur.

Und den Anfang machte zu Aller Erstaunen das bayerische Königshaus. Ganz ohne Vorbild war die bayerisch-monarchische Bergbegeisterung, freilich nicht. Im kaiserlichen Hause Habsburg war sie nämlich schon erheblich früher ausgebrochen. So waren die Erzherzöge Karl und Johann, Söhne Kaiser Leopolds II., bereits 1810 und 1812 im Dachsteinmassiv unterwegs gewesen und hatten sich auf die Gletscher gewagt, zusammen mit einer ganzen Entourage von einheimischen Begleitpersonen. Auch die ersten Expeditionen auf den Großglockner in den Jahren 1799 bis 1802 waren von ganz oben huldvollst begleitet worden. Langsam färbte das Treiben der allerhöchsten Herrschaften auf die Wiener Gesellschaft ab. Zunächst begab man sich in die neuen Kurorte im Salzkammergut, doch immer mehr wollten auch den Spuren der habsburgischen Berggeher folgen. Wobei Gehen nicht immer zutrifft, denn schon bald war die bislang nur in den Residenzstädten tätige Gilde der Sesselträger vor Ort. In Portechaisen (Sänften) ließ ließ man sich zu belles vues – schönen Aussichten – hinauf schaukeln, um K.-u.-K.-Kaiserwetter zu genießen. Alpinismus war salonfähig geworden!

 

Bayerns Könige in den Bergen

Unter Ludwigs I. Nachfolger, König Maximilian II. (reg. 1848–1864, genannt Max Zwoa) wurden die 1848er-Reformen in Gang gesetzt. Sie betrafen den Landtag, der nun repräsentativ und ohne Standesschranken indirekt über Wahlmänner gewählt wurde. In der Folgezeit bildeten sich politische Parteien heraus, die um die Mandate konkurrierten. Eine weitere Maßnahme war die Abschaffung der Grundherrschaft, wodurch die ländlichen Strukturen völlig umgekrempelt wurden. Max II., der nach eigenem Ausspruch lieber Professor geworden wäre, wenn ihm nicht die Krone in die Wiege gelegt worden sei, fühlte sich in erster Linie unter Gelehrten und Bildungsbürgern wohl. Das Gehabe eines Königs von Gottes Gnaden, wie es seinen Vater Ludwig zumindest phasenweise überkam, war ihm fremd. Er ist aber auch der erste Wittelsbacher auf dem Thron, der bewusst „ins Land und Volk hinein ging“. Die Berge hatten es ihm besonders angetan.

Ganz unbekannt war Bayerns Bergwelt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr. Wissenschaftler und Schriftsteller hatten sie beschrieben oder als Kulisse für Erzählungen gewählt. Auch Reiseführer erschienen auf dem Buchmarkt. Ein besonders rühriger Reisender war Ignaz Joseph von Obernberg (1761–1845), der als pensionierter Höchstbeamter Zeit und Muße fand, die bayerischen Berge zu durchschreiten und seine Mitbürger – soweit sie es sich leisten konnten – daran teilnehmen zu lassen. Die Titel seiner Werke sprechen für sich, z. B.: „Das Bayerische Alpengebirge nebst abgränzenden Theilen von Tirol und Salzburg. Ein Handbuch für Reisende zur genußreichen Kenntniß dieses reizenden Hochlandes“ (1832). Obernberg verfasste darüber hinaus eine Fülle von Schriften zur „Vaterländischen Bayerischen Geschichte“. Wir dürfen annehmen, dass seine Werke in der Königlichen Handbibliothek vertreten waren und dass besonders Prinzen, Prinzessinnen und Hofbeamte angehalten wurden, sie sorgfältig zu lesen und zu studieren.

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Bild vom Schloss Hohenschwangau

Wo König Max und Königin Marie Urlaub machten: Hohenschwangau

Auf einer seiner Bergwanderungen in den Ammergauer Alpen stieß der 17-jährige Kronprinz Maximilian im April 1829 auf die Burgruine Schwanstein. Die alte Burg aus dem 14. Jahrhundert hatte als Grenzfeste gegen Augsburg und Tirol eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Ihr Ende kam 1809, als aufständische Tiroler Freischaren die Burg beschossen und niederrissen. 20 Jahre später war die damals einsam gelegene Burg „in Schönheit zerfallen“ und berührte die sentimentale Saite des bayerischen Kronprinzen.

Spontan schwärmte er seinem Begleiter Graf Pocci vor, diesen idyllischen Ort als „Hohenschwangau“ wiederauferstehen zu lassen. Und in der Tat besticht die malerische Lage der Burg, einerseits eingebettet in die Gebirgslandschaft zwischen Schwansee und Alpsee und andererseits hinauswirkend ins flachere, vom Lech durchzogene Vorland.

Zügig begannen die Bauarbeiten im Jahr 1833. Bereits 1836 war der vierstöckige Baukubus vollendet, wie die Marmortafel über dem Torbogen verkündet: Hohenschwangau zum Schwanstein erbaut von den Edlen von Schwangau im XII. Jhd. Wiederhergestellt von dem Kronprinzen Maximilian von Bayern im Jahre des Herrn MDCCCXXXVI.“ Im nächsten Jahr fügte man die vier Ecktürme mit ihren Zinnenkränzen an und schuf den Landschaftsgarten, der sich bis zum Schwansee ausdehnt. Als Vorbild diente die zeitgenössische englische Tudor-Neugotik, die auch die königliche Prachtstraße Münchens, die Maximilianstraße, prägt.

Zwei Wochen nach der Hochzeit mit der preußischen Königstochter Marie Friederike führte der Kronprinz seine Gemahlin 1842 in seine Sommerresidenz Hohenschwangau. Auf die Frage, ob sie sich hier wohlfühlen könne, antwortete die Berlinerin mit dem seither geflügelten Sprichwort: „Von de Berje bin ick janz wech!“ Dass dies keine reine Redewendung war, sollte sie als begeisterte Bergsteigerin bald vielfach beweisen.

Die Sommer vergingen mit Empfängen, Festen, Ritterspielen, Landpartien und Jagden. Die Landbevölkerung ehrte die königliche Familie mit weithin sichtbaren Bergfeuern. Auch nach der Thronbesteigung Maximilians im Jahre 1848 hielten die sommerlichen Besuche an. Im dritten Stock wohnten die beiden Söhne, die dem Paar trotz „gemäßigten Begehrungstriebes seitens Maximilians“ geschenkt wurden, Otto (1848–1916), der in geistiger Umnachtung starb, und Ludwig (1845–1886), der spätere Märchenkönig Ludwig II.

Gerade der schwärmerische Ludwig fand im romantischen „Gefilde der Schwanenritter“ und in den mit allerlei mystischen und sagenhaften Szenen ausgemalten Schlossräumen Anregungen für seine überbordende Fantasie. Sein Wunsch, fernab vom Hof und vom Weltgetriebe ein königliches Leben inmitten der bayerischen Berge zu führen, hat hier seine Wurzeln. Das Hohenschwangau seiner Kindheit war das „Paradies auf Erden, das ich mit meinen Idealen bevölkere und dadurch glücklich bin“.

Einen großen Festtag erlebte das Schloss am 25. August 1864 zum 19. Geburtstag Ludwigs, der ein halbes Jahr vorher zum König gekrönt worden war. Auf dem Alpsee wurde die Ankunft Lohengrins inszeniert. Dazu hatte der kgl. Hoftheater-Maschinist Hans Penkheimer ein Schiff in Form eines Schwans konstruiert, das durch einen Unterwasser-Kettenantrieb quer über den See gezogen wurde. Inmitten des hölzernen Schwans stand als Lohengrin kostümiert kräftig singend Ludwigs Adjutant Prinz Paul von Thurn und Taxis, unterstützt durch eine verborgene Musikkapelle. Bengalisches Feuer tauchte das Spektakel in zauberisches Licht. Auch Richard Wagner war ein häufiger Gast in Hohenschwangau. Im Hohenstaufen-Zimmer spielte er dem ergriffenen jungen König Klavierauszüge seiner Opern vor.

Schloss Hohenschwangau hat sich als einmaliges Baudenkmal der Romantik erhalten.

 

Max Zwoa: Königlicher Weitwanderer

Schon als Kronprinz hatte Maximilian das bayerische Alpenvorland durchwandert und den trefflichen Schriftsteller Joseph Friedrich Lentner beauftragt, „Sitte, Tracht und Tradition des bayerischen Hochlands und des Vorlands“ genau aufzunehmen und zu beschreiben, was dieser auch anno 1849 in 39 eng beschrifteten Folienheften aufs Beste ausführte. Lentners Werk ist die grundlegende Quelle für das oberbayerische und alpine Brauchtum. Er beschreibt u. a. Tanzböden, auf denen es zwischen „Buben und Dirndln“ recht ungezwungen zuging und ländliche Lustbarkeiten mit „Juchzen, Aufstampfen, Pfeifen und Lärmen unter Einsatz aller Instrumente“. Im Bestreben, alle Winkel seines Landes kennenzulernen, besuchte Max II. 1848 Reichenhall und wurde in der neu errichteten Saline feierlich empfangen.

1858 unternahm Max II. seine berühmte Bergwanderung quer durch die Allgäuer und die Bayerischen Alpen von Lindau nach Berchtesgaden. Vom 20. Juni bis zum 27. Juli 1858 dauerte die königliche „Fußreise“ mit wechselndem Gefolge von Wissenschaftlern, Schriftstellern, Malern und örtlichen Honoratioren – per Droschke, zu Pferd, in Sänften, aber lange Strecken auch zu Fuß. Bei Regen erschien der König „durch einen enganliegenden Gummimantel nebst entsprechender Kopfhülle wasserdicht verpackt“.

Am 4. Juli 1858 erreichte man Linderhof, dann folgten Garmisch, Mittenwald und die Vorderriß. Im Geigenbauort Mittenwald bewunderte man „die Kunst, den mächtigen Fichten auf den Berghängen des Karwendel Musik zu entlocken“. Am 10. Juli 1858 erblickte der König samt Gefolge den Achensee und nächtigte im Gasthof Scholastika. In den folgenden Tagen wurden Rottach, Bayrischzell und der Schliersee erwandert bzw. erfahren. Rosenheim, Brannenburg, Neubeuern, Kufstein, Reit im Winkl und Ruhpolding waren die nächsten Etappen. Am 23. Juli ließ man sich auf die Chiemseeinseln rudern. Den Ausklang bildeten die Besuche in Aschau, Kössen, Ramsau und letztlich in Berchtesgaden, wo Königin Marie die Bergfahrer erwartete.

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königliche Bergfahrt

Bewusst suchte der Monarch dabei Kontakt zu seinem Land- und Bergvolke. Wie auch umgekehrt: Nach der Erklimmung des Wendelsteins vernahm er auf dem Gipfel weitjuchzende Jodler. In Miesbach werden dem Staunenden und seiner Entourage Schuhplattler offeriert. Heimgarten und Herzogstand, Benediktenwand, Partnachklamm, der Isarwinkel mit Lenggries, Nussdorf am Inn, die Kampenwand, Bayrischzell, Ruhpolding und natürlich Watzmann und Königssee werden nun in ganz Bayern und darüber hinaus bekannt.

Wir können heute der königlichen Route auf dem „Maximiliansweg“, einem 370 Kilometer langen Fernwanderweg vom Bodensee bis zum Königssee, folgen.

Der wissbegierige König ließ in diesem Zusammenhang Volkslieder sammeln und Volkstrachten zeichnen. In das 1855 gegründete Bayerische Nationalmuseum wurde auch viel Kunst- und Kulturgut aus Oberbayern überstellt. Bei Max II. ist bereits eine gewisse München-Flucht zu erkennen. Viel Zeit verbrachte er auf Schloss Hohenschwangau und in Schloss Berg am Starnberger See. 1839 erfreute sich der Eibsee des allerhöchsten Besuches seiner kgl. Hoheit. Zum Dank erhielten zwei Felseneilande im grünen Eibsee neue Namen: die Maximiliansinsel und die nach Maxens Vater benannte Ludwigsinsel.

Max II. litt an diversen Krankheiten und sollte sich auf ärztlichen Rat viel in der freien Gebirgsnatur bewegen, was der König beflissen befolgte. In den Voralpen um Ettal, Garmisch und Mittenwald ließ er seit etwa 1835 eine Reihe von schlichten Jagdhütten errichten, sogenannte Pirsch- oder Pürschhäuser. Er war passionierter Jäger und nutzte die Pirschhäuser, um bei der Hochgebirgsjagd zu übernachten. An seine Pürsch erinnern heute noch die Pürschlinghäuser (1565 m) am Brunnenkopf über Linderhof.

Um die Bergbesteigungen zu erleichtern, durchzog bald ein Geflecht von Reitwegen das Voralpengebiet. 1850 ließ Max II. auf dem Bergrücken zwischen Walchensee und Isartal die Hochkopfhütte als Jagdhaus erbauen. Der eingeschossige, vollständig mit Holzschindeln verkleidete Bau mit Veranda steht heute unter Denkmalschutz.

Am Herzogstand, einem der ältesten Jagdgebiete der Wittelsbacher, folgte 1857 ein Jagdhaus. Gern ließ sich der König auf die Felseninsel Sassau im Walchensee rudern. Dort erwartete ihn inmitten der zerfallenen Fluchtburg der Benediktbeurer Mönche ein Gabelfrühstück mit Kaffee. Gefastet wurde dabei nicht: Des Königs Wunsch sind drei weich gekochte Eier, ein zart gebratenes Huhn mit einigen Erdäpfeln à la maitre dʼHotel und Spinat, dazu Rotwein und Sauerbrunnen, nachher Caffee.“

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König Max auf einem Bergschlitten

Weit entfernt vom königlichen Hof in München lag die auf Geheiß Max II. 1848 erbaute Hofjagdhütte auf der 1540 Meter hoch gelegenen Regenalm hoch über dem Obersee (Königssee) mit Sicht auf das Watzmannmassiv. 1853 und 1856 wird von Treibjagden berichtet, bei welchen das Wild durch Hunde in den Obersee gehetzt wurde, wo die königliche Jagdgesellschaft in Kähnen wartete. Seiner Majestät gelang es dabei, mehrere starke Hirsche von zehn Enden zu erlegen.

Den sozialen Fragen gegenüber zeigte sich Max II. aufgeschlossen. Auf ihn gehen die ersten geräumigen Wohnanlagen für Arbeiter in München zurück. Zeitlebens wurde der König indes von schweren Depressionen heimgesucht, woran auch seine unternehmungslustige Gattin Marie Friederike von Preußen nichts zu ändern vermochte. Sein früher Tod hinterließ 1864 eine gewaltige Lücke, war doch der Thronfolger Ludwig II. erst 18 Jahre alt.

 

Königin Marie geht in die Berge

Marie von Preußen, Kronprinzessin von Bayern, Königin und Königswitwe von Bayern verdient als Gebirgsfreundin und Bergsteigerin  ein eigenes Kapitel.

Ihr Leben zwischen ihrer Geburt 1825 in Berlin und ihrem Tod 1889 in Hohenschwangau spielte sich zuvörderst in Bayerns Bergen ab. In Berlin verlebte sie Kindheit und frühe Jugend mit Ausflügen ins sommerliche Riesengebirge, wo sie ausgedehnte Wanderungen unternahm. Die Verehelichung der 17-jährigen Hohenzollern-Prinzessin mit dem 31-jährigen bayerischen Kronprinzen Maximilian II. im Jahr 1842 war zwar politisch-dynastisch bedingt, scheint aber auf Gegenseitigkeit beruht zu haben – auch was den Aufenthalt in den „freien Bergen“ betraf. Anlässlich einer Fahrt von Hohenschwangau auf den Achsel, einen aussichtsreichen Vorberg in den Vilser Alpen, stiftete die 19-jährige Kronprinzessin den Alpenrosen-Orden. Er sollte hochgestellte Damen für die Bergwelt begeistern.

1845 kam Ludwig, 1848 Otto zur Welt – beides tragische Figuren. Mit den königlichen Eltern waren beide Knaben oft in den Bergen unterwegs. Der 2048 Meter hohe Säuling über Hohenschwangau war sozusagen der Hausberg der Königsfamilie, in dreieinhalb Stunden erreichten sie die Bergspitze. Marie nahm persönlich an den Alpenwanderungen ihres Gemahls und an der fünfwöchigen Fahrt- Reit- und Wanderreise von Lindau bis Berchtesgaden teil, genoss die Bergwelt und entschloss sich, auch selbstständige „Fußreisen“ zu unternehmen. Bestiegen wurden u. a. Tegelberg, Aggenstein, Kellenspitze, Gehrenspitze und der durchaus schwierige Thaneller.

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Königin Marie in Bergkleidung

Dazu ließ sich Königin Marie eigene Lodenröcke, Lodenhosen, dehnbare Schnürmieder und Lederstiefel anfertigen. In steileren Wänden warf sie den Rock ab und kletterte in Hosen weiter. Nur mit dem Bergführer. Eigentlich ein Skandal! Mit Miesbacher Stopselhüten und Wanderstöcken wurden auch ihre Hofdamen ausgestattet. Kutschfahrten, Reitpartien und Fußwanderungen führten sie zu vorbereiteten Picknickplätzen mit weiter Aussicht Aber auch anspruchsvolle Ziele rund um den Königssee standen auf ihrem Programm: das Wimbachtal, die Eiskapelle, der Untersberg, 1854 erklomm die Königin schließlich mit 30köpfiger Entourage den Watzmann. Der Weg führte von der Ramsau zur Grubenalpe, wo übernachtet wurde, und weiter zum Gipfel des Hochecks.

Zur Begleitung der königlichen Wanderschaft wurde bisweilen der Literaturpreisträger Paul Heyse erwählt. Er erinnerte sich: „Oft aber brach man zu größeren Ausflügen schon früh am Tage auf, fuhr etwa in einer schön geschmückten großen Barke über den Königssee nach Bartholomä, – wo die Kirchweih das Gebirgsvolk von weit her zusammengeführt hatte, oder sah dem – nassen und trockenen – Holzsturz zu, bei dem riesige Stöße geschlagener Fichtenscheite, die auf der Höhe eines jäh abfallenden Felsens aufgeschichtet waren, durch einen gestauten Wildbach, dem plötzlich das Wehr weggezogen wurde, oder durch das Abschlagen der Stützen die ungeheure Wand hinab in den See geschleudert wurden.“

Die Zugspitze blieb der Königin zu Lebzeiten ihres Gatten zunächst verwehrt, da jener generell das Klettern als unziemlich für eine Fürstin und Landesmutter erachtete. Ob sie später wirklich auf der Zugspitze gestanden hat, oder sie nur von Partenkirchen aus erschaut hat, geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor.

Königin Maries Bergbegeisterung ging auf ihre Nichte Therese über, die Tochter des späteren Prinzregenten Luitpold von Bayern, bei ihr nun aber gepaart mit ernsten wissenschaftlichen Interessen. Prinzessin Therese von Bayern (1850–1925) durfte gegen Ende ihres Daseins mit Recht sagen: „Ich habe mich im Leben vor nichts gefürchtet!“ Sie war im Kaukasus und in Mittel- und Südamerika unterwegs gewesen, überstieg Hochgebirgspässe und erkletterte einsame Gipfel, leitete Expeditionen und sammelte exotische Pflanzen und Tiere. Geweckt worden war ihr Forscherinnendrang indes als Kind am Fuß des Watzmanns und später in den Allgäuer und Ammergauer Alpen.

Die Konzentration der von den Wittelsbachern initiierten Fremdenverkehrszentren zuvörderst im bayerischen Oberland, im Chiemgau und im Hochland hatte zur Folge, dass die gebirgsfernen Regionen Oberbayerns in der Wahrnehmung von außen marginalisiert wurden. Zu Ludwigs Thomas Zeiten noch galt das Dachauer Land als mit Brettern vernagelt und das Erdinger Moos als entrische Öde, wo sich Füchs’ und Hasen Gute Nacht sagen, während sich der Münchner Süden der großen Welt öffnete.

Über den Autor

Dr. phil. Michael W. Weithmann ist Jahrgang 1949 und wuchs in Augsburg und München auf. Bereits während seiner Gymnasialzeit war er viel in den Bayerischen Bergen unterwegs und erkundete dort besonders Burgen und Schlösser. Nach seinen Studien der Geschichte in Wien und München war er als Wissenschaftlicher Bibliothekar an der Staatsbibliothek München und an der Universität Passau tätig.

Er ist Autor zahlreicher Publikationen zur bayerischen Geschichte. Seine „Kleine Geschichte Oberbayerns“ geht 2023 in die 4. Auflage. Überregionale Bedeutung erlangte seine Monographie: Die Donau. Geschichte eines Europäischen Flusses.

Das Buch „Die Bayerischen Alpen – Landschaft, Geschichte und Kultur zwischen Salzach und Lech“, 2022 erschienen im Verlag Friedrich Pustet, erzählt die Geschichte dieser Landschaft – von den Anfängen menschlicher Besiedlung bis zu den Entwicklungen im 20. Jahrhundert. Der Autor ordnet in großen Linien die spannungsreiche Ereignis- und Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen in den europäischen Kontext ein.

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Weitere Links

Wie die Schweizer Alpen zum Reiseziel wurden, erzählt Gastautorin Barbara Wernli in diesem Artikel

Zum älteren Sohn des Königspaares Max II. und Marie, dem „Märchenkönig“ Ludwig II. sind diese beiden Artikel von Gastautor Marcus Spangenberg erschienen:

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