Was kosteten Lebensmittel? Vom Kilo Brot zum Pfund Zucker
2. Teil Serie „Was kostete wieviel?“ – Von Waren und Preisen
Hier geht es zur Einführung und dem 1. Teil „Das liebe Geld“
Im Vergleich zu damals (z.B 1900) haben sich einige Preise und Kosten zum heutigen Leben verändert. Starten wir mit einigen Preise für Grundnahrungsmittel aus den Werbungen damaliger Zeitschriften. Zumindest für mich überraschend: Sogar diese konnten damals schon aus Katalogen per Post bestellt werden – „franko gemäß Prospekt“ – wie es dazumal so schön hieß! Franko bedeutete übrigens portofrei für den Empfänger.
Was kosteten Mehl, Salz und Zucker 1900?
Eine damals gebräuchliche Mengenangabe war das Pfund. Ein Pfund Zucker kostete also ca. 9 Pfennig, Salz 5 Pfennig, Reis 10 Pfennig und 1a Mehl 15 Pfennig, so annonciert vom „Deutschen Waren-Einkaufs-Verein Berlin“ 1907.
Schauen wir auf diese Werbung, müssen wir noch kurz auf die „Schweden 10 Schacht.(eln) 5 Pf“ eingehen. So wurden damals Streichholzschachteln bezeichnet, die überwiegend aus Schweden kamen – die schwedische Zündholzindustrie hatte sich ein entsprechendes Patent gesichert.
Würde man heute eine Schachtel „Schweden“ verlangen, hätte man wohl einen verdutzten Verkäuferblick sicher…
Auch Wurst war per Versand bestellbar, z.B. bei der Vogt & Wolf AG aus Gütersloh – nach Eigenaussage die „grösste Fabrik Deutschlands feiner Fleischwaren“.
In jedem Fall war die Firma kundenfreundlich: „Was nicht gefällt, nehmen wir zurück (auch angeschnitten)(!) und erstatten den dafür gezahlten Betrag“. In der Anzeige mit der Dame, die schwungvoll ein Tablett mit Wurst serviert, kostet das Pfund Wurst zwischen 1 und 1,30 Mark, gleichfalls der „sehr beliebte“ Schinken.
Wie viel kosteten Fleisch und Brot damals?
Für Fleisch und Brot schauen wir mal in das „Statistische Jahrbuch für Württemberg“ von 1903, welches die „durchschnittlichen Markt- und Ladenpreise“ verschiedener Lebensmittel seiner 51 Gemeinden angibt.
Sie wurden für jede Gemeinde -von Aalen bis nach Zuffenhausen- in kg angegeben. Ein Kilo Ochsenfleisch kostete z.B. in Stuttgart, einem eher teuren Pflaster 1,48 M, im kleineren Nürtingen dagegen 1,36 M. Ähnlich im Preis war Kalbfleisch. Rind- und Schweinefleisch waren mittelpreisig, das kg kostete hier etwa 1,35 M, während Hammelfleisch mit ca. 1,20 M am günstigsten war. Wie wir hier schon sehen, waren die Unterschiede nicht riesig.
Auch für Wochenmärkte gab es eine Aufstellung mit -typisch deutsch sperrigen- „Jahresdurchschnittspreisen“. Wenn sich die schwäbische Hausfrau oder ihr „Mädchen“ also mit dem Korb zum Markt aufmachte, zahlte sie für das Kilo Bohnen 37 Pfennig, Weißbrot 26 Pfennig und Kartoffeln ca. 7-10 Pfennig, was tatsächlich ihren Ruf als „Essen für arme Leute“ bestätigt. Dagegen waren Schmalz und Butter mit mit ca. 2 Mark pro Kilo richtig teuer. Bei Butter wurde noch in „süße“ und „saure“ unterschieden – süße war etwas teurer. In Württemberg kostete ein Liter Milch 1903 ca. 15-20 Pfennig und 10 Eier 70 Pfennig.
Vergleichen wir die eben genannten Preise von 1903 mit Preisen aus dem gleichen statistischen Handbuch, nur von 1913 – so kann man sagen: ja, die Preise waren gestiegen -manche mehr und manche weniger, aber nicht entscheidend.
Nachdem wir erfahren haben, zu welchen Preisen die berühmte schwäbische Hausfrau auf dem Markte und im Laden einkaufte, schauen wir einmal über den Tellerrand nach Österreich-Ungarn.
Wie hat man seine Kosten damals erfasst?
Als rührendes Zeitdokument liegt mir ein handgeschriebenes Wirtschaftsbuch von 1907 vor. „Mit Gott“ steht auf der ersten Seite – aber leider kein Name. Akribisch sind in Sütterlinschrift Preise für alle Waren in der Spalte „Ausgaben“ notiert, die linke Spalte war für Einnahmen gedacht. In unserem Fall war es das Wirtschaftsgeld für die buchführende Hausfrau, welches sich 1907 monatlich zwischen 80 und 120 Kronen bewegte und in den Folgejahren (die Eintragungen gehen bis 1911) bis ca. 140 Kronen stieg. Blieb Geld am Monatsende übrig, wurde es entweder in den nächsten Monat mitgenommen, z. B. „übrig geblieben vom Mai 4 Heller“. Oder, falls es mal ein etwas grösserer Betrag wie z.B. 10 Kronen war, kam das Geld auf das Sparbuch – auch das fein säuberlich notiert. Manchmal gab es auch den Fall, daß die Ausgaben höher als das Wirtschaftsgeld waren – dann gab es einen „Vorschuß“, dessen Höhe gleichfalls notiert wurde.
Die Familie hatte ein oder mehrere Kinder und es ist zu vermuten, daß sie aus dem kleinbürgerlichen Milieu kam. Obwohl überwiegend Grundnahrungsmittel gekauft wurden, gab es auch Ausgaben für „Gebäck“, Obst und Kaffee, was nicht allzu bittere Armut hindeutet. Daß die Familie jedoch sparsam sein mußte, sieht man daran, daß die Besitzerin des Haushaltsbuchs die Einzelposten von Einkäufen in winziger Schrift darüber schrieb. Wenn also bei Ausgaben 1,30 Kronen stand, so stand über den Einzelposten „Milch“ eine kleine 40 , über „Gebäck“ 25 und bei „Brot“ 65 Heller.
Da unser Buch aus Österreich, genauer dem damaligen Österreich-Ungarn ist, war dessen Währung nicht Mark und Pfennig, sondern Krone und Heller. Eine Krone entsprach dem Wert von ca. 0,85 Mark. Und bei der so detaillierten Buchführung fehlen die Mengenangaben. Wieviel Milch, Butter, Äpfel, Gebäck etc. die Dame genau kaufte, ist leider nicht übermittelt.
Was jedoch als Eindruck aus allen Quellen bleibt: Die Preise der Grundnahrungsmittel lagen bei gebräuchlichen Mengen eher im Pfennig- (oder hier Heller-) bis niedrigen Mark-(Kronen-)Bereich.
Wofür gab es Statistische Hand- oder Jahrbücher?
Wir hatten oben schon mal der schwäbischen Hausfrau beim Einkauf über die Schulter geschaut. Für eine Abrundung des Ganzen, wie sich die Preise Anfang des 20. Jahrhunderts im deutschen Reich entwickelten, habe ich in einer Aufstellung die Lebensmittelpreise in Württemberg aus den Statistischen Handbüchern des Königreichs Württemberg von 1903 und 1912 mit den Preisen des Königreichs Preußen (als weitaus größter Bundesstaat) gleichfalls für 1912 verglichen.
Statistische Hand- oder Jahrbücher gab es für alle größeren damaligen Bundesländer, allerdings waren sie inhaltlich nicht identisch. Im Statistischen Jahrbuch für das Königreich Sachsen standen z.B. überhaupt keine Lebensmittelpreise (zumindest nicht im Jahrgang für 1910), in den verglichenen Jahrbücher wurden teilweise nicht die identischen Waren und deren Preise aufgeführt, und auch unterschiedliche Gewichte (einmal Pfund, einmal Kilo) und Zählmasse (Schock – das waren 60 und 10) verwendet – die habe ich durch Umrechnung angeglichen.
Die Aufstellung ist dazu gedacht, ein Gefühl für die Preise zu bekommen. Teilweise gibt es Leerstellen. Warum? Weil in den Württemberg Büchern leider keine Preise für geräucherten Schweineschinken standen. Manchmal standen auch zwei Qualitäten im Buch, z.B. wurde in Württemberg für Linsen noch in „Große oder Heller-„ und „mittelgroße“ unterschieden. Weiterhin teilte man Waren in unterschiedliche Qualitäten ein, z.B. wurde in Preußen „ausländisches“ und „einheimisches“ (war etwas teurer) Schweineschmalz gesondert aufgeführt.
Hier habe ich immer den Durchschnittspreis genommen, damit es nicht zu verwirrend und umständlich wird und vor allem: vergleichbar.
Die kursiven Zahlen bei Württemberg sind die der Stadt Stuttgart – für „Hausnummern“ alle Durchschnittspreise von 29 aufgezählten Gemeinden mit ihren Preisen auszurechnen, fand ich nicht notwendig…
Ausgewählte Preise Grundnahrungsmittel (von Königreichen Württemberg und Preußen)
in Mark und kg
wenn nicht anders angegeben
Bsp.1: 1 kg Schweinfleisch kostete 1903 in Württemberg im Durchschnitt 1,41 Mark.
Bsp.2: Für 1kg Linsen war der Durchschnittspreis 1912 in Preußen 0,47 Mark, also 47 Pfennig.
Für die mit einem * markierten Waren wurde für 1912 der Preis der Stadt Stuttgart verwendet.
Stat. Handbuch Württemberg | Stat. Jahrbuch Preußen 1912 | ||
---|---|---|---|
Ware | 1903 | 1912 | 1912 |
Rindfleisch* | 1.33 | 1.89 | 1.55 |
Ochsenfleisch* | 1.48 | 1.96 | |
Kalbfleisch* | 1.54 | 1.98 | 1.74 |
Hammelfleisch* | 1.26 | 1.61 | 1.66 |
Schweinefleisch* | 1.41 | 1.85 | 1.61 |
Roßfleisch (Pferdefleisch) | 0.74 | ||
1 Gans | 4.66 | ||
1 Ente | 2.32 | ||
1 Huhn | 1.53 | ||
geräucherter Schweineschinken | 2.64 | ||
Schweineschmalz | 1.39 | 1.48 | 1.585 |
Eßbutter (süss)* | 2,34 | 2.95 | 2.62 |
Butter sauer* | 1.99 | 2.5 | |
Margarine | 1.7 | ||
Weißbrot (Semmel) | 0.26 | 0.31 | 0.54 |
Roggen-Graubrot/ Schwarzbrot | 0.21 | 0.38 | 0.32 |
Eier* | 0,67 (10 Stück) | 0,78 (10 Stück) | 4,83 (ein Schock=60 Stück) |
Preis umgerechnet für 1 Ei | 0.07 | 0.08 | 0.08 |
Vollmilch (1 Liter) | 0.18 | 0.21 | 0.19 |
Kocherbsen (gelb)* | 0.42 | 0.52 | 0.37 |
Speisebohnen (weiße) | 0.37 | 0.4 | 0.38 |
Linsen | 0.36 | 0.5 | 0.47 |
Eßkartoffeln* | 1 dz 7,22 entspricht 0,07 | 0.13 | 0.08 |
Nudeln* | 1.32 | ||
Mehl | 0.33 | 0.4 | |
Zucker | 0.62 | 0.56 | |
Reis (Durchschnitt) | 0.56 | 0.6 | |
Salatöl (Mohnöl)* | 1.3 | ||
Salz* | 0.1 | ||
Sauerkraut | 0.22 | ||
Zwetschen* | 0.56 |
Weiterhin erschienen sind in der Serie zu Preisen:
3. Teil „Genußmittel: Vom Bohnenkaffee zur Zigarette“
4. Teil „Drogerieartikel: Von Seife zum Klosettpapier“
Wer wissen möchte, wer damals wieviel verdiente -nicht ganz unwichtig zur Beurteilung der Preise- , kann hier „Löhne und Gehälter im Kaiserreich“ nachlesen.