Eine Rückschau auf „Laß mich allein“ und eine Vorschau auf die nächste Fortsetzungsgeschichte
Alle Leser, die diesen Roman noch nicht gelesen haben, aber lesen wollen, sollten diesen Artikel nicht lesen (Achtung Spoiler!). Hier kann man die Fortsetzungen lesen.
Wenn wir ein Ende wählen könnten, ob nun für einen Roman oder Film, würden wir wohl meistens das „Happy End“ wählen – auch dann, wenn es eigentlich unrealistisch ist.
Für den Roman „Laß mich allein“ von Julia Jobst gibt es tatsächlich zwei alternative Endfassungen, die in den letzten beiden Wochen veröffentlicht wurden.
Das erste Ende ist das „Happy End“, welches als Ende des Fortsetzungsroman in der Wochenzeitschrift erschien. Es ist das unrealistischere Ende, wenn wir ehrlich sind. Ehemann Jürgen hat den überhasteten Abstieg bei schlechten Wetter von der Berghütte ins Tal überlebt, ist danach nach Indien zu seinem Freund Ewers gegangen und es gibt – wiederum auf der Berghütte – ein Wiedersehen mit Marianne und sie lebten als Mann und Frau glücklich bis an ihr Ende…
Was die Autorin bewogen hat, im Buch ein anderes, realistischeres Ende zu wählen? Wir können es nur vermuten. Nicht alle Romane und Geschichten, die als Fortsetzungsromane erschienen, wurden danach als Bücher veröffentlicht. Entscheidende Kriterien für eine Veröffentlichung als Buch waren sicherlich, wie gut die Romanstoffe bei den Lesern ankamen und auch, wie namhaft der oder die Autor(in) war.
Vielleicht war es auch eine Entscheidung in Abstimmung mit den Lektoren, denn das andere zweite (Buch-)Ende ist realistischer und offener. In diesem Ende kommt Ehemann Jürgen in den Bergen beim Abstieg von der Hütte um. Er kann sich zwar noch in eine kleine Höhle retten und einen herzzerreißenden Abschiedsbrief an Marianne schreiben, stirbt dann aber. Erst ein Jahr später wird er gefunden, zu der Zeit, als Marianne und Hans Ewers, Jürgens Freund aus Indien, sich dort treffen. Ewers schlägt Marianne vor, ihn nach Indien zu begleiten und dort für eine Weile zu leben, was sie dankend annimmt. Sie sieht in ihm einen Freund, er kann sich mehr vorstellen. So dieses Ende.
Interessant ist hier, dass Indien als Land dargestellt wird, in dem die Beziehung zwischen Mann und Frau ebenbürtiger ist.
Wie schon in diesem Artikel angesprochen, ist tatsächlich eine wichtige Frage, die im Roman bis zum Ende immer wieder auftaucht, die Stellung der Frau:
Ist ihre Bestimmung wirklich nur Ehefrau, Hausfrau und Mutter?
Kann sie dazu auch noch beruflich tätig sein und andere Ambitionen verfolgen?
Sind Frau und Mann ebenbürtig oder soll sich die Frau unterordnen?
Diese Fragen werden nicht eindeutig beantwortet, ABER sie werden schon einmal diskutiert. Sie beschreiben die Entwicklung in diesen Jahren, in denen viele Frauen nach mehr Bildung, einer Ausbildung bzw. einer Berufstätigkeit streben – manche, weil sie sie es aus finanziellen Gründen einfach müssen, andere, weil sie sich mit ihrer bisherigen Rolle in der Gesellschaft nicht zufrieden geben wollen. Zeugnisse davon sind die Aktivitäten, welche Frauen mehr Rechte einräumen sollen, so das Wahlrecht – hier sind die Sufragetten in England maßgeblich, aber auch eine Frauenbewegung in Deutschland kämpft dafür.
Natürlich ist Marianne, die Hauptfigur, in zweierlei Hinsicht keine typische bürgerliche Frau dieser Zeit, was die Diskussion in ihrem Fall einfacher macht. Sie hat keine Kinder, die Funktion als Mutter als Argument gegen eine Berufstätigkeit fällt also weg. Und sie ist durch eine Erbschaft, welche ihr zu Beginn des Romans zufällt, auf einmal vermögend.
So ist sie in keinerlei finanzieller Abhängigkeit von ihrem Ehemann Jürgen und müßte sich mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit auch im Falle einer Trennung (die ja im Raum schwebt) nicht ihren eigentlichen Lebensunterhalt verdienen.
Vermögende Frauen kommen in den Romanen dieser Zeit häufiger vor, meist als (lustige) Witwen. Sicher kein Zufall, denn diese Frauen hatten aufgrund ihres Vermögens und ihrer Stellung (als Witwen) mehr Freiheiten als die klassische verheiratete Frau mit Kindern. Sie hatten die Freiheit, ihren Lebenswandel so zu gestalten wie sie wollten und auch die Freiheit, einen Partner nach eigenem Ermessen zu wählen – so wie auch Marianne im Roman in der Versuchung ist, eine Verbindung mit dem mittellosen Schriftsteller Hartmut Raven einzugehen. Und dazu wenig Pflichten. Sicherlich verkörperten diese Witwen eine gewisse Sehnsucht der „normalen“, verheirateten bürgerlichen Frauen nach diesen Freiheiten.
Und sonst? Hat der Roman alles, was zu einem gelungenen Fortsetzungsroman gehört: Eine Mischung aus Herz, Schmerz, Liebesverwicklungen und Spannung. Oder? Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir Eure Meinung dazu schreibt, ob als Kommentar oder E-Mail.
Als nächste Fortsetzung startet Ende Juni die sommerlich leichte und lustige Geschichte „Der falsche Trauring“ von Else von Steinkeller. Es geht um zwei junge Frauen, die an den Vierwaldstättersee in den Urlaub fahren – zum ersten Mal allein. Im Zug begegnen ihnen zwei junge Herren und daraus ergeben sich – Ihr ahnt es schon – allerlei lustige Verwicklungen.
Entspannt zu lesen in der Sommerfrische!
Herzlichst
Eure Grete