Was geschah im Juni 1911?

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Der englische König wird gekrönt

Im Mai hatten wir hier über den privaten Besuch des Kaiserehepaars nebst Tochter Victoria Luise berichtet. Zur Krönungszeremonie von König Georg V. im Juni war das Kronprinzenpaar angereist. Bedeutete das etwas, dass Wilhelm II. der Zeremonie nicht höchstselbst beiwohnte? Heute würde wild spekuliert – damals dem aber keine größere Bedeutung beigemessen – jedenfalls habe ich keine schriftlichen derartigen Äußerungen gefunden…
Bis heute genießen Feierlichkeiten der britischen Königsfamilie eine große mediale Aufmerksamkeit – ob Hochzeiten, Trauerfeiern oder Fernsehinterviews. Damals war das ganz ähnlich – allerdings beschränkte sich die Berichterstattung auf die Tages- und Wochenzeitschriften. „Die Woche“ erzählt dazu:

Die englische Königskrönung ist so majestätisch verlaufen wie nur je eine große Staatszeremonie dieser Art. Für die britischen Patrioten bedeutet der 22. Juni die symbolische Vereinigung des britischen Weltreichs mit seinem neuen Herrscher, für die große Menge der Londoner und für die vielen Fremden vor allem ein Schauspiel von unerhörtem Prunk.“

Wie verliefen nun die Feierlichkeiten? Sie fanden an zwei Tagen statt. Am ersten Tag zog man in drei Zügen vom Buckingham Palace zur Krönungskirche Westminster Abbey. Die adeligen Vertreter des Auslandes kamen in immerhin 14 Kutschen zuerst, danach die Mitglieder der königlichen Familie und zum Schluss das Königspaar in einer von acht Isabellen (Pferde mit goldgelben Fell, auch Palominos genannt) gezogenen Galakarosse. Der Krönung selbst konnten „nur“ 7000 erlesene Gäste beiwohnen, wie „Die Woche“ weiter erzählt. Nachdem das Königspaar zu den Staatssesseln unterhalb der Fürstenloge geleitet worden war, schritten

„…der Erzbischof von Canterbury mit dem Lord-Kanzler, dem Lord-Oberkonstabler, dem Earl-Marschall und dem Hosenband-Wappenkönig zu den vier Seiten der Bühne und präsentierten den König dem Volk.“

Streng höfisches Protokoll eben! Das Volk jubelte nach dem Akt seinem nunmehr gekrönten Königspaar (der König mit Krone, Zepter und Schwert) zunächst in den Straßen und dann vor dem Buckingham-Palast zu – von „vier Millionen Neugierigen“ wird gesprochen.

Am zweiten Tag gab es eine Prozession mit einem stärkeren militärischen Charakter durch die ganze Stadt – neben britischen marschierten auch deutsche und österreichische Regimentsabordnungen mit…
Wenige Jahre später sollten sie dann (leider) gegeneinander marschieren….

Deutscher Rundflug – die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten!

Dass Fliegen als Sport faszinierte, wird durch die vielen Berichte darüber in den Zeitungen und Zeitschriften deutlich! Die Piloten, zu dieser Zeit Aviatiker genannt, waren mutige Männer – und lebten gefährlich. Denn Berichte von neuen Rekordtaten wechselten sich mit Berichten über Abstürze ab. Den ersten deutschen Rundflug 1911 bezeichnen Fachleute gerne als Beginn der deutschen Luftfahrtgeschichte.
Aber von vorn: Eingeleitet wurde der Wettbewerb, welcher auf dem Flughafen Johannisthal bei Berlin startete, von der „Nationalen Flugwoche“. Der Auftakt endete tragisch: Bei einem Weltrekordversuch im Höhenflug stürzten der Pilot Georg Schendel und sein Passagier, der Fluglehrer A. Voß, ab. Er erreichte zwar den Rekord, gelang mit seinem Passagier jedoch nicht lebend zurück. „Ein Defekt in der Steuerung verursachte die furchtbare Katastrophe“ hieß es in der Zeitschrift „Die Woche“ dazu. Schendel wäre auch ein Favorit für den Rundflug-Wettbewerb gewesen.

Am 11. Juni startete dann der eigentliche Wettbewerb mit 25 Teilnehmern. Die Woche berichtete:

„Vormittags starteten von 25 Konkurrenten sieben, unter denen allein Otto Lindpaintner ohne Zwischenfall in Magdeburg, der ersten Etappenstation, ankam. Die andern erlitten nach kürzerem oder längerem Flug kleine Unfälle und mußten vorzeitig landen. Am Abend erfolgten noch vier Starts, die aber nur formelle Bedeutung hatten.“

Das Preisgeld war übrigens gewaltig – 100.000 Mark stiftete allein die B.Z. (Berliner Zeitung) für den „B.Z. Preis der Lüfte 1911“. Weitere Sponsoren (würde man heute sagen) folgten und am Ende war ein Preisgelde von 400.000 Mark zusammengekommen.
Gewaltig war aber auch die Route! Kein Flieger absolvierte alle Etappen und die gesamte Flugstrecke von 1856 Kilometern. Der Rundkurs war in Tagesetappen eingeteilt, sie durften aber nicht mehr als 200 Kilometer betragen.

Etappensieger wurde, wer die jeweils vorgegebene Strecke (z.B. nach Magdeburg) am schnellsten flog, Gesamtsieger, wer die meisten Kilometer der Gesamtstrecke zurückgelegt hatte.

Für die teilnehmenden Aviatiker war der Rundflug eine harte Prüfung. Geflogen wurde bei jedem Wetter, die Flugmotoren waren anfällig und die Erfahrung mit Überlandflügen der meisten Piloten gering. Und so grenzt es fast an ein Wunder, dass es trotz vieler Notlandungen zu keinen ernsten Unfällen kam.

 

Die Begeisterung der Bevölkerung für „tollkühnen Männer“ war übrigens riesig – zu den Flughäfen bewegten sich Menschenmassen, es kamen viel mehr Zuschauer als erwartet – etliche davon sahen zum ersten Mal in ihrem Leben ein Flugzeug!
Am Ende gewann Benno König mit Begleiter Leutnant Koch – er hatte die weiteste Strecke zurückgelegt, wieviel es genau war, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Die „Sonntagszeitung“ spricht von 1506 km und bringt als Vergleich dazu: „eine Strecke, die etwa der Eisenbahnstrecke Eydtkuhnen-Berlin-München entspricht“.
Noch nie etwas von Eydtkuhnen gehört? Ich bis dato auch nicht! Aber kein Wunder, der Ort war ein Grenzbahnhof im ehemaligen Ostpreußen, liegt heute in Russland an der Grenze zu Litauen und heißt nunmehr Tschernyschewskoje.

Über den Sieger König berichtete die Zeitung:

 

„…der mit Ausnahme der Etappen Hannover-Münster und Münster-Köln alle Etappen absolvierte. Bei dem Fluge zeichnete sich König ebenso wie Büchner (der Drittplatzierte) besonders dann, wenn die Witterungsverhältnisse oder das Gelände bedenklich wurden, durch Vorsicht und Besonnenheit aus.“

Der Vollständigkeit halber: der Zweitplatzierte Vollmöller legte 1470, der Dritte, Büchner, 1091 Kilometer zurück. Von den 25 Teilnehmern kamen nur acht überhaupt wieder auf dem Zielflughafen Berlin-Johannisthal an. Ein wichtiges Ziel hatte der Rundflug aber auf jeden Fall erreicht: den Flugsport in Deutschland populärer zu machen!
Wer jetzt noch mehr zur Geschichte des Rundflugs erfahren möchte – unter diesem Link des Deutschen Aero Clubs gibt es eine Chronik.

 

Aus Adelskreisen

Verlobung in der K&K Monarchie

Am 13. Juni fand die Verlobung zwischen Erzherzog Karl Franz Joseph und Prinzessin Zita von Parma statt. War es eine Liebesheirat? Nicht unbedingt. Karls Großmutter Maria Theresia knüpfte die Verbindung, welcher der amtierenden Kaiser Franz Joseph I. zustimmen musste. Da die Voraussetzungen stimmten -Zita war eine standesgemäße Prinzessin und katholisch- war der Kaiser einverstanden. Der zukünftige Ehemann übrigens auch. Es sollte die Verlobung des letzten österreichischen Kaiserpaares werden – aber das wußte 1911, als „die Welt noch in Ordnung war“ (jedenfalls von den adeligen Herrschaften aus gesehen) noch niemand.

 

Denn Karls älterer Bruder Franz Ferdinand war als Thronfolger des Kaisers vorgesehen. Da er eine morganatische Ehe eingegangen war (also eine Bürgerliche geheiratet hatte), konnten seine Kinder keine Thronfolger werden. Aufgrund dieser Konstellation war Karl Franz der Thronfolger seines älteren Bruders.

Wie wir wissen, kamen die Dinge anders: Franz Ferdinand bestieg nie den Thron – er und seine Ehefrau fielen am 28. Juni 1914 in Sarajevo einem Attentat zum Opfer, das der Auslöser zum 1. Weltkrieges werden sollte.

Zurück zur Verlobung, die im italienischen Pianore bei Viareggio im engsten Familienkreis stattfand – in der Residenz der Schwiegermutter. Wie auf dem Foto zu sehen, ist der Kreis tatsächlich recht überschaubar. Und der künftige Bräutigam musste  auch gleich weiter, wie „Die Woche“ erzählt:

„Erzherzog Karl Franz Josepf konnte nur kurze Zeit im Haus seiner künftigen Schwiegermutter…weilen; dann verließ er seine Braut und ihre Angehörigen, um als Vertreter des Kaisers Franz Joseph den Londoner Krönungsfeierlichkeiten beizuwohnen.“

Die Verlobten sollten im Oktober heiraten – wir werden über diese Hochzeit berichten und dann etwas dazu erzählen, wie die Zukunft der Brautleute aussah.

Aus dem Frauenleben

Die Frau mit dem grössten Gehalt

Bis heute ein Thema: ungleiche Gehälter von Frauen und Männern. Deshalb ist die Meldung der Sonntagszeitung umso bemerkenswerter, denn es wird „Die Frau mit dem größten staatlichen Gehalt“ vorgestellt. And the winner is: Leona Wells aus dem nordamerikanischen Staate Wyoming. Wobei was heißt „winner“, natürlich war das Gehalt verdient!
Ja, man musste in die Ferne schweifen, um solch eine Frau zu finden. Zu ihr heisst es:

„Frau Wells ist seit 10 Jahren als Sekretärin im Kriegsministerium in Washington beschäftigt und bezieht in dieser Stellung ein Jahresgehalt von 10.000 Mark. Sie ist jetzt 32 Jahre alt und seit einer Reihe von Jahren verheiratet.“

Kleiner Schönheitsfehler: Arbeitsfeld Kriegsministerium. Aber noch etwas ist bemerkenswert – sie arbeitete trotzdem sie verheiratet war. Damals in Deutschland sehr selten und meist nicht gewünscht. Bei deutschen Beamtinnen, z.B. Lehrerinnen, war es teilweise sogar verboten (genannt „Lehrerinnen-Zölibat“ – bei Verheiratung mussten die Lehrerinnen aufhören zu arbeiten und ihre sämtlichen Ansprüche gingen verloren). Eine schöne „Mutmacherinnen“-Meldung, oder?

Eine Frauenkonferenz in Dresden

Über die erste Hygiene-Ausstellung dort hatten wir in der Mai-Ausgabe berichtet. Wahrscheinlich im Rahmen der Ausstellung fand die Konferenz des deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht statt. Interessant ist, dass im Artikel unterschiedliche Positionen benannt werden. War die Hygiene-Frage weniger strittig, ging es in Vorträgen und Diskussionen auch um die Rechte der Frau im Arbeitsleben. Während die Vorsitzende Marie Stritt für die persönliche Freiheit aller Frauenarbeit votierte, waren andere, z.B. „Fräulein Lüders“ für Beschränkungen bei körperlich schwerer und gesundheitsschädlicher Arbeit, z.B. in Bergbau und beim Steinetragen.
Ein Gesetz sollte ab 1912 solche Arbeiten für Frauen verbieten. Dazu sagte Kontrahentin Lüders:

„Wir Frauen brauchen die Arbeit, aber wir sollen nicht daran zugrunde gehen, sondern mithelfen, daß sie den Frauen zum Segen wird“.

Bei meiner Recherche zu „Fräulein Lüders“ stellte ich fest: Es gab zwei Frauenrechtlerinnen mit diesem Nachnamen. Zum einen Marie-Elisabeth (genannt Lisbeth) (1878-1966) und zum anderen Else Lüders (1872-1948). Ich denke, letztere war gemeint, da sie in den 20er Jahren als Referentin im Reichsarbeitsministerum arbeitete und u.a. für Arbeitsschutzangelegenheiten zuständig war.

Ein neuer Verkehrsweg an der Ostsee

Was war die Voraussetzung für einen erfolgreichen Ferienort, Pardon damals natürlich Sommerfrische? Eine Bahn, mit der die Gäste kommen konnten! Das hatten die Verantwortlichen auf der Ostseeinsel Usedom, auch „Badewanne der Berliner“ genannt, alsbald verstanden. Und so wurde im Juni 1911 mit Pomp die neue Bahnstrecke Heringsdorf-Zinnowitz-Wolgast eröffnet. Die Woche erzählt dazu:

„Bisher konnten die hinter Heringsdorf und Bansin gelegenen Seebäder von Berlin aus nur durch umständliche Dampfer- oder Wagenfahrten erreicht werden. Die neue Eisenbahnlinie macht es nun möglich, von Heringsdorf bis zur Station Wolgast-Fähre weiterzufahren.“

Über die Sommerfrische Usedom und die Besonderheiten ihrer Seebäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin habe ich übrigens in diesen Artikeln berichtet.

Sommerfrische ist auch gleich das Stichwort! Wahrscheinlich gibt es dieses Jahr einen Reiseboom.

Ich wünsche Euch in jedem Fall einen tollen Sommer – ob nun mit tollkühnen Erlebnissen (mit oder ohne fliegende Kisten), Sport oder Entspannung pur…Ob mit der Eisenbahn, dem Automobil, Fahrrad oder „auf Schusters Rappen“ – hier einfach mal eine Droschke nehmen, falls der Weg zu lang wird…

Herzlichst

Eure Grete

 Wenn Euch interessiert, was im Juni 1908 und 1909 geschah, könnt Ihr es unter diesen Links nachlesen.

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