Sisi und ihre Kinder – Passion oder Last?

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Ein Gastartikel von Petra Herzberg

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Frühe Mutterschaft

Es ist wieder Frühling im Jahre 1855 in Wien. Nach dem harten Winter sind die Menschen gerne draußen und gehen in den Parks und Gärten spazieren, der Flieder blüht, aus den Cafehäusern dringt Lachen und Geschirrklappern auf die Straßen, man hört Musik aus geöffneten Fenstern und in den Bäumen Vogelgezwitscher. Die Sonne scheint und das Leben ist wieder leichter geworden.

Nur eine grämt sich im Park spazieren gehen zu müssen: Es ist die hochschwangere Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt Sisi. Es ist ihr unangenehm, schwanger gesehen zu werden und ihren Bauch zu produzieren. Ihre Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, die Mutter von Kaiser Franz Joseph, hat sie gezwungen ihrem Volk zu zeigen, dass ein möglicher Thronfolger unterwegs ist und die Monarchie und Erbfolge gerettet ist.

Insgesamt ist Sisi viermal schwanger. Mit 20 Jahren hat sie bereits drei Schwangerschaften und drei Geburten hinter sich, mit 30 ist sie zum vierten und letzten Mal schwanger mit ihrer geliebten Tochter Marie Valerie. Jedes Mal verliert sie für einige Monate ihre Wespentaille von 50 cm und es macht ihr unfassbar viel Arbeit ihre schlanke Figur zurückzubekommen. Die beiden ersten Geburten sind einfach, doch die Geburt des langersehnten Kronprinzen ist schwer und sie leidet wochenlang nach der Geburt noch unter Milchstau und Fieber.

Doch wie war Sisi als Mutter? Wie war ihr Verhältnis zu den Kindern? Schauen wir doch einmal hinter die Kulissen.

Die Illusion einer Familienidylle

Es gibt nur ein einziges echtes Foto, wo wir Sisi mit zwei ihrer Kindern sehen. Sie ließ nur dieses eine Foto mit den Familienmitgliedern zu, welches auf der Terrasse von Schloss Schönbrunn aufgenommen wurde. Der kleine Erzherzog Rudolf sitzt auf ihrem Schoss und Tochter Gisela steht vor ihr und schaut zu ihr auf. Zu dem Zeitpunkt ist die erstgeborene Sophie bereits tot, Sisi musste sie mit nur zwei Jahren begraben, sie erkrankte auf einer Ungarnreise an einer Darminfektion, wahrscheinlich der Ruhr.

Das einzige Familienbild: Sisi sitzend links mit ihren Kindern Rudolf und Gisela, über ihr Schwager Maximilian, links davon Franz Joseph, rechts neben ihr die ungeliebte Schwiegermutter Erzherzogin Sophie / The only family picture: Sisi sits to the left with her children Rudolf and Gisela, above her brother-in-law Maximilian, to his left Franz Joseph, to her right her despised mother-in-law archduchess Sophie
die einzige FamilienfotografieSammlung Petra Herzberg

Sisi sitzt mit den beiden Kindern in der ersten Reihe, umrahmt von ihrer Schwiegermutter, ihrem Mann und den Brüdern ihres Mannes in der zweiten Reihe. Doch sie schaut nicht in die Kamera, sondern zur Seite, als wollte sie uns ihr Gesicht nicht zeigen. Alle anderen existierenden Fotos, die uns ein intaktes harmonisches Familienleben vorspielen sollen, sind Retuschen. Hergestellt damals in den Fotostudios, die der k.u.k. Bevölkerung suggerieren mussten, dass Sisi eine glückliche Mutter und Ehefrau ist – doch das war sie nicht ….

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Lithographie mit einem Gruppenbild der kaiserlichen Familie (ca. 1860)Sammlung Petra Herzberg

Das erste Mädchen: Sophie

Ziemlich genau 9 Monate nach ihrer Hochzeit am 24. April 1854 erblickte am 5. März 1855 die kleine Erzherzogin Sophie Friederike Dorothea Maria Josepha von Österreich das Licht der Welt. Stirnrunzelnd wurde sie von Erzherzogin Sophie, der Namensgeberin und Mutter von Kaiser Franz Joseph betrachtet, die sich natürlich zum Erhalt der Monarchie einen Knaben gewünscht hatte. Nun gut, dachte die Erzherzogin, die Kaiserin ist noch sehr jung und das nächste Kind wird bestimmt der Thronfolger werden.

Als Sisi ein paar Monate später bemerkte, dass sie wieder schwanger ist, folgten von Erzherzogin Sophie eine ganze Reihe von Belehrungen, was Sisi zu tun bzw. zu unterlassen hatte. Zum Beispiel riet ihr die Erzherzogin, dass sie ihre Zeit nicht mit den Papageien verbringen sollte, die sie aus Possenhofen, ihrer Heimat mitgebracht hatte, denn es könnte ja sein, dass dann das Kind das Gesicht eines Papageis bekäme … sie solle sich lieber im Spiegel anschauen, sticken, sittsam dasitzen und lesen oder im Park spazieren gehen, um dem Volk den gewölbten Bauch zu zeigen….

Wieder nur ein Mädchen: Gisela

Das zweite Mädchen, Erzherzogin Gisela wurde am 12. Juli 1856 in Laxenburg geboren und wurde auf die Namen Gisel(l)a Louise Marie getauft, aber nur Gisela gerufen. Diesmal fiel das Stirnrunzeln der Erzherzogin Sophie bereits strenger aus. Schon wieder nur ein Mädchen? Konnte die junge Kaiserin denn keinen Sohn gebären? Musste man sich Gedanken um die Monarchie machen und dem jungen Kaiser evtl. eine andere Frau als Kaiserin zuführen?

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zeitgenössische Lithographie von Sisi mit ihrer kleinen Tochter GiselaSammlung Petra Herzberg

Damals war man überzeugt, dass ausschließlich das Verhalten und der Lebensstil der werdenden Mutter der Grund ist, warum es kein Bub wird. Sisi fand eines Tages auf ihrem Schreibtisch ein anonymes Schreiben. Sie las, dass es die einzige Aufgabe einer Landesmutter und Kaiserin ist, möglichst viele Kinder und zwar Buben zu gebären. Sie war erschüttert und wütend. Doch niemand konnte und wollte ihr sagen, wer das Schreiben auf ihren Tisch gelegt hat. Sicherlich geschah es auf ausdrücklichen Wunsch der Erzherzogin Sophie, davon war sie überzeugt.

Überall witterte sie Spione und Spitzel, an den Türen wurde gelauscht und sie wurde Tag und Nacht beobachtet, war nie allein. Die Erzherzogin wusste Bescheid über jeden ihrer Schritte, öffnete jeden Brief, den sie schrieb oder bekam, war informiert über jedes Gespräch, das sie mit den Hofdamen führte und war im Bilde über jeden Einkauf oder über jeden ihrer Ausritte.

Gisela hatte zu ihrer Mutter nie ein inniges Verhältnis. Jedoch hatte sie eine sehr enge Beziehung zu ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Erzherzog Rudolf. Auch nach Giselas Heirat und der Umsiedelung nach Bayern blieben die Geschwister in Kontakt. Rudolfs Selbstmord 1889 in Mayerling hat sie zeitlebens nie überwinden können.

Verschiedene Porträts von Gisela, in namhaften Fotoateliers aufgenommen

Kaum war Gisela 16 Jahre alt, suchte Sisi für Gisela Leopold von Bayern als Ehemann aus. Sie wollte sie rasch „unter der Haube“ wissen. Die beiden heirateten am 20. April 1873 in Wien. Sisi sah an dem Tag so blendend aus, dass sie der Braut und Tochter glatt die Show stahl. In Bayern wurde Gisela von Leopolds Familie herzlich aufgenommen. Das junge Ehepaar wohnte in München im 1935 abgerissenen Prinz-Leopold-Palais.

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Lithographie der kaiserlichen Familie (von links): Rudolf, Sisi, Marie Valerie, Gisela und ihr Ehemann Leopold von Bayern und Kaiser Franz Joseph (ca. 1873)Sammlung Petra Herzberg

Eine junge Mutter verzweifelt

Sisi begann sich unwohl zu fühlen, weil sie ihre Kinder nicht stillen und selbst aufziehen durfte. Sie suchte weinend Kaiser Franz Joseph auf in der Überzeugung, er würde auf ihrer Seite sein, doch der Kaiser hielt sich zurück und stellte sich hinter seine Mutter. Er war es einfach gewöhnt. zu gehorchen – so war er erzogen worden. Das spanische Hofzeremoniell war der rote Faden durch sein gesamtes Leben. Franz Joseph war sich nicht bewusst, was er damit seiner jungen Frau antat und auch nicht darüber, dass er damit bereits in jungen Jahren das Auseinanderleben der Eheleute beschleunigte.

Sisis Mutter hatte acht Kinder aufgezogen, erhielt von ihren beiden älteren Töchtern, Helene und Sisi, Unterstützung und Hilfe. Sisi hatte gelernt, wie ein Baby gewickelt und genährt wurde. Sie wollte ihre Kinder stillen, durfte es aber nicht, denn dafür gab es am Hof dralle Ammen. Sie bekam Milchstau und Fieber. Die Obhut der Kinder wurde in der sog. Kindskammer organisiert. Wenn Sisi ihre Kinder sehen wollte, musste sie die Erzherzogin fragen. Oft blieb die Tür zum Kinderzimmer verschlossen mit der Aussage, die Kinder würden schlafen. Eine Kaiserin gehört zum Kaiser und nicht in die Kindskammer, war die Auffassung der Erzherzogin. Sisi rebellierte. wurde krank, hustete und weinte viel, fiel in tiefe Melancholie, und hatte Heimweh nach Possenhofen.

Eine Reise nach Ungarn stand an. Diesmal setzte sich Sisi aber gegen ihre Schwiegermutter durch, da sie beide Kinder mitnehmen wollte. Kaum in Budapest angekommen, erkrankte Gisela, die sich schnell wieder erholte, aber kaum ging es ihr besser, erkrankte die ältere Sophie so schwer an einer Darminfektion, dass sie kurz darauf starb.

Sisi brach untröstlich zusammen. Die Erzherzogin, die dagegen war, die Kinder mitzunehmen, gab Sisi allein die Schuld am Tod der kleinen Erzherzogin. Sisi wollte tagelang nicht essen und schloss sich mit Selbstvorwürfen und Gewissensbissen in ihr Zimmer ein. Sie weinte Tag und Nacht und es ging ihr immer schlechter, bis sie bemerkte, dass sie wieder schwanger war…

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Kronprinz Rudolf als kleiner Junge (aufgenommen in Reichenau an der Rax)Sammlung Petra Herzberg

104 Salven ertönen durch Wien: Endlich – der Kronprinz ist da!

Diesmal musste es ein Sohn werden! Sisi schonte sich, tat alles was ihr die Ärzte und die Erzherzogin sagten. Die Schwangerschaft war schwer, es war ein heißer Sommer im Jahre 1858 als Kronprinz Rudolf Franz Karl Joseph endlich am 21. August als drittes Kind und Sohn des Kaiserpaares auf Schloss Laxenburg bei Wien das Licht der Welt erblickte.

Nach der Tradition wurden 104 Salven abgefeuert und das Volk zählte mit. Als die Salven nach dem 21sten Ton nicht verstummten, brachten sie bereits in Jubel aus, denn das bedeutete, dass es ein Sohn und Thronfolger war. Bei einem Mädchen wären die Salven nach dem 21. Schuss verstummt. Ganz Wien feierte! Der Kaiser war so glücklich, dass er Gefangene freiließ und den Armen Essen und Trinken spendierte. Dem kleinen Erzherzog legte er den Orden des Goldenen Vlieses in die Wiege und ernannte ihn sofort zum Oberst der k.u.k. Armee.

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der kleine Oberst...Sammlung Petra Herzberg

Die Kaiserin war erleichtert, sie hatte getan, was von ihr erwartet wurde. Jedoch brauchte sie sehr lange, um sich von der schweren Geburt zu erholen. Der kleine Kronprinz, der den Namen Rudolf, nach dem ersten Kaiser Rudolf der Habsburger, erhielt wurde ihren Armen entrissen und der Kindskammer übergeben, deren Vorsitz die Erzherzogin Sophie inne hatte. Giselas und Rudolfs Ajas waren Karoline Freifrau von Welden, von den Kindern liebevoll „Wowo“ genannt und Leopoldine Nischer, die von den Kindern liebevoll nur „Nono“ gerufen wurde.

Schließlich gab Sisis den Kampf um die Kinder auf und kümmerte sich um sich selbst, nahm ihr Sportprogramm wieder auf, begann wieder mit ihren Diäten, rauchte, schrieb in der Nacht und ging auf Reisen. Der Zwist zwischen ihr und der Erzherzogin Sophie wurde immer grösser, der Kaiser stand zwischen den beiden Frauen, die er am meisten liebte, seiner Ehefrau und seiner Mutter, wusste nicht ein noch aus und suchte schliesslich Trost bei anderen Frauen. Die Untreue ihres Mannes brachte Sisi schließlich völlig aus der Fassung. Fluchten nach Possenhofen, gesundheitlich bedingte längere Abwesenheiten vom Hof in Madeira und Korfu folgten.

 

Ein Ultimatum in letzter Minute

Mit den Kindern stand sie in brieflichem Kontakt. Nur einmal griff sie noch in die Erziehung des Kronprinzen ein, der zu einem sensiblen, schwächlichen aber hochintelligenten Knaben herangewachsen war. Kaiser Franz Joseph ließ an seinem Sohn kein gutes Haar und nannte ihn „Das Krepierl“, weil er ihm viel zu schwächlich für einen Soldaten war.

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Soldat wider Willen - Rudolf in UniformSammlung Petra Herzberg

Um ihn abzuhärten und zum Soldaten zu erziehen, ließ Rudolfs Erzieher Graf Leopold Gondrecourt, ein Günstling der Erzherzogin Sophie, ihn nachts mit Pistolenschüssen und kaltem Wasser wecken. Er musste dann im Hof auch bei Schnee und Kälte stundenlang exerzieren. Gondrecourt schloss Rudolf sogar einmal im Lainzer Tiergarten ein und rief dem weinenden Kind von draußen zu: „Es kommt ein Wildschwein“.

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Rudolf:Sammlung Petra Herzberg
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Atelierporträts (L. Angerer) als SoldatSammlung Petra Herzberg

Sisi war über das Aussehen ihres Sohnes erschüttert, er war blass und mager, hatte Angst und weinte viel. Er war übermüdet, kränklich und durfte keine Spielkameraden haben. Schließlich griff sie durch und schrieb am 27. August 1865 in Bad Ischl einen langen Brief an ihren Mann, das sogenannte Ultimatum, worin sie forderte das alles was die Erziehung der Kinder anginge, ihr allein zu übertragen sei.

In dem Ultimatum machte sie sich auch selbst von allen Zwängen frei und forderte ihre Freiheit: Dass alles, was sie sich wünschte was den Haushalt anging sowie die Erziehung der Kinder bis zum Moment der Volljährigkeit von ihr allein zu bestimmen sei. Vor allem aber machte sie deutlich, dass sie selbst über den Ort ihres Aufenthalts entscheiden wolle – oder sie würde Kaiser Franz Joseph, den Hof und das Land für immer verlassen.

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Atelierporträt von Rudolf als älteres Kind (Rabending)Sammlung Petra Herzberg

Der immer noch wahnsinnig in seine Frau „verliebte kleine Leutnant“ stimmte zu, viel zu groß war die Angst, dass sie wirklich den Schritt machen würde. Und er wusste, dass sie diesmal gegangen wäre. Das hätte er nicht ertragen. Ein neuer einfühlsamer Erzieher wurde für Rudolf eingesetzt, es war der wunderbare Graf Josef Latour von Thurmberg, ein Mann und Lehrer, der mit viel Fingerspitzengefühl für den sensiblen Jungen einiges an der vorherigen falschen Erziehung retten konnte, jedoch nicht alles. Rudolf blieb sein gesamtes Leben traumatisiert. Nunmehr konnte er aber seinen Interessen wie Vogelkunde und Reisen nachgehen.

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Rudolf war ein wissbegieriges und interessiertes Kind (Atelier Rabending)Sammlung Petra Herzberg

Abwesenheit – die Kinder fremdeln

Nachdem es Rudolf besser ging, verließ Sisi den Hof, ging auf Reisen und kümmerte sich nur noch um sich selbst. Kam sie dann mal wieder auf einen Besuch nach Wien oder Bad Ischl vorbei, erkannten sie die Kinder kaum noch und weinten, flüchteten zur Erzherzogin Sophie, die ihnen vertrauter war als die eigene Mutter.

Gisela und Rudolf wurden schnell erwachsen. Gisela verlobte sich wie von Sisi gewünscht mit sechzehn Jahren und heiratete kurz darauf. Mit sechsunddreißig Jahren wurde Sisi bereits Grossmutter. Sie war bei der Taufe der ersten Tochter Giselas Patin und Namensgeberin; wohnte aber lieber in einem Hotel als bei ihrer Tochter. Sisi ließ kein gutes Haar an ihrer ersten Enkeltochter und fand auch Gisela niemals hübsch. Das Verhältnis der beiden war unterkühlt und auf beiden Seiten gleichgültig. In einem spöttischen Tagebuch-Gedicht verglich Elisabeth ihre Tochter, was Gisela (zum Glück) nicht wissen konnte, mit einer „rackerdürren Sau“, deren herzig kleine „Ferkel“ (Sisis Enkelkinder) dem „Vaterschweine“ (also Prinz Leopold) „bis aufs letzte Härchen“ geglichen hätten.

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Lithographie der kaiserlichen Familie: Links Gisela mit Baby, hinten rechts neben Kronprinz Rudolf ihr Mann, vorne beim Kaiser ihr erstes Kind, rechts SisiSammlung Petra Herzberg

Nach Sisis Tod 1898 erbte Gisela zwei Fünftel des Gesamtvermögens von 10 Mil. Gulden und Sisis Traumschloss „Achillion“ auf der griechischen Insel Korfu. Gisela ging in ihrer Mutterrolle völlig auf, war wie eigentlich schon ihr ganzes Leben bieder und wirkte eher altbacken. Sie bekam ein Kind nach dem anderen und ihr Leben war ohne Skandale oder Fehltritte. In den Augen ihrer Mutter ein stocklangweiliges Leben!

 

Kronprinz Rudolf: talentiert, ambitioniert und gescheitert

Als Rudolf 6 Jahre alt wurde, durfte er auch nicht mehr mit ihr spielen. Rudolf und Gisela waren als Kinder unzertrennlich und die Trennung fiel beiden sehr schwer.

Bilder der beiden Geschwister, die zeitlebens sehr eng verbunden waren

Rudolf bekam seinen eigenen Hofstaat. Mit zwei Jahren trug Rudolf erstmals Uniform. Sein Stundenplan ging von morgens um 6 Uhr mit kurzen Pausen bis abends um 21 Uhr mit Unterricht in den vielen Sprachen der Kronländer, Schreiben, Rechnen, Geschichte, Exerzieren, Reiten und Fechten.

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Porträt Rudolf (Atelier Rabending)Sammlung Petra Herzberg

Je grösser und intelligenter Rudolf wurde, desto mehr durchschaute er die Wesensverschiedenheiten seiner Eltern, vor allem deren Verhältnis zu Staat, Politik und Gesellschaft. Rudolf lernte den Biologen Alfred Brehm kennen und schrieb mit ihm zusammen Bücher über Vogelkunde. Rudolf hat uns mehrere schriftliche Reise- und Jagderlebnisse hinterlassen.

Vor allem sein Kronprinzenwerk „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ ein 24bändiges illustriertes Werk über die Kronländer der Monarchie gehört heute noch zu einer gesuchten Enzyklopädie der kuk Monarchie. Auch sein Werk „14 Tage an der Donau“ sowie sein Buch „Jagden und Beobachtungen“ und „Eine Orientreise aus dem Jahre 1881“ sind gesuchte antiquarische Werke mit heute noch hohem Wert.

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Auf den Porträtbildern wirkt Rudolf oft nachdenklichSammlung Petra Herzberg

Er schrieb auch anonyme Artikel und Denkschriften im „Neuen Wiener Tagblatt“ von Moritz Szeps, mit dem er gern auch privat verkehrte. Diese Artikel waren sehr kritisch der Monarchie gegenüber und grenzten an Hochverrat. Doch vor allem hätte der sensible Sohn seine Mutter gebraucht. Er war ihr so ähnlich, doch sie sah es nicht. Auch seine Ehe mit Stephanie von Belgien funktionierte nicht und Sisi ließ an ihrer Schwiegertochter kein gutes Haar.

Als es Rudolf immer schlechter ging, und er mit sich und seinem Leben nicht mehr klarkam und in Champagner, Frauen und Drogen Trost und Erleichterung suchte, nahm sie es nicht zur Kenntnis. Erst als sie von seinem Selbstmord am 30.1.1889 erfuhr, war sie tief erschüttert, wachte endlich auf und trug seitdem nur noch schwarze Kleidung. Sie hatte ihn allein gelassen und seinen stummen Schrei nicht gehört. Als der tödliche Schuss in Mayerling am 30.1.1889 fiel, war es allerdings zu spät …

Das vierte und letzte Kind, das „ungarische“ Kind

1867 zum ungarischen Ausgleich den Sisi erwirkte, öffnete Sisi ihrem Mann noch einmal das Schlafzimmer und 9 Monate am 22. April 1868 später kam die die kleine Erzherzogin Marie Valerie, genannt „das ungarische Kind“ bzw. „die Einzige“, in Budapest, damals noch „Ofen“ auf die Welt. Sisi wollte den geliebten Ungarn einen König schenken, doch es wurde ein drittes Mädchen.

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die Jüngste, Marie Valerie, als kleines MädchenSammlung Petra Herzberg

Trotzdem vergötterte Sisi dieses Mädchen, und schenkte ihm all die Liebe, die sie ihren anderen Kindern nicht geben durfte. Marie Valerie dufte nur ungarisch sprechen, hasste jedoch die Sprache. Sie war glücklich, wenn sie bei ihrem Vater sitzen durfte und deutsch sprechen konnte. Während Rudolf und Gisela zeitlebens engste Beziehungen unterhielten und gemeinsam aufwuchsen, musste Marie Valerie aufgrund des Altersunterschieds von über 10 Jahren und der Tatsache, dass die Mutter das Mädchen für sich beanspruchte und sie ständig auf Reisen mitnahm, quasi ein Dasein als Einzelkind führen. Marie Valerie befreite sich mit sechzehn Jahren aus dem Zwang der „Bemutterung“, verlobte sich und heiratete schließlich ihren Franz Salvator, mit dem sie zehn Kinder bekam.

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Marie Valerie, frisch getraut mit Ehemann Franz SalvatorSammlung Petra Herzberg

Sisi war untröstlich, ihre „Einzige“ zu verlieren. Zu dem Zeitpunkt war sie mit Körper und Geist allerdings schon weit weg von Wien. Ständig auf Reisen irrte sie wie Ahasver bis an ihr Lebensende am 10.9.1898 von einem Ort zum anderen durch die Welt, bis sie die Feile des Anarchisten Luigi Luccheni am 10.September 1898 an Genfer See mitten ins Herz traf ….

Wer gern mehr über Marie Valerie lesen möchte, dem lege ich meinen Artikel ans Herz, hier der Link.

 

Fazit

Wenn man Muttersein heute mit dem Muttersein im k.u.k. Kaiserhaus vergleicht, kann man nicht sagen, dass Sisi eine schlechte Mutter war. Die damaligen Umstände erlaubten es ihr nicht, ihre Kinder zu stillen und selbst zu erziehen. Sisi liebte ihre Kinder, schrieb ihnen viele Briefe und brachte ihnen von jeder Reise Geschenke und Spielzeug mit. Da sie jedoch viel abwesend war, waren die Ajas und die Erzherzogin Sophie die vertrauten Personen der Kinder.

Sisi war in den Kinderaugen eine Fremde, wenn sie nach langer Abwesenheit die Kinder in die Arme nehmen wollte. Das spanische Hofzeremoniell und sicher auch das Weltbild der damaligen Zeit waren die ausschlaggebenden Faktoren, die uns im Rückblick suggerieren, Sisi sei eine Rabenmutter gewesen und hätte sich nur um sich selbst gekümmert.

Das stimmt nur zum Teil. Sisi wollte immer eine gute Mutter sein, aber der Zugang zu ihren erstgeborenen drei Kindern blieb ihr verwehrt. Daher gab sie gebrochen den Kampf um diese Kinder auf. Wäre die Entwicklung anders verlaufen, wenn die kleine Sophie nicht gestorben wäre? Vielleicht, denn sicherlich war Sophies Tod ein traumatisches Erlebnis für Sisi und auch ein Argument für ihre Schwiegermutter, ihr die Kinder noch weitergehend zu entziehen.

Nur in Marie Valerie fand sie Mutterfreuden, die sie dann übertrieben auslebte. Dass sie auch ihre ersten Kinder geliebt hatte bzw. liebte, zeigte sich in ihrer tiefen Trauer um Kronprinz Rudolf, in welche sich sicherlich auch Schuldgefühle mischten.

Insgesamt war ihre Mutterrolle für die Verhältnisse im Hochadel nicht untypisch – hundert Jahre später hätte sie sicherlich ganz anders ausgesehen.

Über die Autorin:

Petra Herzbergs erste Passion ist die berühmte und beliebte Kaiserin Sisi und ihre Familie. Nicht nur, dass sie alle (deutschen) Bücher, die es zum Leben von Kaiserin Elisabeth (deren Spitzname übrigens nur in den Sissi-Filmen mit Romy Schneider mit Doppel-S geschrieben wird) und ihrem Mann Kaiser Franz Joseph gibt, gelesen hat, sie sammelt neben den Büchern auch Bilder, Fotos und Figuren rund um Sisi und ihre Familie.

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In ihrer Sammlung von Fotos hat sie im Laufe der Jahre sehr seltene Stücke zusammengetragen, darunter eine Reihe Originalaufnahmen, die in den bereits erschienenen Beiträgen wie auch in diesem zu sehen sind. Ihre profunde Kenntnis hat sie bereits in mehreren Artikeln zu verschiedenen Themen rund um Kaiserin Sisi bewiesen und gibt so gerne ihr Wissen an die Leser von Bürgerleben weiter. Inzwischen gehört sie zu den beliebtesten Autorinnen dieser Seite! Beruflich ist sie seit vielen Jahren erfolgreich in der Bankenbranche tätig. Ihre zweite Passion, die sie, aber das mehr zufällig, mit Kaiserin Sisi teilt: das Reiten im Damensattel und ihre zwei Pferde, ihr Ausgleich vom stressigen Joballtag.

Weitere Artikel zu Sisi und ihrer Familie

Zu Kaiserin Sisi sind bereits folgende Artikel von Petra Herzberg erschienen: „Sieben Geheimnisse von Kaiserin Sisi, die Du wahrscheinlich noch nicht kennst“ ; „Sisis Reisen – Flucht oder Abenteuer?“ , „Sisi und der Reitsport vor 150 Jahren“ , „Sisi – die dunklen Seiten einer Kaiserin“ sowie über ihre jüngste Tochter: „Erzherzogin Marie Valerie – die Lieblingstochter von Kaiserin Sisi

Von Christian Sepp wurden diese beiden Artikel zu Sisis Schwestern „Sophie Charlotte – das dramatische Schicksal…“ und „Marie Königin beider Sizilien – Sisis mutige Schwester“ sowie zu Sisis Mutter Ludovika und ihrer Familie veröffentlicht.

Von Stefan Haderer ist der Artikel  „Sisis jugendliche Schwärmer – die Kaiserin und ihre griechischen Vorleser“ hier erschienen.

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