Auf in die Sommerfrische: Anreise ohne Eisenbahn (Teil III)!

 In Sommerfrische, Unkategorisiert

1.    Achtung Selbstfahrer!

Die ersten Automobile ähnelten mit ihrer Karosserie, offenem Verdeck und hochbeinigen Rädern eher noch Kutschen. Oft wurden sie in den ersten Jahren in den Zeitschriften noch „Selbstfahrer“ genannt. Autos waren teuer, gerade in den ersten Jahren konnten sich nur sehr wohlhabende Leute ein Automobil leisten. Selbst meist keine „Selbstfahrer“, leisteten sie sich auch einen Chauffeur dazu. Der sollte auch einige technische und praktische Fähigkeiten mitbringen, denn kaum eine Autofahrt verging ohne Panne! Schuld daran waren neben der neuen Technik die schlechten Straßen, die bis dato nur für von Pferdestärken gezogene Fuhrwerke benötigt wurden. Oft waren sie nicht befestigt und wenn dann mit Kopfsteinpflaster. Getankt wurde in Apotheken oder Drogerien – also dort kaufte man den Sprit.

Eine lustige Beschreibung einer Automobilfahrt liefert ein Artikel der Wochenzeitschrift „Über Land und Meer“ von 1903. Darin ist von einer weiten Reise die Rede, welche „die Herrschaften“ mit ihrem Wagen gemacht haben:

durch Österreich, Deutschland und Frankreich, frei und ungebunden, nicht abhängig von Fahrplänen und Dampfschiffverbindungen, sondern ganz wie es ihnen beliebt in die Welt hinein.“

Damit wurde ein Hauptvorteil des Autos genannt: eine individuelle Anfahrt. Die Herrschaftenbildeten eine Reisegesellschaft von vier Personen: drei Männern und einer Frau.

Zunächst geht es im Artikel um die herrschenden Vorurteile zum Auto: Wie kann man „mit einem solchen rasselnden, fauchenden Ungeheuer“ fahren?

Die Vorwürfe, Autos wären laut und würden „riechen“ werden vom Verfasser, selbstverständlich ein Automobilfan, zurückgewiesen. Auf den Staub angesprochen, meint er, daran seien eigentlich die Zugpferde von Kutschen schuld, die den Staub produzierten: „Aber die Sache ist nicht so gefährlich; selbst die ,mondänsten’ Damen sind nicht gekränkt, wenn ihr Haar nach einer schnellen Fahrt von Staub gepudert ist.“

Abgesehen davon, dass es zum Schutz Hüte gab, die mit Tüchern um den Hals festgebunden wurden.

Hitzegefahr bestand beim Fahren nicht – im Gegenteil, für diese Cabrios brauchte man auch im Sommer einen Mantel beim Fahren – die Bekleidungsindustrie stellte Automäntel bereit, die neben speziellen Brillengläsern und Handschuhen (letztere für den Fahrer) zur Standardausrüstung gehörten.

Auf mögliche Gefahren angesprochen, heißt es:

„Auch die ist nicht größer als auf der Eisenbahn oder in einem von Pferden gezogenen Wagen, denn die mechanischen Pferde, die es in seinem Inneren birgt, werden nicht scheu und gehen nicht durch.“

Tatsächlich passierten in den ersten Jahren nur wenige Unfälle, die jedoch in den Zeitungen ausführlich behandelt wurden – wie im übrigen auch Eisenbahnunglücke. Im bebilderten Artikel wird dann die Fahrt geschildert: zunächst wird das Gepäck hinten verstaut und mit einer größeren Kanne getankt. Nach einigen gefahrenen Kilometern gibt es eine erste Panne „Etwas im Getriebe stimmt nicht“. Das Reisegepäck wird abgeschnallt und der Motor begutachtet.

Zum Glück kann der Schaden behoben werden und es geht weiter – mit der Frau als Fahrerin übrigens! Sie macht ihre Sache anscheinend gut – bis 1907 brauchte man zum Fahren eines Autos keinen Führerschein und so konnte sich jeder mal versuchen. Immerhin mit einer Geschwindigkeit von 60 kmh fährt die Dame – bis ein Reifen platzt. Anschließend verfährt man sich noch, es gibt einen Hinweis bei entgegenkommenden Kutschen lieber anzuhalten, denn

„Die edlen Pferde hegen noch immer ein gewisses Misstrauen gegen das Automobil. Warum auch nicht? Gibt es doch selbst Menschen, die nicht begreifen können, daß ein Wagen ohne Pferde sich weiterbewegen zu vermag.“

Aber am Ende kommt man am Ziel an: „Nun, sie haben ihr Ziel erreicht, ich weiß es ganz bestimmt Gnädige, denn ich war ja selbst dabei

Hier die Bilderstrecke dazu:

In Reiseführern aus dieser Zeit wird auf das Transportmittel Auto so gut wie nicht eingegangen – ein Zeichen, dass es noch sehr rar war. Erst ab ca. 1912 wird der „Automobilverkehr“ in Reiseführern erwähnt. So heißt es im Reiseführer für Tirol von 1912/13:

„Für den Wagen- und Automobilverkehr sind in Tirol gute Straßen vorhanden, und gerade in den letzten Jahren sind neue Kunstbauten geschaffen worden, die kaum irgendwo ihresgleichen finden.“

In geschlossenen Ortschaften war die Geschwindigkeit auf 15 km/h begrenzt, außerhalb galt die Maximalgeschwindigkeit von 45 km/h.

Um weitere Entfernungen zurückzulegen, waren Züge das schnellere, sicherere, zuverlässigere und erschwinglichere Verkehrsmittel.

2. Hoch auf dem gelben Wagen 

Als weitere Transportmittel gab es Kutschen bzw. Fuhrwerke, deren allmähliches Verschwinden jedoch eine Tatsache war. Umso seltener Postkutschen wurden, desto mehr begann man, diese Fahrten romantisch zu verklären, die auf langen Strecken sicher anstrengend und vor allem lang gewesen waren. Denn die Postkutschen waren mit 5-10 Kilometer in der Stunde unterwegs.

Während die Bahn für größere Strecken die im 19. Jahrhundert gebräuchlichen Schnellpostkutschen (Dirigenten genannt) als schnellste Verbindung zwischen den Städten ersetzt hatte, fuhren noch Postkutschen in Deutschland und insbesondere auch in der Schweiz, als Verbindung zwischen kleineren Ortschaften bzw. in die nächstgrößere (mit Bahnhof). Auch wenn es der Titel vorschlägt, Postkutschen waren nicht notwendigerweise gelb-schwarz angestrichen, sondern hatten unterschiedliche Farben. Und sie hatten unterschiedliche Größen – es gab die verschiedensten Modelle, größere und kleinere, für den Post- oder Personentransport ausgelegte usw.

Eine Fahrt mit der Postkutsche sollte gut geplant sein: „Wer zuerst kam, malte zuerst.“ Am besten, man schrieb sich vorher ein, d.h. reservierte Plätze – denn die waren begrenzt.

Ein Einsteigen ohne Reservierung war zwar möglich, wie der Reiseführer Schweiz von 1910 ausführt: Die

Aufnahme der Passagiere findet an allen Stationen statt; wo die Einschreibung nicht erfolgt ist, genügt eine Anzeige beim Kondukteur, der später den Betrag abfordert.“ Aber „Reisende, welche in Nebenstationen einsteigen, haben nur noch auf die unbesetzten Plätze Anspruch“. Eigentlich logisch, aber durch eine Einschreibung konnte man sich die guten Plätze reservieren:

„Die Rangordnung der Plätze richtet sich nach der Reihenfolge der Anmeldungen.

Und das waren, wie der Reiseführer weiter rät:

Die besten Plätze, aber auch die am meisten begehrten, sind im „Coupé“ gewöhnlich für zwei Personen.

Coupé nannte man das Abteil vorne hinter dem Kutscher, meist war es mit zwei Sitzplätzen ausgestattet. Neben seitlichen Fenster hatte es oft auch kleine seitliche Fenster nach vorne.

Einige Wagen haben außer dem Coupé noch oben hinten dem Wagen eine „Bankette“.

Das war eine Außenbank und auch den Nachteil der weiteren Innenplätze erwähnte man:

„Intérieur“ sollte niemand wählen, der sich umschauen will. Nötigenfalls werden noch Beiwagen eingeschaltet.

Von innen sah man also nicht viel – was in den Schweizer Bergen bei guter Sicht tatsächlich schade war!

Auch beim Gepäck war vor der Abfahrt eine gute Planung gefragt:

Das Gepäck ist eine halbe Stunde vor der Abfahrt in das Postbureau zu bringen…Sollten die Beiwagen gewechselt werden, so beaufsichtige man selbst den Transport der Sachen aus einem Wagen in den andern“.

Die Beiwagen waren hinter den Postkutschen und für weitere Passagiere und das Gepäck gedacht. Apropos Gepäck: Für die Alpenkurse betrug das erlaubte Gewicht 10 kg und für alle anderen Kurse auf 15 kg. Für mehr Gepäck musste man zahlen – wie heute beim Fliegen!

Wie viele passten in eine Kutsche? Diese Frage stellt man sich unwillkürlich. Denn auch wenn zu diesen Zeiten viel weniger Reisende als heute unterwegs waren, passten in Kutschen nur eine begrenzte Anzahl von Fahrgästen: In große Kutschen ca. 9 bis 15, in kleinere 6-8 Passagiere. Wohl aus diesem Grund wurden dazu noch die „sehr viel benutzten Extrapostfahrten“ außerhalb des Fahrplans angeboten, für die andere (teurere) Tarife galten.

Fuhrwerke gebrauchte man gerne für Fahrten über kürzere Strecken innerhalb einer Urlaubsregion. In Reiseführern für beliebte Sommerfrischen wie Harz und Thüringen gab man meist die Mietpreise für Ein- und Zweispänner an. Öfter wurden die zu hohen Preise beklagt, z.B. in Thüringen: „Es werden oft überaus unbescheidene Forderungen seitens der Kutscher gestellt“ und im Reiseführer für den Harz wird gewarnt:

„Vor der Abfahrt vereinbare man sämtliche Kosten, auch Trinkgeld und Rückfahrt“.

Ob manche Kutscher bei Ortsunkundigen auch schon Umwege fuhren?

Ab ca. 1905 wurden dann die Kutschen mehr und mehr durch Postbusse ersetzt – wobei die Kutschen zum Transport von Post und Gepäck teilweise noch etliche Jahre im Einsatz waren. Omnibusse, die mit Pferden gezogen wurden, gab es übrigens auch – sie wurden jedoch vorwiegend im städtischen Nahverkehr eingesetzt.

3.    Per Dampfschiff

Dampfschiffe – so wurden sie explizit in Reiseführern und Beschreibungen genannt, nahm man nicht nur für Rund- und Ausflugsfahrten, ob nun auf dem Rhein, dem Bodensee oder den Meeren! Tatsächlich waren sie auch ein alternatives Verkehrsmittel zur Anreise, mit denen man durchaus eine Strecke zu seinem Sehnsuchtsziel der Sommerfrische zurücklegen konnte. So fuhren z.B. von Stettin Schiffe nach Rügen und Usedom. Für alle, die schnell seekrank wurden: Diese Ziele waren auch per Bahn erreichbar. Man konnte aber auch Bahn und Schiff kombinieren und so Teilstrecken zurücklegen. Denn für beide Verkehrsmittel benötigte man nur eine Fahrkarte.

Der Reiseführer „Die Ostseebäder“ von 1910 (Grieben) informierte zu Fahrt von Stettin ins Ostseebad Ahlbeck: 

Die Dampfer der Stettiner Dampfschifffahrtsgesellschaft J. F. Bräunlich verkehren von Anfang Juni bis Mitte September, im Juli und August werktäglich, im Juni und September dreimal wöchentlich.

Auch zum Ostseebad Binz konnte man von Stettin und Greifswald per Dampfschiff fahren.

Und für alle Inseln stellte der Dampfer natürlich die einzige Option dar. Die Nordsee-Insel Sylt konnte man damals schon auf dem Land- und Seeweg erreichen, für den Seeweg sollte man allerdings etwas Zeit mitbringen, im Reiseführer hieß es dazu:

„Der Seeweg gewährt den Reisenden die Annehmlichkeiten einer höchst komfortablen Beförderung auf erstklassigen Salon-Schnelldampfern und bietet an heißen Sommertagen nach und von Sylt unverkennbare Vorzüge. …Fahrtdauer von Hamburg nach Westerland etwa 11-12 St.(unden).“ S. 34

Warum eigentlich nicht auf einer komfortablen Dampferfahrt in Ruhe auf den Urlaub einstimmen? Vor allem, wenn man (mindestens) vier Wochen Zeit hat. Wie schon im Text beschrieben, waren die manche Dampfschiffe luxuriös eingerichtet und kleine Ausgaben der Übersee-Dampfer.

 

Fazit

Zusammenfassend läßt sich feststellen: Die Eisenbahn war das gebräuchlichste Verkehrsmittel, um ans Ziel seiner Urlaubsträume zu gelangen. Das Eisenbahnnetz war sehr gut ausgebaut (im regionalen Bereich übrigens besser als heute), sowohl die Fern- als auch die Regionalstrecken. Das war durch seine Wichtigkeit als derzeit „alternativloses“ Transportmittel für Arbeitskräfte und Güter begründet. Aber auch der Tourismus spielte für den Ausbau eine Rolle, insbesondere bei lokalen Eisenbahnlinien. Denn wer als Sommerfrischen-Ort in der vorderen Liga mitspielen wollte, musste an das Eisenbahnnetz angeschlossen sein. Das Auto als Alternative für Langstrecken war noch zu teuer und deshalb selten. Abgesehen, dass es noch an einem guten Strassennetz mangelte, welches erst nach und nach ausgebaut werden sollte. Postkutsche und Dampfschiff waren eher Verkehrsmittel für Teilstrecken zum Ziel im Anschluss an die Bahnfahrt.

Und so hing die touristische Entwicklung der Sommerfrischen-Ziele auch damit zusammen, ob sie an das Bahnnetz angeschlossen waren.

Weitere Links:

In Teil I des Artikels geht es um damals beliebte Urlaubsziele und die Reiseplanung. Wie fand man sein Ziel, buchte ein Unterkunft und was kam in den Koffer? Im II. Teil geht es um die Anreise per Eisenbahn.

Hier findet Ihr weitere Artikel rund um dieses Thema:

Sommerfrische am Meer:

Sommerfrische in den Bergen:

Sommerfrische in anderen Ländern:

Falls Ihr schöne historische Hotels für Eure Sommerfrische sucht, werdet Ihr in dieser Rubrik fündig.

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