Woher stammt meine Familie? – Bundesstaaten und Territorien im Kaiserreich

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Wie wir alle aus der jüngsten deutschen Vergangenheit wissen, sind Ländergrenzen nicht in Stein gemeißelt, sie ändern sich. Meistens durch Kriege oder militärische Auseinandersetzungen, manchmal – so auch im jüngsten Fall der deutschen Geschichte – zum Glück durch friedliche Revolutionen ohne Blutvergießen!

Das Territorium des deutschen Reichs war in der von uns betrachteten Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts größer als heute. Es waren Teile dabei, die heute zu Frankreich, Polen, Tschechien, Russland und Dänemark gehören.

Damals wie heute bestehen Länder aus vielen kleinen und großen Territorien. Das Kaiserreich hatte sich letztendlich 1871 aus diesen vielen Territorien zum Deutschen Reich zusammengeschlossen. Doch die damaligen Bundes- und Stadtstaaten bestanden noch weiter mit regionalen Regierungen, Herrschern und Parlamenten – ähnlich wie die heutigen Bundesländer. Nur das heute keine Monarchen mehr regieren wie damals, sondern Politiker verschiedener Parteien – obwohl auch sie manchmal noch „Landesväter“ genannt werden. Inzwischen sind auch Landesmütter dazugekommen (die allerdings nicht so bezeichnet werden).

Die Hauptstädte der Bundesstaaten

Und so gab es, wie 1871 gegründet, Anfang des 20. Jahrhunderts 22 Bundesstaaten, 3 freie Städte und ein Reichsland.

Dazu gehörten (die verlinkten Staaten sind bereits erschienen):

4 Königreiche: Bayern, Preußen, Sachsen und Württemberg,

Das riesige Königreich Preußen teilen wir in mehrere Gebiete und entsprechende Artikel auf: Bisher erschienen ist: Rheinprovinz

6 Großherzogtümer: Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg und Sachsen-Weimar-Eisenach,

5 Herzogtümer: Anhalt, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen,

7 Fürstentümer: Lippe, Reuß ältere Linie; Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen und Waldeck

3 freie Städte: Bremen, Hamburg und Lübeck und

das Reichsland Elsaß-Lothringen, welches direkt dem Kaiser unterstand.

Die Größe der Bundesstaaten variierte stark – das flächenmäßig größte und mächtigste war unzweifelhaft Preußen mit der Reichshauptstadt Berlin mit ca. 40 Millionen Einwohnern (alle Zahlen Stand 1910), gefolgt von Bayern mit knapp 7 Millionen Einwohnern, das flächenmäßig kleinste (und unbekannteste dem Namen nach) das Fürstentum Reuß ältere Linie mit gerade mal 316 km2. Für das Protokoll und alle Hyperkorrekten: die zwei Hansestädte Lübeck und Bremen waren noch kleiner, aber die Städte vernachlässigen wir jetzt mal als Sonderfälle. Das Schlusslicht mit den wenigsten Einwohnern bildete das kleine Fürstentum Schaumburg Lippe, mit Hauptstadt Bückeburg und insgesamt knapp 47.000 Einwohnern.

Der kleinste Bundesstaat Reuß älterer Linie passte von der Fläche her ca. 1100 Mal in die des größten Bundesstaats Preußen, welcher 850 Mal mehr Einwohner hatte als Schaumburg-Lippe.

Für alle Liebhaber von Adelsgeschichten boten die 22 Monarchien sicherlich reichlich Stoff. Folgerichtig erschienen in den Zeitschriften viele Berichte mit Fotos aller Adelsfamilien der einzelnen Länder, natürlich auch etwas nach ihrer Bedeutung gewichtet. Die Anlässe dafür gingen niemals aus – ob es nun Hochzeiten, Taufen, Reisen oder auch Trauerfälle der einzelnen Adelsgeschlechter waren.

Als Herrscherhäuser gab es auf der einen Seite sehr fortschrittliche Adelsdynastien, insbesondere in Süddeutschland. In den (damals noch getrennten) Bundesstaaten Baden und Württemberg regierten progressive Herrscher wie z.B. König Wilhelm der II von Württemberg (Achtung: Nicht verwirren lassen, er hatte den gleichen Namen wie der Kaiser!). Sein demokratischer und auch sozial engagierter Führungsstil wurde ihm sogar von den Sozialdemokraten im dortigen Parlament durch Loyalität gedankt, ob nun bei der Befürwortung der Staats- und Verfassungsordnung oder bei der Verabschiedung des Landesetats. Solche Allianzen wurden im restlichen Reich sowohl von den entsprechenden Monarchen als auch der damaligen Parteispitze der SPD kritisch gesehen.

Eher rückschrittlich ging es dagegen z.B. im ansonsten industriell sehr fortschrittlichen Sachsen zu – hier gewichtete das regionale Wahlrecht immer noch unterschiedlich nach Bildung. Alle Wähler bekamen eine Grundstimme, aber wer über – mindestens – die mittlere Reife verfügte, viel Steuern zahlte oder „Ü50“, also über 50 Jahre war, konnte bis zu drei Zusatzstimmen bekommen. Wie würde das wohl heute Wahlentscheidungen beeinflussen? Wahrscheinlich wären Renten und die Altersversorgung Wahlkampfthema Nummer Eins!

Auch das größte Bundesland Preußen hatte ein rückschrittliches Wahlrecht, wir berichteten in der Rubrik „Was geschah vor 110 Jahren“ für das Jahr 1908 im Januar und Juni 1908 darüber.

Die drei Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck waren dagegen Republiken, die von einem Senat, bestehend aus Bürgern, regiert wurden. Republik klingt zunächst fortschrittlich, das kann man aber vom Wahlrecht dieser drei Stadtstaaten nicht behaupten. So gab es in Lübeck und Hamburg ein Zweiklassenwahlrecht. Das sah in Lübeck konkret so aus, dass Bürger, die mehr als 2000 Mark versteuerten, 105 Sitze in der Bürgerschaft wählten, die Wähler mit geringerem Einkommen bestimmten dagegen nur 15 Sitze. In Bremen ging man anders vor, dort wurden gar nur 68 der 150 Sitze, also fast die Hälfte, in allgemeinen Wahlen vergeben.

Insgesamt lässt sich zum Thema Länder und (Regional-)Wahlen sagen, dass es fortschrittliche Länder gab, wie das oben schon zitierte Württemberg und Baden. Dort wurde das allgemeine Wahlrecht für männliche Bürger in der von uns betrachteten Zeit eingeführt. In den Monarchien und Städten mit rückschrittlichem Wahlrecht, hatten – etwas vereinfacht – wohlhabende und anders privilegierte Männer mehr Stimmrechte als arme, ungebildete und junge. So wurde zum einen versucht, insbesondere den Einfluss der wachsenden Arbeiterschaft und deren Partei, der Sozialdemokraten, zu verhindern bzw. einzudämmen. Zum anderen ging es natürlich auch darum, eigene Privilegien und Macht zu erhalten.

Aufhalten konnten all diese Wahl-Winkelzüge der Monarchien und Städte die Entwicklung aber nicht. Aber jetzt sind wir schon bei der Politik gelandet –! Apropos, warum ist beim Thema Wahlen zu dieser Zeit nie von Frauen die Rede? Auch wenn sie schon für ihr Wahlrecht kämpften, sollte es noch bis 1918 dauern, bis sie an Wahlen teilnehmen durften.

Ein Vorhaben ist, die einzelnen Bundes- und Staatstaaten in Artikeln jeweils vorzustellen.

 

Ortsfinder – aus welchen Bundesstaat kommen meine Vorfahren?

Wer den Ort weiß, aus dem seine Vorfahren wie Groß- oder Urgroßeltern stammen, aber nicht, in welchem Bundesstaat sie damals lagen, der kann in unserem Bundesstaaten-Finder nachschauen.

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