Ein Gastartikel von Petra Herzberg

Kindheit und Jugend auf Schloss Possenhofen
Wir schreiben den 30. September 1843, ein schöner Herbsttag in Possenhofen am Starnberger See. Die Vögel zwitschern, der Wind wehte leise durch die Bäume und hier und da ertönte das leise läuten einer Kuhglocke. Herzogin Ludovika in Bayern lag in den Wehen.
Als siebtes Kind und vierte Tochter von ihr und Herzog Max in Bayern kam das winzige zarte Mädchen auf Schloss Possenhofen, dem Sommersitz der Familie, zur Welt. Es wurde auf die Namen Mathilde Ludovika getauft. Hier auf Schloss „Possi“, wie es liebevoll von den Kindern genannt wurde, und in München im Palais Max verbrachte Mathilde den Großteil ihrer Kindheit. Sie lernte im Starnberger See schwimmen, auf den umliegenden Bergen bergsteigen, Klavierspielen und mit ihrer Schwester Sisi – unterrichtet von Vater Max in Bayern – im Damen- und Herrensattel reiten.
Sie besuchte auch viele Aufführungen im Zirkus, sie hatte Hunde, Katzen, Meerschweinchen, zahme Rehe und Ponys. Sie führte wie ihre Geschwister ein freies fröhliches Kinderleben. Schon früh erhielt sie, da sie so zart gebaut war und eine pipsige Stimme hatte, von Mama Ludovika den Spitznamen „Spatz“, den sie zeitlebens nicht mehr ablegte.
Ludovika’s oberstes Ziel war es, für all ihre Kinder gute Partien zu arrangieren. Daher sorgte sie für eine gute Ausbildung der Kinder. Während die Kinder aber lieber mit Vater Max auf die Jagd gingen, ausritten oder barfuß herumtobten, war Ludovika streng. Vor allem die Mädchen sollten gute Manieren haben, Sprachen lernen Konversation führen und tanzen können, um auf dem Heiratsmarkt gute Chancen zu haben. Gouvernanten und Lehrer wurden für die Kinder eingestellt. Doch auf Schloss „Possi“ ertönte lautes Kinderlachen, wenn es der Bande gelang, dem Unterricht und den Lehrern zu entfliehen. Die Kinder galoppierten auf ihren Ponys den fassungslosen Lehrern davon und oft war Sisi vorneweg, die schon früh die beste Reiterin unter all den Geschwistern war.
Als junge Ehefrau einsam in Rom
Von ihren Geschwistern stand Mathilde ihrer nächstälteren Schwester Marie Sophie am nächsten. Franz II König von Neapel und beider Sizilien war bereits drei Jahre mit Marie verheiratet. Wie auch all ihre anderen Schwestern wuchs Mathilde zu einer bildschönen schlanken Frau mit dunklen langen Haaren und blauen Augen heran und bald hielten die ersten Heiratsbewerber bei Herzog Max um ihre Hand an. Schließlich kam der neapolitanische Gesandte Conte di Ludolf im Auftrag von Schwester Marie nach Possenhofen um einen Blick auf Mathilde zu werfen.
Denn Marie unglücklich in Rom sitzend, hatte ihre Fühler ausgestreckt. Im Falle einer Eheschließung Mathildes mit Ludwig von Trani, dem Stiefbruder ihres eigenen Mannes, Franz II König von Neapel von beider Sizilien würde Mathilde in die Nähe von Marie kommen, was ein Herzenswunsch von Marie war, die sich in Rom langweilte und einsam war.
Nachdem auch Herzog Max und Herzogin Ludovika einverstanden waren, kam am 7.Mai 1861 Ludwig Graf von Trani zu Besuch nach Possenhofen, um Mathilde kennenzulernen. Der Titel „von Trani“ bezieht sich auf eine kleine Stadt an der apulischen Adriaküste. Marie hatte nichts unversucht gelassen, ihn bei ihren Eltern am Starnberger See anzupreisen und ihm die Ankunft in Possenhofen zu erleichtern. Und Mathilde selbst war bereits nach 5 Tagen von ihm angetan, sie sprachen viel miteinander und lachten viel. Am 5. Juni 1861 wurde Mathilde mit 17 Jahren in München mit dem Grafen Ludwig von Trani verheiratet.
Am Abend gaben sich die beiden in der Allerheiligenhofkirche das Jawort. Tags darauf verließ Mathilde als Mathilde von Bourbon beider Sizilien und Gräfin von Trani die Heimat und folgten ihrem Ehegemahl nach Rom. Sie wohnten zunächst bei Marie und Franz II im Palazzo Farnese in Rom. Marie war sehr glücklich, ihre geliebte jüngere Schwester bei sich zu haben. Da Marie sehr unglücklich, gelangweilt und einsam in ihrer Ehe war, verbrachte Mathilde die ersten Ehejahre größtenteils bei ihr in Rom. Ludwig war ein lebenslustiger junger Mann, dessen Interessen über Trinkgelage und losen Frauenbekanntschaften jedoch nicht weiter hinausgingen. Er war zwar Oberst Inhaber des k.u.k. Ulanenregiments Nr. 13, doch dabei handelte es sich lediglich um eine reine Ehrenstelle, die er bis zu seinem Tod inne hatte.
Bald mussten sich die Schwestern eingestehen, dass sie beide von Ihren Ehemännern enttäuscht waren und sich beide unzufrieden in ihren Ehen fühlten. Marie konnte ihrem zeugungsunfähigen Mann nicht näherkommen und Kinder blieben aus. So kam es, dass sich Marie mit einem päpstlichen Offizier, Amand de Lavayß einließ, was nicht ohne Folgen blieb. Im Kloster St. Ursula in Augsburg, worin sie sich schwanger zurückgezogen hatte, brachte sie am 24. November 1862 ein Mädchen zur Welt. Es gab sogar Gerüchte, dass es Zwillinge gewesen seien, doch dies entstammt den Büchern von Marie Luise Wallersee Larisch, der Tochter von Sisis ältestem Bruder Ludwig, genannt Luis, mit seiner bürgerlichen Frau, der Schauspielerin Henriette Mendel, die zur Baronin Wallersee geadelt wurde.
Marie Luise schrieb einige Bücher nachdem Sisi sie nach der Mayerling Affaire von Hof verjagt hatte und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, um sich zu rechtfertigen und Geld zu verdienen. Sie war nach New York ausgewandert, mittellos, führte drei unglückliche Ehen und hinterließ uns u.a das Buch „Die Heldin von Gaeta“. Dort erzählte sie viele Unwahrheiten so auch dass sie selbst eines dieser Zwillingsmädchen sei. Ihre Bücher wurden aufgestöbert, verboten und vernichtet, einige wenige sind erhalten geblieben und tauchen heute gelegentlich in Antiquariaten auf. Marie Luise behauptet, sie sei von Herzog Ludwig in Bayern adoptiert worden und das andere Mädchen, Luise Marie, ihrem leiblichen Vater Amand de Lavayß zugesprochen worden.
Sammlung Petra Herzberg
Marie wollte gern die Scheidung von Franz II, aber die Wittelsbacher Familie, allen voran Herzog Max intervenierte und brachte Marie schließlich doch dazu zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Franz II nahm seine Frau glücklich in die Arme und unterzog sich, um die Ehe zu retten, einer Operation, die erfolgreich war: Am 24. Dezember 1869 gebar Marie die gemeinsame einzige eheliche Tochter Maria Christina Pia, die jedoch nur drei Monate alt wurde und am 18. März 1870 starb. Marie bekam kein weiteres Kind mehr. Aber die Eheleute rückten zusammen und konnten doch noch eine gute Ehe führen. Auch Mathilde war kein Kind von Traurigkeit. In Rom begann sie eine Affäre mit einem spanischen Diplomaten, Salvador Bermudez de Castro, Herzog von Ripalda und Santa Lucia. Aus dieser Verbindung ging eine Tochter hervor, die am 20. Januar 1864 in der Villa Farnese in Rom das Licht der Welt erblickte. Das Mädchen wurde Maria genannt und unmittelbar nach ihrer Geburt nach Brighton geschickt, wo sie von der väterlichen Familie aufgezogen und 1879 von ihrem leiblichen Vater legal adoptiert wurde.
Vater Herzog Max in Bayern, der ebenfalls einige uneheliche Kinder hatte, sah es gelassen, zuckte die Schultern mit den Worten „Warum so ein Geschrei machen? – Solche Sachen passieren“. Maria hatte ihre Mutter Mathilde wahrscheinlich nie gesehen. Später heiratete sie Alvaro Perez de Barradas und Fernandez de Cordoba, den 12. Marquess of Penaflor. Sie starb am 18. September 1945.
Familienleben und Reisen
Mathilde und Ludwig bemühten sich um ein gutes Eheleben. Am 15. Januar 1867 gebar Mathilde in der zu Zürich gehörenden Gemeinde Enge ein weiteres Kind, diesmal ihre einzig eheliche Tochter, die auf die Namen Maria Theresia getauft wurde, jedoch ein Leben lang nur „Mädi“ gerufen wurde. Sie wurde eine gute Freundin von Marie-Valerie, der jüngsten Kaisertochter von Sisi und Kaiser Franz Joseph. Mädi wurde durch ihre Heirat mit Fürst Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen zur Fürstin von Hohenzollern. Sie übersiedelten zunächst nach Berlin, wo Wilhelm Kommandant des 2. Garderegiments zu Fuß und später der 3. Gardeinfanteriebrigade wurde. Sie führte eine glückliche Ehe und bekam drei Kinder. Die erste Tochter, Auguste Viktoria kam am 19. August 1890 zur Welt , ein Jahr später am 30. August 1891 folgten Zwillinge, die Buben Friedrich Viktor und Franz Joseph. Im Sommer lebte sie in Bad Tölz und im Winter in Cannes.

Leider war ihre Gesundheit angeschlagen, sie starb am 1. März 1909 in Cannes im Beisein ihrer Mutter vermutlich an den Folgen ihrer Multiplen Sklerose. Fürst Wilhelm heiratet in zweiter Ehe die Prinzessin Adelgunde von Bayern.
Mathildes Ehe war von Anfang an sehr traurig, denn ihr Mann betrog sie, wie es damals nicht unüblich war. Außerdem trank Ludwig von Trani sehr viel. Dies und die Untreue waren die Gründe, warum sich Mathilde schließlich von ihm trennte.
Ganz wie ihre Schwester Sisi ging sie auf Reisen, war oft in und Südfrankreich, Feldafing in Bayern und in Baden-Baden anzutreffen, wo sie in einer Villa in der Werderstrasse 4 wohnte. Sisi besuchte sie während ihren Kuren in Baden-Baden regelmäßig. Tochter „Mädi“ war als junges Mädchen Schülerin des „Victoria-Pensionats“ in Baden-Baden am Schlossberg. Auch mit Schwester Marie bestand ein Leben lang eine tiefe Verbundenheit. Die drei Schwestern waren unzertrennlich und hingen sehr aneinander.
Ludwig von Trani starb am 8. Juni 1886, es ist nicht ganz klar, ob durch Suizid oder an den Folgen einer langjährigen Krankheit. Ludwig von Trani wurde in die Krypta der Baden-Badener Friedhofskapelle gebracht, wo der Sarg bis zum 14. Juli 1890 blieb. Danach verliert sich die Spur. Mathilde überlebte ihren Ehemann um 39 Jahre, aber sie heiratete nie wieder.
Gackel, Spatz und die Vogelkäfige
Mathilde’s zweitältester Bruder, Carl Theodor Herzog in Bayern, der nach dem Tode von Herzog Max in Bayern das Familienoberhaupt wurde, war nur 2 Jahre älter als Sisi und wurde ihr Lieblingsbruder. Von jeher wurde er nur „Gackel“ oder „Gakel“ gerufen. Woher dieser Spitzname kam, ist nicht bekannt.
Es ist aber eine lustige Anekdote erhalten geblieben, die ihn und Mathilde alias „Spatz“ zum Inhalt hat. Mutter Ludovika schrieb einmal ein etwas verwirrendes Telegramm nach Bad Ischl, wo sie ihre und der Kinder Ankunft meldete: „Kaiserin Elisabeth – Komme mit Gackel und Spatz – Ludovika“. Der Postbeamte kannte aber die Spitznamen nicht. Er schickte das Telegramm nicht an Sisi, sondern an das Hotel Kaiserin Elisabeth. Pflichtbewusst wurde von dort ein Diener zum Bahnhof geschickt, dieser trug zwei Käfige mit sich, um die vermeidlichen Vögel darin zu transportieren ……
Familienmitglieder
Spätes Leben
Mathilde verbrachte mit ihrer Schwester Kaiserin Elisabeth zwischen 1894 und 1896 die kalten Monate auf Cap Martin in Südfrankreich. Zum letzten Mal haben sich die Schwestern 1898 in München gesehen, als Sisi im Hotel Continental abstieg und Mathilde sie dort besuchte. Sisi wurde am 10. September 1898 von dem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni am Ufer des Genfer See ermordet.
Während der Zeit des Ersten Weltkrieges lebte Mathilde in der Schweiz, jedoch später wieder mit ihrer älteren Schwester Marie in München. Marie und Mathilde lebten dort zunächst im Hotel Königshof. Doch die Zeiten hatten sich geändert und waren hart. Es gab keine Monarchie mehr und keine Apanagen, die ein gutes Leben ermöglichten. Mathilde und Marie kehrten schließlich in ihr Vaterhaus, das Palais Max nach München zurück. Zum Jahreswechsel 1923 auf 1924 hatte Mathilde einen Unfall und verletzte sich schwer am Fuß. Sie musste ins Krankenhaus und unter Schmerzen Gehübungen machen. Bald verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand und sie konnte kaum noch einen Stift halten und keine Briefe mehr schreiben.
Dennoch überlebte sie ihre Schwester Marie um 6 Monate und starb hochbetragt mit 82 Jahren als letztes der Herzogskinder am 18. Juni 1925. Ihr Grab im Alten Teil des Münchener Waldfriedhofs wurde 1977 aufgelöst. Das Grabkreuz mit Wappen und allen Titeln wurde nach Sigmaringen gebracht, wo es seinen letzten Platz in der Hedinger Kirche gefunden hat.
Über die Autorin:
Petra Herzbergs erste Passion ist die berühmte und beliebte Kaiserin Sisi und ihre Familie. Nicht nur, dass sie alle (deutschen) Bücher, die es zum Leben von Kaiserin Elisabeth (deren Spitzname übrigens nur in den Sissi-Filmen mit Romy Schneider mit Doppel-S geschrieben wird) und ihrem Mann Kaiser Franz Joseph gibt, gelesen hat, sie sammelt neben den Büchern auch Bilder, Fotos und Figuren rund um Sisi und ihre Familie.
